Hereinspaziert: Seelsorger und Gemeindeleiter Theo Pindl (64) fühlt sich sehr wohl im neuen Gemeindezentrum der christkatholischen Kirchgemeinde Baden-Brugg-Wettingen.
Schweiz

«Mein Weg mit Gott war stets kurvenreich»: Christkatholik Theodor Pindl wird Priester

Eigentlich war er immer schon ein Christkatholik – weil er mit dem Reformstau der römisch-katholischen Kirche haderte. Seit letztem Jahr ist der 64-jährige Theodor Pindl Diakon der christkatholischen Kirchgemeinde Baden-Brugg-Wettingen im Aargau. Nun wird der gebürtige Allgäuer am 4. Februar in Zürich zum Priester geweiht.

Wolfgang Holz

Auch die Kirche kann unverhofft Glück haben. Als Seelsorger Theo Pindl freundlicherweise den kath.ch-Journalisten vom Bahnhof in Würenlingen abholt, verrät er auf dem Weg zum Gemeindezentrum freudig, dass das neue Eduard-Herzog-Haus letzten November fertig geworden sei.

Lottogewinn sorgt für Kirchensteuersegen

Man habe eine bestehende Immobilie im 5000-Seelendorf kaufen und in Gestalt von neuen Wohnungen umbauen und erweitern können. Auch ein Begegnungszentrum ist in dem Haus untergebracht, das nach dem ersten christkatholischen Bischof benannt wurde. Aber woher hat die christkatholische Kirchgemeinde Baden-Brugg-Wettingen plötzlich so viel Geld?

Dank eines Lottogewinns einer Christkatholikin konnte sich die Kirchgemeinde ein neues Gemeindezentrum in Würenlingen leisten.
Dank eines Lottogewinns einer Christkatholikin konnte sich die Kirchgemeinde ein neues Gemeindezentrum in Würenlingen leisten.

«Eine Christkatholikin unserer Kirchgemeinde hat im Lotto gewonnen. Aus dem daraus resultierenden Steuereingang von rund zwei Millionen Franken und zahlreichen anderen Spenden haben wir uns dann entschlossen, ein neues Gemeindezentrum in Würenlingen zu bauen», erzählt Diakon Theodor Pindl und lächelt zufrieden. «Leider ist die Frau kurz nach dem Lottogewinn verstorben.»

Seelsorger hat auch eine neue Wohnung

Steht man dann vor dem neuen Eduard-Herzog-Haus, in dem der 64-jährige Seelsorger auch eine Wohnung bezogen hat, versteht man, dass eine neue Zeitrechnung für die christkatholische Kirchgemeinde Baden-Brugg-Wettingen angebrochen ist. Denn bisher hatte das Gemeindezentrum seinen Sitz in Dättwil bei Baden.

Der Begegnungsraum im neuen Eduard-Herzog-Haus der Christkatholiken in Würenlingen.
Der Begegnungsraum im neuen Eduard-Herzog-Haus der Christkatholiken in Würenlingen.

Nun hat die Seelsorge dieses schöne Zuhause in Würenlingen. Nur die Erdarbeiten vor der Terrasse vor dem Begegnungsraum sind offensichtlich noch nicht ganz abgeschlossen. Ansonsten funkelt alles nigelnagelneu. Im neuen Büro von Theodor Pindl hängt eine Karte, auf der sein Seelsorge-Gebiet eingezeichnet ist: Es umfasst 90 politische Gemeinden mit rund 400 Gläubigen. Von Zurzach im Norden bis nach Bremgarten im Süden. Ziemlich gross.

Priesterweihe in Zürich

Zu dem Neuanfang in Würenlingen passt, dass Kirchgemeindeleiter Theodor Pindl am 4. Februar vom christkatholischen Bischof Harald Rein in der Augustinerkirche Zürich zum Priester geweiht wird. Eine spezielle Feier – ist die letzte christkatholische Priesterweihe doch 2017 in Lugano über die Bühne gegangen. Damals wurde Elisabetta Tisi zur Priesterin geweiht.

Theo Pindl ist seit April 2022 Gemeindeleiter der christkatholischen Kirchgemeinde Baden-Brugg-Wettingen.
Theo Pindl ist seit April 2022 Gemeindeleiter der christkatholischen Kirchgemeinde Baden-Brugg-Wettingen.

«Ich freue mich sehr auf dieses Ereignis», sagt der einst im allgäuerischen Balderschwang aufgewachsene Bub heute. Dass seine Weihe auf den von der Uno ausgerufenen Tag der Geschwisterlichkeit aller Menschen fällt, sei für ihn Zeichen und Ansporn, «die christkatholische Weite in den Dienst der ganzen Menschheitsfamilie zu stellen».

Vater war Dorfschullehrer

Theodor Pindls Vater war Dorfschullehrer. Zusammen mit dem Bürgermeister und dem Pfarrer in dem auf 1044 Meter hoch gelegenen Bergdorf an der österreichischen Grenze, war früh beschlossen worden, dass Theodor einmal Priester werden sollte. Ein römisch-katholischer natürlich.

Das waren noch Zeiten: Dreikäsehoch Theo Pindl (ganz links) mit Schulkameraden beim Schneemannbauen in Balderschwang.
Das waren noch Zeiten: Dreikäsehoch Theo Pindl (ganz links) mit Schulkameraden beim Schneemannbauen in Balderschwang.

Deshalb ging er auch neun Jahre lang auf eine katholische Internatsschule. Studierte Theologie, Pädagogik und Philosophie. Und war nach seiner Unizeit in Würzburg und Freiburg sogar fünf Jahre lang als wissenschaftlicher Assistent die rechte Hand von Freiburgs Erzbischof Oskar Saier.

«Ich wollte Laie sein. Der Klerikalismus der katholischen Kirche und der Pflichtzölibat haben mich immer gestört.»

Theodor Pindl, christkatholischer Diakon

Doch Priester werden wollte der inzwischen geschiedene Familienvater von heute vier erwachsenen Kindern eigentlich nie. «Ich wollte Laie sein. Mich interessierten zwar von früher Jugend an Fragen der Theologie und des Glaubens – aber der Klerikalismus der katholischen Kirche und der Pflichtzölibat für Priester haben mich schon immer gestört.» Das führte dazu, dass der engagierte Theologen säkulare, berufliche Wege einschlagen hat.

In seinem neuen Büro: Christkatholik Theo Pindl. Am 4, Februar wird er in Zürich zum Priester geweiht.
In seinem neuen Büro: Christkatholik Theo Pindl. Am 4, Februar wird er in Zürich zum Priester geweiht.

Er war Unternehmensberater und Projektmanager für die Europäische Union. Dann arbeitete er fünf Jahre lang als Bildungshausleiter des Klosters Reute in Oberschwaben. Seit 2105 wirkte der promovierte Philosoph und Theologe als Intendant des ökumenischen Vereins «Wirkraumkirche» in St. Gallen. Zuvor arbeitete er in der Citypastoral Ravensburg als Mitinitiator und Organisator des «Ravensburger Konzils». Er leitete in dieser Zeit auch das ökumenische Projekt «Vom Trennen zum Teilen – Abendmahl für alle».

Christkatholische Augustinerkirche in Zürich
Christkatholische Augustinerkirche in Zürich

Nicht zuletzt sein Engagement für die Offene Kirche in St. Gallen faszinierte den Schöngeist und kreativen Theologen. Allerdings – nachdem die weit gediehenen baulichen Planungen für seine verschiedenen experimentellen und kulturellen Projekte, welche die Menschen Kirche und Gemeinschaft neu erleben lassen sollten, plötzlich scheiterten, weil die katholische Kirche als Hauptgeldgeber den Geldhahn zudrehte, fühlte er sich ernüchtert. Aber nicht enttäuscht.

«Mir ist es immer darum gegangen, zusammen mit anderen etwas Neues zu machen.»

Theodor Pindl

«Mein Weg mit Gott ist stets ein kurvenreicher gewesen», sagt Pindl. Er habe nie gejammert oder sei verbittert gewesen.

Die offene Kirche in St. Gallen. Das Gebäude wird nun abgerissen für den neuen HSG-Kampus.
Die offene Kirche in St. Gallen. Das Gebäude wird nun abgerissen für den neuen HSG-Kampus.

«Mir ist es immer darum gegangen, zusammen mit anderen etwas Neues zu machen, unternehmerisch im wahrsten Sinne des Wortes zu sein.»

Dach überm Kopf bei den Christkatholiken

Dabei war sein neuer Weg zu und mit Gott bereits vorgespurt. Denn da er in St. Gallen eine Wohnung in der christkatholischen Kirche gefunden hatte, öffnete sich für den Römisch-Katholischen zusehends die Glaubenswelt der Christkatholiken.

«Ich besuchte regelmässig Gottesdienste. Die offene und liberale Grundhaltung der Christkatholiken zu Frauen als Priesterinnen, zur Ehe für alle sowie die synodale Organisation der Kirche brachten mich dazu, mich voll und ganz dem christkatholischen Glauben zu widmen», erzählt Pindl.

Bei den Christkatholiken möglich: Weihe von Diakoninnen
Bei den Christkatholiken möglich: Weihe von Diakoninnen

Seit April 2022 leitet er die Kirchgemeinde Baden-Brugg-Wettingen. Seit Juni 2022 ist er Diakon. Nun wird er zum Priester geweiht. «Eigentlich war ich schon immer Christkatholik», bekennt der Seelsorger mit Herz und Hand lächelnd. Sein Fels in der römisch-katholischen Kirche, den er nach wie vor bewundert, ist und bleibt Papst Johannes Paul II. «Der hat die Welt wirklich verändert.»

In der christkatholischen Kirche fühlt sich Theodor Pindl sehr wohl. Dreimal im Monat feiert er mit den Gläubigen Eucharistiefeier in der Kapuzinerkirche in Bremgarten und in der Klosterkirche Wettingen.

Auf seinem Spazierweg kommt Theo Pindl oft an der Allerheiligenkapelle in Würenlingen vorbei.
Auf seinem Spazierweg kommt Theo Pindl oft an der Allerheiligenkapelle in Würenlingen vorbei.

Daneben sucht er das intensive Gespräch mit der Kirchgemeinde, organisiert Gesprächsapéros und macht auch Hausbesuche. «Ich will meine Verbundenheit zu Gott den Menschen weitergeben, Gott in unserer Gemeinde einen Ort sichern.»

«Es findet kein Massenexodus zu den Christkatholiken statt, weil die meisten Leute nicht mehr ideologisch-konfessionell denken.»

Theodor Pindl

Dass nicht mehr römisch-katholische Christinnen und Christen wie er zu den rund 12’000 Christkatholiken in der Schweiz wechseln, die ja quasi wesentliche Reformwünsche innerhalb der römisch-katholischen Kirche umgesetzt haben, hat aus seiner Sicht einen einfachen Grund.

«Es findet kein Massenexodus zu den Christkatholiken statt, weil die meisten Leute nicht mehr ideologisch-konfessionell denken.» «Empörungskatholiken» würden nicht zu den Christkatholiken kommen. Und wer frustriert sei wegen Missbrauch und Kirchensteuer, der trete aus der Kirche aus.

Säkularisierung und Individualisierung der Gesellschaft

Gleichzeitig will Theodor Pindl nicht verschweigen, dass auch die Christkatholiken trotz liberalerer kirchlicher Prägung mit den Folgen der zunehmenden Säkularisierung und Individualisierung der Gesellschaft zu kämpfen haben.

Der oberste Christkatholik Harald Rein auf dem Bundesplatz Bern
Der oberste Christkatholik Harald Rein auf dem Bundesplatz Bern

Sprich: Auch die Gottesdienste der Christkatholiken seien spärlich besucht. Von den rund 400 Gläubigen in seiner Gemeinde, besuchen regelmässig nur weniger als zehn Prozent die Messen. «Es sind natürlich vor allem die Silver-Ager», beschreibt Theodor Pindl. Aber zum einen gebe es bei den Christkatholikinnen und Christkatholiken kein Kirchengebot. «Zum anderen sind für mich die Leute, die in die Kirche kommen, die Richtigen.»

«Gott wirkt immer im Kleinen.»

Theodor Pindl

Will heissen: Der christkatholische Seelsorger beklagt sich nicht über fehlende Kirchenbesucher. Er möchte die Menschen einfach in ihrem Glauben abholen. «Ich will auch durch mein persönliches Zeugnis von und für Gott, durch mein Sprechen über Gott für die Menschen da sein.» Man dürfe nie mutlos und kraftlos als Seelsorger sein. Und Theodor Pindl ist überzeugt: «Gott wirkt immer im Kleinen.»   

Theodor Pindl wird am Samstag, 4. Februar 2023 um 11 Uhr von Bischof Harald Rein in der Augustinerkirche Zürich zum Priester geweiht.


Hereinspaziert: Seelsorger und Gemeindeleiter Theo Pindl (64) fühlt sich sehr wohl im neuen Gemeindezentrum der christkatholischen Kirchgemeinde Baden-Brugg-Wettingen. | © Wolfgang Holz
1. Februar 2023 | 09:12
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