Bischof Paul Hinder mit Gläubigen
Schweiz

Bischof Paul Hinder steht für ein neues Bild der katholischen Kirche auf der Arabischen Halbinsel

Feststimmung in Abu Dhabi: Ein Vertreter der Nuntiatur überbringt den Segen von Papst Franziskus für Bischof Paul Hinder. Eine Laudatio auf den Schweizer Kapuziner von Stephan Leimgruber in zehn Punkten.

Stephan Leimgruber*

1. Herzliche Gratulation zum 80. Geburtstag und zum 18. Jahr auf der Arabischen Halbinsel! Wir freuen uns über die Schaffenskraft für den Aufbau der Kirche in Arabien, über den Erfolg von Bischof Paul Hinder, obwohl Erfolg kein Name Gottes ist (Martin Buber) – und wünschen weiterhin Ausdauer, Gesundheit und den österlichen Frieden! Ad multos annos!

Bischof Paul Hinder an seinem 80. Geburtstag
Bischof Paul Hinder an seinem 80. Geburtstag

2. Bewundernswert ist die Geduld von Bruder Paul, der weder mit 65 in Pension gegangen ist, noch mit 75, wie das für kirchliche Würdenträger die Regel ist. Nein, Papst Franziskus hat ihn mit einem brüderlichen Schultern-Klopfen dazu ermuntert, weiterhin die Leitung der Seelsorge im Apostolischen Vikariat des südlichen Arabiens wahrzunehmen. 

Bischof Paul Hinder feiert seinen 80. Geburtstag in Abu Dhabi.
Bischof Paul Hinder feiert seinen 80. Geburtstag in Abu Dhabi.

Statt ihm einen Kommilitonen (zum Beispiel einen Weihbischof) zuzuordnen, hat er ihn zusätzlich mit der Seelsorge für das Apostolat des nördlichen Arabien (mit den vier Ländern Kuwait, Bahrain, Qatar und Saudi-Arabien) betraut. Gewiss hat Staatssekretär Parolini vor Kurzem in Abu Dhabi Station gemacht, doch der 22. April 2022 verstreicht ohne Ernennung eines Nachfolgers. Dies wäre längst nötig gewesen, weil ein Nachfolger eine Einführungszeit braucht, um das aufgebaute Netzwerk und den Aufgabenbereich überhaupt kennen zu lernen. Das Apostolische Vikariat in Abu Dhabi mit den an einer Hand abzuzählenden Mitarbeitenden müsste ausserdem vergrössert werden, um die nötige pastorale Effizienz zu erreichen. Der wertvollste Mitarbeiter Bruder Gandolf Wild als Sekretär ist vor kurzem verstorben.

Bischof Paul Hinder feiert den 80. Geburtstag in Abu Dhabi.
Bischof Paul Hinder feiert den 80. Geburtstag in Abu Dhabi.

3. Noch geistert auf der Arabischen Halbinsel das Gerücht, Christinnen und Christen würden bedrängt, verfolgt und von den Potentaten hingerichtet. Bischof Paul Hinder steht für ein neues Bild der katholischen Kirche auf der Arabischen Halbinsel im dritten Jahrtausend. Es ist das Bild einer lebendigen Migrantenkirche. Zwei bis drei Millionen Katholikinnen und Katholiken sind dort gegenwärtig und zu einem durchaus intensiven christlichen Leben bei. 

Dieses ist in 23 Church-Cities organisiert und steht in ökumenischem Kontext weiterer christlicher Kirchen und in Nachbarschaft zu zahlreichen Moscheen, welche die Atmosphäre bestimmen – unter anderem durch die Muezzinrufe. Mit Ausnahme von Saudi-Arabien, wo es eine christliche Untergrundkirche gibt, dürfen sich Christinnen und Christen versammeln, austauschen, weiterbilden und Gottesdienste feiern. In zahlreichen kirchlich verantworteten offenen Schulen (für alle) können Katechese gehalten und Kinder und Jugendliche auf die Feier der Sakramente vorbereitet werden. Es gibt auf der Arabischen Halbinsel ein verhaltenes, wenig konfliktives Zusammenleben der Angehörigen der Konfessionen und Religionen, nachdem frühere Herrscher bis im letzten Jahrhundert auch andere Töne verlauten liessen.

Bischof Paul Hinder an seinem 80. Geburtstag.
Bischof Paul Hinder an seinem 80. Geburtstag.

4. Bischof Hinder trägt das Leben der Pfarreien mit. Er ist leibhaftig und medial präsent. Die gottesdienstlichen Feiern sind wie Säulen im Leben der Migrantinnen und Migranten, die aus über hundert Nationen stammen. Die Gespräche untereinander und die Gottesdienste vermitteln Hoffnung und Kraft, um fern von Heimat und Verwandten das Leben zu meistern, um zu arbeiten und das Brot des Lebens zu verdienen. Viel Geld wird in die Heimat gesandt. In den «Seelsorgebezirken» (Pastoralräumen) sind insgesamt 60 Brüder, 60 Schwestern und 120 Priester tätig. Es wird soziale Hilfe und Unterstützung angeboten, aber ebenso geistig-geistliche Nahrung vermittelt.

5. Bruder Paul, der Kapuziner, hält die Katholikinnen und Katholiken auf der Arabischen Halbinsel zusammen. Er stärkt sie und inspiriert die Verantwortlichen: er beruft Laien in seelsorgerliche Dienste und trägt zu einem Vernetzungsprozess bei. Jährlich verfasst er ein Pastoralwort mit neuen Schwerpunkten. Er bereist die einzelnen Länder, versammelt die Leitenden, besucht Pfarreien und hält (vor allem in Zeiten des Lockdowns) gestreamte gottesdienstliche Feiern wie auch telefonische Kontakte zu den Schwestern und Mitbrüdern, die hauptsächlich dem Kapuzinerorden aus Indien, den Philippinen sowie Sri Lanka und den Gombonimissionaren aus Italien angehören. 

Bischof Paul Hinder an seinem 80. Geburtstag.
Bischof Paul Hinder an seinem 80. Geburtstag.

6. Bischof Paul scheut sich nicht vor Kontakt zu den Sultanen, Grossimamen und Kronprinzen. Er kondoliert dem Königshaus bei Todesfällen, partizipiert an Empfängen, etwa an den Feierlichkeiten des Jubeljahrs «Celebrating Diversity» (2019). Im Laufe der 18 Jahre hat er ein Klima der Verlässlichkeit und des Vertrauens geschaffen, was Conditio sine qua non ist für die Optimierung des sozialen Lebens und der Anstellungsbedingungen der Migranten. Er weiss um das Kafala-System, das heisst darum, dass die Arbeitnehmenden einen «Bürgen» erhalten, der die Einreiseformalitäten und die Anstellungen besorgt, aber auch Macht ausüben kann, wenn jemand ausreisen will. Dieses Kafala-System wird im Zuge der internationalen sportlichen Veranstaltungen, insbesondere der Fussball WM 2022, zunehmend hinterfragt und kompromittiert. In Qatar soll es aufgehoben sein.

7. Ich bewundere das Ausharren unter den heissen klimatischen Bedingungen, die für alle Zugereisten und nicht zuletzt für Paul Hinder eine physische und psychische Herausforderung sind. Betreffend Klimawandel wächst das Bewusstsein auch beim saudischen Herrscher Muhammad Ben Salman (MBS), dass erneuerbare Energien die Bodenschätze Öl und Gas ersetzen müssen. Die klimatischen Bedingungen mit 40 Grad Celsius und mehr produzieren einen überdurchschnittlichen, teilweise unnötigen Energieverbrauch (Skipiste in Dubai). Die entsprechenden Funde von Öl und Gas haben aus der Wüstenlandschaft und den Perlfischerdörfern auf der Arabischen Halbinsel moderne Zentren der Wirtschaft, des Handels und der Finanzen geschaffen. Sie haben Fortschritt und Reichtum ermöglicht, die nach einer gerechten Verteilung rufen, auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten. 

8. Bischof Hinder ist sich bewusst, dass (mit Ausnahme von Jemen) absolute und konstitutionelle Monarchien die Arabischen Staaten regieren. Er weiss um den Arabischen Frühling (2010), der in praktisch allen Ländern aufgeblüht, aber jäh mit Gewalt niedergeschlagen worden ist. Die Infragestellung der absolutistischen Monarchen und die Einführung demokratischer Regierungsbeteiligungen von Gremien und Gruppierungen sind grosse Wünsche an diese riesige Halbinsel. Im Oman, der vom Sultan mustergültig aufgebaut wurde, fehlen zur Zeit die Arbeitsplätze für die Einheimischen, weshalb das Programm der «Omanisierung» hochgehalten wird. Die Ausführung der Todesstrafe etwa in Saudi-Arabien ist zwar rückläufig, aber sie wird noch viel zu wenig geächtet. Eine Kampagne für die Einhaltung der Menschenrechte ist leise und die Presse getraut sich wenig Contra zur Regierung zu geben (Fall Khashoggi). Die Rechte der Frauen werden eher in marginalen Fragen zugestanden. In diesen politischen Fragen ist noch viel «Luft nach oben». Gibt es dazu eine Balance zwischen Kritik und Schweigen?

Papst Franziskus und Bischof Paul Hinder im Jahr 2020.
Papst Franziskus und Bischof Paul Hinder im Jahr 2020.

9. Der christlich-islamische Dialog ist ansatzhaft bei den Verhandlungen um Kirchenbau (seit 1939), beim Bau von Museen (Koranmuseum in Doha) und nach westlichem Muster gebildeten Kulturzentren in Gang. Der Neubau der Kirche Mariens «Our Lady from Arabia» in Bahrain (2021) bewirkte, dass zahlreiche muslimische Regierende am Eröffnungsgottesdienst teilgenommen haben, nachdem sie ein Grundstück zur Verfügung gestellt haben. Der Besuch des Papstes in Abu Dhabi mit der Proklamation des Wortes über die «Geschwisterlichkeit» mit Grossimam Ahmed Tayebb am 4. Februar 2019 wie auch die Messe des Papstes im Fussballstadium von Abu Dhabi haben wechselseitiges Wohlwollen und Vertrauen manifestiert.

Bis zu einem christlich-islamischen Dialog auf Augenhöhe aber ist noch ein weiter Weg. Der theologische interreligiöse Dialog an den islamwissenschaftlichen Fakultäten der zahlreicher werdenden Universitäten steht noch am Anfang. Immerhin nennt sich die Moschee neben dem Vikariat «Moschee Marias, der Mutter Jesu». In diesem Dialog wäre auch die doch einseitig wahabitische Ausprägung des Islams zu thematisieren und der Kampf gegen die minoritären Schiiten. Nötig wäre die Betonung der Ähnlichkeiten von Islam und Christentum etwa in Bezug auf das Gottesbild, wie es Nostra Aetate vor 50 Jahren artikuliert hat.

10. Ein besonderes Anliegen ist dem Hirten Paul Hinder der vom Krieg heimgesuchte Jemen, mit dessen Christen er ständig in Kontakt ist. Es gibt dort vier katholischen Kirchenzentren. Bis jetzt haben sieben Schwestern der Missionarinnen der Nächstenliebe das Martyrium erlitten. Im Jahre 1998 wurden drei Nonnen (Schwester Aleta, Schwester Michaela und Schwester Zelia) in Hodeidah getötet. Am 4. März 2016 griffen Terroristen ein katholisches Altenheim in Aden an und ermordeten 16 Menschen, darunter vier Schwestern der Missionarinnen der Nächstenliebe (Schwester Anselma, Schwester Marguerite, Schwester Reginette und Schwester Judith) also in der Gemeinde zu Teresa vom Kinde Jesu. Seit August 2020 wirkt wieder ein Priester im Jemen. Der Friedensprozess lässt auf sich warten.

* Stephan Leimgruber (73) ist emeritierter Professor für Religionspädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist Priester des Bistums Basel und lebt in Luzern.


Bischof Paul Hinder mit Gläubigen | © zVg
22. April 2022 | 18:49
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