Harald Rein, christkatholischer Bischof der Schweiz
Schweiz

Christkatholischer Bischof: Einheit mit Rom gibt es nur, wenn wir aufhören Frauen zu Priesterinnen zu weihen

Der christkatholische Bischof Harald Rein (65) wertet den Dialog zwischen der römisch-katholischen und der christkatholischen Kirche auf Weltebene als positiv. Dieser ist nun vorläufig abgeschlossen. «Eine Einheit beider Kirchen hat eine Chance», sagt Harald Rein – trotz Priesterinnen. Grund dafür habe Joseph Ratzinger gelegt.

Jacqueline Straub

Wie blicken Sie als christkatholischer Bischof auf die römisch-katholische Kirche?

Harald Rein*: Für mich ist es eine katholische Schwesterkirche. Der Dialog zwischen der römisch-katholischen und der christkatholischen Kirche auf Weltebene ist nun vorläufig mit dem Dokument IRAD II abgeschlossen. Rom hat die Ergebnisse nun aus seiner Sicht veröffentlicht. Die Ergebnisse sind positiv zu werten. Dennoch gibt es einen sehr traurigen, springenden Punkt.

Erbaut von Renaissance-Päpsten, finanziert u.a. durch Ablasshandel: der Petersdom in Rom.
Erbaut von Renaissance-Päpsten, finanziert u.a. durch Ablasshandel: der Petersdom in Rom.

Welchen?

Rein:  Eigentlich ist der christkatholische-römisch-katholische Dialog ein Familienkonflikt. Rom liess uns wissen, dass wir nach dem derzeitigen Stand wieder miteinander eine Kirche sein beziehungsweise eine Kirchengemeinschaft schliessen könnten. Das hiesse: Amts- und Sakramentsgemeinschaft bei zurzeit bleibender Eigenständigkeit mit Bischofswahl und dem Papst als Ehrenprimas. Doch eine existentielle Bedingung gibt es: Wir Christkatholiken müssen aufhören Frauen zu Priesterinnen zu weihen.

«Aus heutiger Sicht ist die Unfehlbarkeit der Kirche nicht mehr der Trennungsgrund.»

Und wie steht es um die Anerkennung des Papstes und die Unfehlbarkeit?

Rein: Darin haben wir einen Konsens gefunden. Es sprengt aber den Rahmen dieses Interviews das genauer zu erklären. Aus heutiger Sicht ist die Unfehlbarkeit der Kirche nicht mehr der Trennungsgrund, sondern die Frage, wie weit die Synodalität der einzelnen Ortskirche beziehungsweise die Autonomie eines Bistums geht. Sei es bei der Bischofswahl oder bei kulturell bedingten Fragen des kirchlichen Lebens.

Wie wird sich die christkatholische Kirche entscheiden: Für Rom und gegen die Gleichberechtigung oder gegen die Gemeinschaft mit Rom?

Rein: Selbstverständlich werden wir weiter Frauen zu Diakoninnen und zu Priesterinnen weihen und hoffentlich bald auch zu Bischöfinnen.

Angela Berlis war eine der ersten beiden Frauen in der christkatholischen Kirche Deutschlands, die die Priesterweihe empfing.
Angela Berlis war eine der ersten beiden Frauen in der christkatholischen Kirche Deutschlands, die die Priesterweihe empfing.

Wurden bei den Gesprächen keine Forderungen an Rom gestellt, dass diese die Weiheämter für Frauen öffnet?

Rein: Natürlich wurde darüber diskutiert. Aber ein Dialog ist erst einmal ein Gespräch. Und später entscheiden Kirchenleitungen und Synoden, ob sie diesen Ergebnissen folgen können und möchten. Auch bei den Christkatholiken müssen Dialogergebnisse durch die Synoden und die Bischöfe bestätigt werden. Es geht um komplexe Prozesse.

Und wie steht es um den Zölibat? Würden die christkatholischen Priester dann einen Dispens vom Papst erhalten?

Rein: Das Zölibat ist eine rein kirchenrechtliche Frage. Die christkatholischen Geistlichen dürften weiterhin heiraten und die römisch-katholische Kirche ist frei, das zu handhaben, wie sie möchte. Allerdings dürfte ich bei einer offiziellen Kirchengemeinschaft keine Geistlichen aus der römisch-katholischen Kirche mehr übernehmen, wenn dies der Grund für einen Bistumswechsel wäre, solange die römisch-katholische Kirche daran festhält.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller und Kardinal Kurt Koch am 6. Oktober 2015.
Kardinal Gerhard Ludwig Müller und Kardinal Kurt Koch am 6. Oktober 2015.

Wie realistisch ist es, dass es die christkatholische Kirche und die römisch-katholische Kirche wieder zu einer Kirche werden?

Rein: Es ist in Rom üblich, dass Dialoge, die das «Einheitssekretariat» abschliesst von der «Glaubenskongregation» überprüft werden müssen. Das entsprechende Gutachten von Kardinal Gerhard Müller hat nicht das «Nihil obstat» von Papst Franziskus. Die Frage der Frauenordination ist damit weiter offen. Denn niemand anders als Papst Benedikt XVI. hat als Kardinal Joseph Ratzinger festgestellt, dass die Aussagen von Johannes Paul II. in seinem Schreiben «Ordinatio sacerdotalis» lehrmässig noch keinen definitiven Entscheid darstellen. Insofern hat eine Einheit beider Kirchen eine Chance. Aber natürlich nicht morgen.

Kardinal Kurt Koch ist der Ökumene-Minister des Vatikans. Wie haben Sie ihn beim Dialog erlebt?

Rein: Ich kenne Kardinal Kurt Koch schon 40 Jahre und schätze ihn persönlich und seine theologischen Überlegungen. Wir haben zur gleichen Zeit in Luzern an der Theologischen Fakultät promoviert. Im ökumenischen Dialog erlebe ich ihn nach wie vor wohlwollend und sehr interessiert, aber zurückhaltender und vorsichtiger im Blick darauf, was katholische Lehre ausmacht und was änderbar ist und was nicht.

«Es ist eine natürliche Entwicklung.»

Nicht nur die römisch-katholische Kirche, sondern auch die christkatholische Kirche steht vor Herausforderungen.

Rein: Das stimmt. Aber eigentlich sind unsere Mitgliederzahlen weiterhin stabil.

Wo sehen Sie Probleme?

Rein: Viele Menschen wollen oder können nicht mehr die Werte oder das, was die Kirche glaubt, glauben. Das geht durch alle Altersgenerationen – vor allem aber bei den jungen Menschen. Dadurch wird auch der Anteil derer, die sich für ein Theologiestudium entscheiden, kleiner. Gleichzeitig wird die Anzahl der Geistlichen geringer. In absehbarer Zeit wird es viele Pensionierungen geben. Es ist eine natürliche Entwicklung.

Die christkatholische Kirche St. Peter und Paul in Bern
Die christkatholische Kirche St. Peter und Paul in Bern

Wie werden Sie dieser Herausforderung begegnen?

Rein: Wir werden Kampagnen führen, um junge Menschen und auch Quereinsteiger für das Theologiestudium zu gewinnen.

Die christkatholische Kirche hat all das, was sich viele Katholikinnen und Katholiken wünschen, etwa den freiwilligen Zölibat oder Frauen in Ämtern. Dennoch konvertieren nur wenige zur christkatholischen Kirche. Wie erklären Sie sich das?

Rein: Wer heute noch in einer Kirche aktiv engagiert ist, möchte primär seine eigene Kirche verändern und nicht woanders beitreten.

Warum missioniert die christkatholische Kirche nicht?

Rein: Das tun wir sehr wohl. Wir versuchen die Menschen für das Reich Gottes zu begeistern. Aber die Richtung geht klar auf die Konfessionslosen. Denn alle Kirchen in der Schweiz haben durch das Unterzeichnen der Charta Oecumenica ausgemacht, dass man nicht bei den anderen Kirchen missioniert oder sich in die Gärten der anderen einmischt. Die Christinnen und Christen sollen sich untereinander nicht konkurrenzieren.

*Harald Rein (65) ist christkatholischer Bischof der Schweiz.


Harald Rein, christkatholischer Bischof der Schweiz | © Jacqueline Straub
29. März 2023 | 12:26
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