Dürre in Ostafrika: Viele Menschen flüchten wegen Hungersnot.
Schweiz

Caritas-Politikexperte: «Bisheriges Engagement gegen Hungerkrise in Ostafrika reicht nicht»

Krieg in der Ukraine. Klimawandel. Energiekrise. Themen, die auf der Agenda des WEF ganz oben stehen. Denkt auch irgendjemand in Davos an die unzähligen Kinder, die in Afrika an Hunger sterben? Im Interview sagt Andreas Lustenberger von der Caritas Schweiz, warum die Kluft zwischen Arm und Reich immer grösser wird.

Wolfgang Holz

Herr Lustenberger, das WEF steht unter dem Titel «Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt.» Beim ersten Agenda-Punkt geht es um die internationale Energie- und Nahrungsmittelknappheit. Macht Ihnen das etwas Hoffnung, dass in Davos die Tausenden von hungernden afrikanischen Kinder nicht ganz vergessen werden?

Andreas Lustenberger*: Für uns von der Caritas Schweiz hat sich die Entwicklung der Hungerkrise in unseren Projektländern in den letzten drei Jahren stark zugespitzt. Zumal es sich um eine Mehrfachkrise handelt. Sprich: Pandemie, Krieg und Klimakrise. Insofern stimmt die Agenda am WEF aus meiner Sicht inhaltlich.

Andreas Lustenberger arbeitet seit 2014 bei der Caritas Schweiz.
Andreas Lustenberger arbeitet seit 2014 bei der Caritas Schweiz.

Aber ist das WEF nicht nur wieder ein glanzvoller Showdown der Mächtigen und Reichen dieser Welt, von dem die Ärmsten auf dieser Welt zum x-ten Mal wieder nicht viel profitieren – beziehungsweise einfach verhungern?

Lustenberger: Wenn die Politikerinnen und Politiker sowie die Wirtschaft am WEF miteinander reden, bringt das sicher mehr, als wenn sie nicht miteinander reden würden. Jedoch sind wir aktuell mit enormen Herausforderungen wie etwa der Hungerkrise in Ostafrika konfrontiert, wo von Millionen von Todesopfern ausgegangen wird. Das heutige Engagement und die politischen Massnahmen des globalen Nordens reichen nicht aus, um den Hunger wirksam zu bekämpfen.

«Es werden nicht genügend finanzielle Mittel aufgewendet, um den globalen Süden zu unterstützen.»

Aber was ist denn das Hauptproblem?

Lustenberger: Klar ist, es werden nicht genügend finanzielle Mittel aufgewendet, um den globalen Süden zu unterstützen. Die Beiträge für die Entwicklungszusammenarbeit seitens der wohlhabenden Staaten umfasst nicht genügend Geld. Allein die Schweiz müsste die Beiträge für die Internationale Zusammenarbeit verdoppeln, was jährlich ungefähr ein Prozent des Bruttoinlandeinkommens entsprechen würde.

Geld für gerechten Handel
Geld für gerechten Handel

Ein Prozent des Bruttosozialprodukts?! Wirkt selbst diese Hilfe nicht immer noch beschämend, wenn man bedenkt, dass massenhaft kleine Kinder in den Armen ihrer verzweifelten Mütter entkräftet und krank wegsterben?

Lustenberger: Wir müssen die Armen in diesen Ländern sicher besser erreichen, als es die internationale Politik momentan schafft oder bereit ist zu tun. Für uns von der Caritas Schweiz, mit Hilfsprojekten in rund 20 Ländern, ist klar, dass die internationale Gemeinschaft, die Weltbank und der private Sektor einen Schuldenschnitt für ärmere Länder vornehmen müssen. Damit die betroffenen Staaten in die Wohlfahrt ihrer Bevölkerung investieren können und nicht nur Schulden abzahlen müssen.

«Den Menschen geht es heute weltweit schlechter als vor drei Jahren.»

Warum sind die wohlhabenden Länder und Weltbank diesbezüglich so geizig?

Lustenberger: Gute Frage. Die Weltbank operiert eben auf dem Prinzip, Kredite an Entwicklungsländer zu verteilen – auf der Basis dessen, dass die Gelder irgendwann wieder zurückbezahlt werden. Das mag in der Theorie einleuchten, deckt sich aber überhaupt nicht mit den ökonomischen Realitäten, in denen diese Länder stecken.

Dürre in Ostafrika.
Dürre in Ostafrika.

Was wollen Sie damit sagen?

Lustenberger: Laut dem internationalen Human Development Index etwa geht es den Menschen heute weltweit schlechter als vor drei Jahren. Das ist eine verheerende Botschaft, insbesondere für den armen globalen Süden. Dabei funktionieren die regionalen und lokalen Märkte in den betroffenen Ländern eigentlich. Nur auf internationalem Level schaffen es die Staaten eben nicht, sich aufgrund ihrer negativen Zahlungsbilanz und dem internationalen Handel entsprechend mit Treibstoff, Dünger und anderen Produktionsmitteln für eine gesellschaftliche Entwicklung einzudecken.

«Die Politik denkt nach wie vor in zu kurzfristigen Zyklen.»

Fehlt es also international am politischen Willen, für mehr Gerechtigkeit zugunsten der Armen dieser Welt zu sorgen – und frustriert Sie dieser fehlende Wille nicht zunehmend?

Lustenberger: Frustriert ist vielleicht zu stark gesagt. Aber es ist schon beschämend, dass die internationale Politik nicht in der Lage ist, gemeinsam Lösungen für solch dramatische Krisen zu finden. Die Politik denkt nach wie vor in zu kurzfristigen Zyklen. Zumal solche Krisen ja nicht nur Menschen verhungern lassen, sondern die Welt insgesamt unsicherer machen – durch Gewalt und Terrorismus. Die Welt war noch nie so unsicher wie in unserer Gegenwart. Die Hungerkrise in Ostafrika müsste sich sicher auf einer viel höheren Dringlichkeitsstufe befinden.

Ausgetrocknete Böden und Kein regen: In Afrika machen sich Hungersnöte breit.
Ausgetrocknete Böden und Kein regen: In Afrika machen sich Hungersnöte breit.

Letzte Frage: Würde es etwas am Bewusstsein der Politiker ändern, würde man Hungerkinder physisch am WEF in Davos präsentieren?

Lustenberger: Ich glaube nicht, dass solche drastischen Massnahmen etwas bringen würden. Die Menschen am WEF sind intelligent genug, um die Problematik verstanden zu haben. Sie müssen einfach nur noch ihr Handeln anpassen. 

*Andreas Lustenberger, M.Sc., ist ausgebildeter Wirtschaftsgeograph und arbeitet seit 2014 bei Caritas Schweiz. Seit Juli 2022 leitet er den Bereich Grundlagen und Politik. Er ist zudem seit 2013 Mitglied des Zuger Kantonsrates und im Vorstand des Vereins Drogen Forum Zug.  


Dürre in Ostafrika: Viele Menschen flüchten wegen Hungersnot. | © zVg
16. Januar 2023 | 18:25
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