Martin Werlen liest aus "Wo kämen wir hin?"
Schweiz

Benediktiner-Orden könnte mit Frau als Abtprimas Bewegung in die Kirche bringen

Zürich, 27.9.16 (kath.ch)  Als nächsten «Abtprimas» wünscht sich alt Abt Martin Werlen eine Benediktinerin. Sein Orden würde auf diese Weise programmatisch umsetzen, was er in seinem neusten Buch «Wo kämen wir hin?» fordert. In diesem geht er ausführlich auf das Thema «Frauen und Kirche» ein. Das Buch stellte er in einer Pizzeria vor. kath.ch befragte den Mönch über die Hintergründe.

Georges Scherrer

Warum findet die Buchvernissage von «Wo kämen wir hin?» in einer Pizzeria des Hauptbahnhofs Zürich statt?

Martin Werlen: Hier ist ein Ort, wo der Alltag stattfindet. Wenn ich unterwegs bin, mache ich hier sehr oft mit Leuten ab. Hier habe ich sehr gute Gespräche geführt. Manchmal ziehe ich mich auch hierher zurück, um zu arbeiten. Und auch dann kommt es zu ganz überraschenden Begegnungen mit Personen, die ganz zufällig hier sind.

Der Bahnhof ist jedoch als Ort der Vernissage nicht zufällig ausgewählt. Sie gelten als Zug-Fan. Betrachten Sie sich als Schnellzug oder als Regionalzug?

Werlen: Ich bin schon eher ein Schnellzug. Mit meinen Überlegungen und Gedanken bin ich anderen gelegentlich etwas voraus. Zum Teil haben diese etwas Mühe damit, das nachzuvollziehen, was ich sage.

Haben Sie nicht Angst davor, dass Sie mit diesem Tempo die katholische Kirche hinter sich lassen?

Werlen: Die Schweizer Bundesbahnen SBB haben keine Angst vor ihren Schnellzügen. Diese gehören mit zum Betrieb wie die Regionalzüge. Das gilt auch für die Kirche.

Sie veröffentlichen das Buch «Wo kämen wir hin?». In welchem Zusammenhang steht dieses zu Ihren anderen Publikationen «Heute im Blick” und «Miteinander die Glut unter der Asche entdecken” ?

Werlen: Es ist ein Weiterdenken und Weitergehen dieser beiden Bücher – und auch des Buchs mit den Bahngleichnissen. In letzterem geht es darum, die Augen und Ohren offen zu halten, um wahrzunehmen, was sich bewegt.

Das neuen Buch präsentieren Sie in einer Pizzeria. Entspricht das neue Werk eher einer Pizza Hawai oder einer Pizza Diavolo?

Werlen: Meine liebste Pizza ist die Margerita. Ich habe aber lange gar nicht wahrgenommen, dass dieses Etablissement nun Pizzeria heisst. Ganz am Anfang war hier ein Warteraum 1. Klasse untergebracht. Dann folgte ein Restaurant. Der Raum erinnert etwas an die alten Bahnhofbuffets und die Atmosphäre, die dort herrschte.

Während Sie an der Buchpräsentation lasen, hatten Sie einen aufmerksamen Zuhörer. Von einem Wandplakat grüsste Sie Sir John Falstaff, eine Gestalt, welche Shakespeare kreierte und die vor Lebensfreude nur so strotzt. Was sagen Sie Sir John?

Werlen: Hoffentlich war er nicht nur ein aufmerksamer Zuhörer … Er passt absolut in diesen Raum. Hier herrscht eine derartige grosse Vielfalt. An den Wänden sind die Literatur, die Musik und auch das Reisen auf den Plakaten vertreten. Für mich ist die Welt hier präsent wie bei einem modernen Aeropag, also einem Ort, wo Menschen sich treffen.

Mit dem Buch knüpfen Sie am Beispiel an, das Papst Franziskus gibt. Wie finden er und seine Reformideen Eingang in das Werk?

Werlen: Papst Franziskus veröffentlichte 2013 eine Programmschrift für Reformen. Dort hat er über alles geschrieben, was heute in der Kirche ansteht. Ein Jahr später gab ich sechzig Priestern Exerzitien. Dabei stellte sich heraus, dass nur zwei von ihnen das Reformprogramm kannten. Das Papstschreiben Evangelii Gaudium wird kaum wahrgenommen. Daraus ergibt sich die Frage: Wie kann eine Reform gelingen, wenn die Verantwortungsträger in der Kirche sich gar nicht damit auseinandersetzen. Mein Buch bildet den Versuch, die Anregungen, welche Papst Franziskus vermittelt, in eine grössere Öffentlichkeit zu bringen. Viele Priester, Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten sind dankbar für eine Wegleitung, welche sie dann auch in den Pfarreien umsetzen können.

In ihrem Buch ist von der Rolle der Frauen die Rede. Sie träumen davon, dass die Benediktiner ein Beispiel geben und als nächsten «Abtprimas» eine Ordensfrau wählen. Wie realistisch ist dieser Traum?

Werlen: Für mich wäre es ein grossartiges Zeichen gewesen, wenn bei der letzten Wahl eines Abtprimas als Nachfolge von Notker Wolf eine Frau erkoren worden wäre. Kirchenrechtlich würde dem nichts im Wege stehen. Wir haben Möglichkeiten und nutzen sie nicht. Das zeigt, dass die Probleme oft anderswo liegen, als wir vermuten.

Martin Werlen liest aus «Wo kämen wir hin?» | © Georges Scherrer
27. September 2016 | 17:36
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