Jürg Stuker, Generalvikar des Bistums Chur.
Schweiz

Churer Generalvikar stoppt umstrittenen Vortrag

Dem deutschen Goldhändler und Buchautor Markus Krall (60) wird eine antidemokratische und antisemitische Gesinnung vorgeworfen. Am Mittwoch hätte er an der Churer Dekanatsversammlung ein Referat halten sollen. Daraus wird nun nichts. Am Samstag intervenierte Generalvikar Jürg Stuker.

Barbara Ludwig

Kommenden Mittwoch findet die Vollversammlung des Dekanats Chur statt, zu der Priester, Diakone und Mitarbeitende in der Seelsorge eingeladen sind. Als Redner hatte Helmut Gehrmann, Dekan und Pfarrer in Trimmis GR, Markus Krall geladen. Der Titel des geplanten Vortrags lautete «Fünf Säulen zum Erhalt einer freiheitlich-christlichen Gesellschaftsordnung».

Krall ist Mitglied des Grabritterordens

Die bevorstehende Auftritt von Krall schreckte einige kirchliche Mitarbeitende und Dekanatsmitglieder auf, wie kath.ch von einem Betroffenen erfuhr, der anonym bleiben möchte. Markus Krall ist CEO und Sprecher der Geschäftsführung der Degussa Goldhandel GmbH sowie Buchautor. Das Unternehmen mit Firmensitz in München ist auch mit zwei Standorten in der Schweiz präsent. Dass Krall Mitglied des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem ist, vermochte die internen Kritiker auch nicht zu beruhigen. Dies geht aus einer E-Mail-Nachricht hervor, die kath.ch vorliegt.

Verschwörungsmythen verbreitet

Warum ist der deutsche Goldhändler umstritten? «Markus Krall verbreitete Verschwörungsmythen über eine angebliche Kulturmarxismus-Weltverschwörung der deutsch-jüdischen Frankfurter Schule», teilt der Religions- und Politikwissenschaftler Michael Blume auf Anfrage von kath.ch mit. Blume ist Beauftragter gegen Antisemitismus der Landesregierung von Baden-Württemberg.

Als Frankfurter Schule wird eine Gruppe von Philosophen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen bezeichnet, die an die Theorien von Hegel, Marx und Freud anknüpfte und deren Zentrum das 1924 in Frankfurt am Main eröffnete Institut für Sozialforschung war.

Finanzierung der AfD?

Das Unternehmen Degussa soll an der Finanzierung der rechtspopulistischen Partei «Alternative für Deutschland» beteiligt gewesen sein. Das berichtete «Zeit online» am 24. August 2021 unter Berufung auf Recherchen der Wochenzeitung «WOZ» und des «Spiegels». Krall ist auch durch antidemokratische Positionierungen aufgefallen – etwa mit der Forderung, Empfängerinnen und Empfänger staatlicher Gelder «für die Dauer ihres Transferbezugs vom aktiven Wahlrecht» auszuschliessen, wie der «Schweizer Monat» berichtet.

Demonstration gegen die AfD in Münster während des Katholikentages im Jahr 2018.
Demonstration gegen die AfD in Münster während des Katholikentages im Jahr 2018.

Absage nach Intervention durch Generalvikar

Am Samstag wurde der Churer Generalvikar Jürg Stuker laut dem erwähnten Insider von besorgten Dekanatsmitgliedern über den geplanten Auftritt von Markus Krall informiert. In der Folge sagte Dekan Helmut Gehrmann den Vortrag ab. «Die Absage erfolgte auf Intervention von Generalvikar Jürg Stuker», bestätigte Nicole Büchel, Kommunikationsverantwortliche des Bistums Chur, gegenüber kath.ch.

Blume erfreut über «Wachsamkeit» gegenüber Antisemitismus

Michael Blume zeigte sich erfreut über die Ausladung von Markus Krall. Er sei dankbar, dass es auch in der Schweiz eine «zunehmende Wachsamkeit gegenüber grenzübergreifendem, häufig rechtslibertärem Antisemitismus» gebe. «Wenn auch Schweizer Kirchen und Kantone Beauftragte gegen Antisemitismus berufen würden, so wäre dies ein Gewinn für ganz Europa», meinte er.

Dekan Helmut Gehrmann wollte auf Anfrage von kath.ch nicht Stellung nehmen.

10. November, 18.00 Uhr: Markus Krall weist die Vorwürfe zurück. Die Vorwürfe seien «konstruiert und falsch, insbesondere der des Antisemitismus, der angesichts meiner bekannten Aktivitäten und meines Eintretens für das jüdische Leben und den Staat Israel an Lächerlichkeit schwer überbietbar ist», schreibt Krall in einer E-Mail an kath.ch.

Wir haben den Artikel um das Zitat aus dem «Schweizer Monat» ergänzt.


Jürg Stuker, Generalvikar des Bistums Chur. | © Bistum Chur
6. November 2022 | 11:43
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