Simon Curau-Aepli, Tatjana Disteli, Franziska Driessen-Reding, Renata Asal-Steger
Schweiz

Beleidigungen, Hass und Morddrohung: Wenn Frauen sich für Reformen einsetzen

Wer sich für Reformen in der Kirche einsetzt, erhält auch Kritik. Doch: SKF-Präsidentin Simon Curau-Aepli etwa wurde auf einem Podium angeschrien und körperlich eingeschüchtert. Die ehemalige Zürcher Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding hat schon mehrmals Morddrohungen erhalten.

Jacqueline Straub

Die deutsche Theologin Agnes Wuckelt hat für ihren Einsatz für Reformen innerhalb der katholischen Kirche bereits Morddrohungen erhalten. Auch in der Schweiz erleben Frauen, die in politisch-kirchlichen Ämtern tätig sind, Anfeindungen und öffentliche Ablehnung. Und sogar Morddrohungen.

Tatjana Disteli an der Synode in Prag.
Tatjana Disteli an der Synode in Prag.

Etwa erlebt Tatjana Disteli, Generalsekretärin der Aargauer Landeskirche, immer wieder, dass Menschen wegen ihres Einsatzes für Reformen abgelehnt werden. Auf dem Weg zur Europäischen Synodalversammlung in Prag begegnete sie einer ehemaligen Arbeitskollegin. «Es war erschreckend, wahrzunehmen, wie stark ihre Ablehnung in Wort und Gestik dem weltkirchlichen Prozess gegenüber war», sagt Tatjana Disteli. Die Frau sprach von «Werk und Verwirrung Satans». Ein normaler Austausch sei nicht mehr möglich gewesen. «Dieser Umstand beschäftigte mich noch lange. Eigentlich bis heute.»

Mit anderen austauschen

Tatjana Disteli rät anderen Frauen, die Beschimpfungen oder Drohungen wegen ihres «authentischen Engagements» erleben, sich dort auszutauschen, wo sie Rückhalt spüren. Ihr helfe es, den Gründen für eine solche Ablehnung nachzugehen.

Keine Anfeindungen

Auf Anfrage von kath.ch äusserten sich aber auch Frauen, die bislang noch keine Anfeindungen innerhalb der Kirche erlebt haben. Etwa Monika Rebhan Blättler, Präsidentin von der Nidwalder Landeskirche, Regula Furrer Giezendanner, Generalsekretärin der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Bern oder auch Michaela Berger-Bühler, Generalsekretärin der Katholischen Landeskirche Thurgau.

Auftritt der frisch gewählten Präsidentin des Landeskirchenrates Bern Marie-Louise Beyeler
Auftritt der frisch gewählten Präsidentin des Landeskirchenrates Bern Marie-Louise Beyeler

«Diskussionen, in denen mit unterschiedlichsten Haltungen und Erwartungen um Wege in die Zukunft der römisch-katholischen Kirche gerungen wird, erlebe ich oft», sagt Marie-Louise Beyeler, Präsidentin der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Bern. Morddrohungen oder wüste Beschimpfungen habe sie aber noch nie erhalten.

«Frau Driessen, geben Sie Acht!»

Anders bei Franziska Driessen-Reding. Ihr wehte als Synodalratspräsidentin der Züricher Landeskirche viel Kritik entgegen. Sie wurde schon als «idiotisch», «Fehlbesetzung», «widerlich» bezeichnet. Oder als eine Person, die die Kirche «an die Wand fahren» würde. Ihr wurde empfohlen, aus der Kirche auszutreten. «Scheren Sie sich zum Teufel», schrieb ein Mann per Mail. Eine andere Person liess sie wissen: «Frau Driessen, geben Sie Acht! Es wäre für Sie besser, Sie würden auf dem schnellsten Weg ehrlich und mit Reue umkehren, beten und Busse tun.» Kath.ch liegen einige Emails vor, die die ehemalige Synodalratspräsidentin erhalten hat.

Franziska Driessen-Reding
Franziska Driessen-Reding

Ihr wurde empfohlen, sich um Kindererziehung, Sozialfürsorge und Krankenbetreuung zu kümmern, statt mit den «Wölfen des linken Mainstreams zu heulen» und die SVP als «schlechte Christen zu verteufeln», meinte ein anderer Mann in einer Mail an Franziska Driessen-Reding.

Morddrohung und Vergewaltigungsphantasien

Per Post erhielt Franziska Driessen-Reding auch schon mehrmals Morddrohungen. Diese richteten sich auch gegen ihren Ehemann. In einem Brief wünschte ein anonymer Schreibender, dass Franziska Driessen-Reding von einem Muslim vergewaltigt werde. Eine andere Person beschimpfte ihre Tochter, «was für eine schlimme Mutter» sie hätte.

Simone Curau-Aepli vom Frauenbund setzt auf die Vernetzung der Frauen.
Simone Curau-Aepli vom Frauenbund setzt auf die Vernetzung der Frauen.

Die Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes, Simone Curau-Aepli, hat zwar noch keine Morddrohungen erhalten, erlebte aber auf einem Podium an der kantonalen SVP-Delegiertenversammlung 2014 massive Angriffe. «Ich vertrat die Nein-Position zur Initiative ‹Abtreibung ist Privatsache›, die die Finanzierung der Abtreibung durch die Krankenkassen streichen wollte.»

Keine Reaktion der Anwesenden

Nach ihrem Kurzreferat meldete sich ein Mann zu Wort, der mit dem Mikrofon in der Hand aus der Mitte des Saales auf Curau-Aepli zurannte und sie vor allen Anwesenden beschimpfte. Er unterstellte, dass sie andere zum Morden anstacheln würde und sprach ihr das Katholisch-Sein ab. «Von der Sitzungsleitung wurde ihm nicht Einhalt geboten und niemand im Saal reagierte auf diesen massiven Angriff auf mich als Person.»

Das Erlebte beschäftigte sie noch lange. Nicht nur der verbale und körperliche Angriff – der Mann stand unmittelbar vor Simone Curau-Aepli und wütete gegen sie – auch das Schweigen und Nicht-Einstehen für sie haben Spuren bei ihr hinterlassen.

Erlebtes teilen

«Das liess mich hautnah erleben, welches Gottes- und Menschenbild solche Ideologinnen und Ideologen vertreten und wie sie versuchen, Andersdenkende zu erniedrigen und zu diffamieren», sagt sie. Ihr habe geholfen, mit ihrem Umfeld offen über das Erlebte zu reden. Einige Wochen später habe sie sich beim Leiter der Delegiertenversammlung beschwert, dass er nicht interveniert hat. «Er hat sein Verständnis und Bedauern über diesen Vorfall ausgedrückt», sagt Simone Curau-Aepli.

Renata Asal-Steger
Renata Asal-Steger

Renata Asal-Steger wurde schon mehrmals wegen ihren Anliegen für eine gleichberechtigte Kirche «ignoriert, belächelt oder nicht ernstgenommen». Sie habe gelernt, damit umzugehen, so Präsidentin der Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz. «Ich lasse mich mittlerweile dadurch weder einschüchtern noch kleinlaut machen, sondern engagiere mich weiterhin für eine Kirche der gleichen Würde und der gleichen Rechte – beharrlich und beherzt.»

Nicht von Angst lähmen lassen

Sie suche sich Verbündete, auch über die Landesgrenzen hinweg. Der synodale Prozess zeige, dass viele eine gleichberechtigte Kirche möchten. Dieses gemeinsame Unterwegssein ermutigt sie und schenke ihr immer wieder die nötige Kraft, dranzubleiben «und mich weder von Angst, Resignation oder Enge lähmen zu lassen», sagt Renata Asal-Steger.


Simon Curau-Aepli, Tatjana Disteli, Franziska Driessen-Reding, Renata Asal-Steger | © kath.ch
11. Juli 2023 | 17:00
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