Kathedrale Chur
Schweiz

Churer Gerichtsurteil: Religionsfreiheit durch «Adebar» nicht tangiert

Chur, 1.3.18 (kath.ch) Das Bistum Chur geht im Streit mit der Landeskirche um die Beratungsstelle «Adebar» vors Bundesgericht. Laut Urteil der Vorinstanz ist nicht erkennbar, inwiefern der angefochtene Entscheid die Religionsfreiheit des Bistums einschränke. Auch fehlten Belege für die Aussage, die Beratungen stünden im Widerspruch zur Kirchenlehre. Aus Sicht der Landeskirche unterstützt «Adebar» Menschen in schwierigen Situationen.

Georges Scherrer

Zum laufenden Verfahren nehme die Landeskirche nicht Stellung. Sie warte den Entscheid des Bundesgerichts ab, erklärte der Präsident der Landeskirche (Exekutive), Thomas M. Bergamin, am Donnerstag gegenüber kath.ch.

Beim Streit geht es um 15’000 Franken Unterstützungsgelder, welche die Landeskirche an «Adebar», die «Beratungsstelle für Familienplanung, Sexualität, Schwangerschaft und Partnerschaft Graubünden» zahlt. Der Name «Adebar» geht auf den Fabelnamen des Storchs zurück. In den vergangenen sechs Jahren wurde das Geld jedoch nicht überwiesen, sondern buchhalterisch zurückgestellt. «Wir können das Geld nicht auszahlen, solange wir ein hängiges Verfahren haben», sagt Bergamin, der ehemalige Präsident des Corpus Catholicum in Chur, des Parlaments der Kirche (Legislative).

«Unterstützung von Menschen in schwierigen Situationen»

Das Bistum will die Zahlung verhindern, weil Adebar mit der Abtreibungsberatung gegen die katholische Lehre verstosse und die Abtreibung fördere. Aus Sicht der Landeskirche unterstützt «Adebar» Menschen in schwierigen Situationen.

«Adebar» biete ganz verschiedene Beratungen an. Einer davon betreffe den Schwangerschaftsabbruch. Der Wortführer des Bistums in dieser Angelegenheit, Generalvikar Martin Grichting, beschränke sich auf diesen einen Punkt. Die Landeskirche unterstütze «Adebar» wegen der wertvollen Hilfe, welche die Stelle für Familien und Frauen leiste, so Bergamin. Auf der Website aufgeführt sind Unterstützung bei der Familienplanung, Schwangerschaft, Partnerschaft, die Stelle bietet auch Sexualberatung für Schulen, Eltern und Migranten an.

«Aktive Mitwirkung an Abtreibungen»

«Adebar» verfolgt aus der Sicht des Bistums «überwiegend Tätigkeiten, die mit dem katholischen Glauben unvereinbar sind», heisst es in einer Mitteilung des Bistums von Dienstag. In der Beratungstätigkeit sei die Abtreibung gemäss Bistum eine legitime Option. Die Beratungsstelle stelle darüber hinaus Bescheinigungen über die Beratung Schwangerer unter 16 Jahren aus und wirke damit «an Abtreibungen aktiv mit, weil diese Beratung nach geltendem Recht für eine Abtreibung vorgeschrieben ist».

Verwaltungsgericht falsche Adresse

Als bisher letzte Instanz hat in dieser Sache das Bündner Verwaltungsgericht ein Urteil gesprochen. Es hält fest, dass die Zahlung an «Adebar» durch die landeskirchliche Finanzhaushaltsverordnung abgedeckt werde.

Weiter heisst es im Urteil vom 5. Dezember 2017, das kath.ch vorliegt, dass die «Behauptung der Beschwerdeführer, die Ausgabe widerspreche offensichtlich der Lehre und Ordnung der römisch-katholischen Kirche», nicht näher belegt werde. So seien keine «Fundstellen in einem Gesetz oder entsprechende Glaubensätze» genannt worden. Es sei zudem nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, Glaubenssätze zu beurteilen.

Glaubensfreiheit nicht tangiert

Das Bistum verhalte sich in der Sache «widersprüchlich». Denn es habe in einem Vorverfahren zugestanden, dass Adebar Angebote habe, welche nicht im Widerspruch zur katholischen Lehre stünden. Es sei des Weiteren nicht erkennbar, in welcher Art und Weise die «verfassungsmässig geschützte Glaubens- und Religionsfreiheit des Beschwerdeführers» durch den angefochtenen Entscheid eingeschränkt werde. Inwiefern durch die Zahlung die Glaubens- und Religionsfreiheit tangiert sein solle, sei für das Gericht nicht ersichtlich, heisst es im Urteil.

Keine verfassungsrechtlich geschützte Drittwirkung

Das Gericht teilt die Auffassung nicht, dass der römisch-katholischen Kirche in der Wahrnehmung durch Gläubige und durch Dritte Schaden zugefügt werde. In Glaubensfragen gebe es keine verfassungsrechtlich geschützte Drittwirkung, «da solch ethisch-moralische Grundsatzfragen in den engsten Persönlichkeitsbereich jedes Einzelnen» fallen würden. Solche Fragen lägen nicht im «Schutzbereich der Religionsfreiheit». Das Bistum mache einen derartigen Schutzbereich geltend und wolle auf diese Weise einen «Imageschade» vermeiden.

Lange Vorgeschichte

Seit 2011 versucht das Bistum, die finanzielle Unterstützung der Stelle durch die Landeskirche zu stoppen. Dabei geht es um jährliche Beiträge in der Höhe von 15’000 Franken. Die Bemühungen waren bislang erfolglos. Mehrfach scheiterten Anträge im «Corpus catholicum», dem Parlament der Landeskirche. Eine Beschwerde an die Rekurskommission der Landeskirche gegen den Entscheid des Kirchenparlamentes wurde 2013 abgewiesen. 2014 fällte das Bündner Verwaltungsgericht einen ersten Entscheid: Es hob das Urteil der Rekurskommission auf, weil diese den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe, und wies sie an, sich mit den Argumenten des Bistums auseinanderzusetzen und neu zu entscheiden. In der Sache selber urteilte das Gericht damals nicht.

Bistum geht vors Bundesgericht

Am 5. Dezember 2017 hat das Verwaltungsgericht die Unterstützung der Beratungsstelle durch die Landeskirche in einem zweiten Entscheid für zulässig erklärt, teilte das Bistum Chur am Dienstag mit. Gegen diesen Entscheid hat das bistum nun beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht.

Adebar wird nach eigenen Angaben von einem gemeinnützigen Verein getragen. Finanziert wird die Beratungsstelle durch Beiträge des Kantons Graubünden, der katholischen und der evangelisch-reformierten Landeskirche, durch Mitgliederbeiträge, Honorare und Spenden. (gs/sys)


Kathedrale Chur | © Barbara Ludwig
1. März 2018 | 10:33
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