Bischof Bernard Fellay nutzte die Bühne zugunsten der Piusbruderschaft
Kommentar

Beerdigung von Bischof Huonder in Ecône: Piusbrüder nutzen die Bühne

Für die Piusbruderschaft ist die Beerdigung des römisch-katholischen Diözesanbischofs Vitus Huonder in ihrer Seminarkirche ein Triumpf. Zelebrant Bischof Bernard Fellay nutzte den Anlass am Mittwoch als Propagandaveranstaltung in eigener Sache. Und zur Frage nach der wahren katholischen Kirche.

Francesco Papagni

Vitus Huonder, ehemaliger Bischof von Chur, hat sich in Ecône neben Erzbischof Lefebvre bestatten lassen – in klarem Bruch einer Regel, wonach Bischöfe in ihrer Kirche, der Kathedrale begraben werden. Es ist der letzte, spektakuläre Akt einer Entfremdung, die viel früher begonnen hat.

Für die Priesterbruderschaft St. Pius X., die von Marcel Lefebvre gegründet wurde, ist das ein Triumph: Ein Diözesanbischof der römisch-katholischen Kirche bekennt sich durch seine letzte Entscheidung zur vom Vatikan nicht anerkannten Piusbruderschaft und stärkt damit deren Position.

Mitglieder der Piusbruderschaft beim Requiem für Bischof Vitus Huonder, 17. April 2024.
Mitglieder der Piusbruderschaft beim Requiem für Bischof Vitus Huonder, 17. April 2024.

Propagandaveranstaltung für die Bruderschaft

Der vorkonziliäre Begräbnisritus, dessen Zweck einzig ist, für die Seele des Verstorbenen zu beten, wird durch den Zelebranten, Bischof Bernard Fellay zu einer Propagandaveranstaltung für die Bruderschaft umgemünzt. In der Predigt hebt er zunächst konventionell an. Der Verstorbene hat das Gericht zu erwarten, das strenger sein wird als dasjenige für Normalsterbliche. «Corruptio optimi pessima», sagt Thomas von Aquin. In seinem Fall etwa: Die Sünden der Amtsträger wiegen besonders schwer.

Dann aber hebt er zu einer Lobrede auf den Verstorbenen an. Ein Friedensstifter, ein gütiger Bischof, ein Brückenbauer, der in der Rekonstruktion Fellays pikanterweise als Mitglied einer von Rom gesandten Delegation nach Ecône kommt – und an der Piusbruderschaft Gefallen findet. Immerhin, so Fellay, war es Papst Benedikt XVI, der einmal zu ihm gesagt haben soll, dass die Bruderschaft viel mehr repräsentierte, als was sie sei. Sie erscheint als «ein Zeichen des Widerspruchs», so Fellay weiter, aber dieser Widerspruch sei ein Mysterium, der Wille der göttlichen Vorsehung.

Bewahrerin der Schätze der Kirche

Und jetzt kommt Fellay zum Kern: Es habe der göttlichen Vorsehung gefallen, dieser kleinen Bruderschaft die Schätze der Kirche anzuvertrauen. Damit sind die Schätze der Tradition gemeint. Wenn die Kirche diese verliere, sterbe sie. Fellay betont, dass die Piusbruderschaft Teil der Kirche sei. Schon hier wird klar, wie die Piusbrüder sich selbst verstehen – nicht nur als Teil der Kirche, vielmehr als die wahre Kirche.

Beerdigung von Bischof Huonder - mit Bischof Bernard Fellay (4. v.r.)
Beerdigung von Bischof Huonder - mit Bischof Bernard Fellay (4. v.r.)

Und die letzte Entscheidung Huonders bestätigt diese Position. Sein letzter Akt wird in Fellays Predigt zum grössten, besten – ein Akt für die Ewigkeit. Dieses Ereignis soll «in mystischer Weise betrachtet werden». Wie Jesus Christus, der ausserhalb der Mauern von Jerusalem stirbt. Und nun die Schlussfolgerung: Jesu Kreuz ist selbst ein Zeichen des Widerspruchs.

Steile Genealogie in der Nachfolge Jesu

Dies ist eine steile Genealogie, die die Priesterbruderschaft Sankt Pius X. legitimieren soll: Ihr Widerspruch zu Rom und zur Welt stehe in der authentischen Nachfolge Jesu. Bischof Vitus Huonder habe das erkannt. Er habe erkannt, dass die wahre Kirche in Ecône beheimatet ist. Aber nicht nur in Worten, wie es im Verständnis Fellays Benedikt XVI. gemacht hatte, sondern mit einer letzten, unwiderruflichen Tat.

Rhetorisch geschickt aufgebaute Predigt

Fazit: eine rhetorisch geschickt aufgebaute Homilie, frei vorgetragen in Französisch und in perfektem Deutsch. Es kann kein Zweifel daran bestehen, wie Ecône sich die Wiedervereinigung mit Rom vorstellt. Da sie die Verteidiger des wahren katholischen Glaubens sind, müssen nicht sie zurück zur Kirche finden, die Kirche muss zurück zu ihnen finden.

Requiem für Bischof Vitus Huonder in der Seminarkapelle der Priesterbruderschaft St. Pius X. in Ecône, 17. April 2024.
Requiem für Bischof Vitus Huonder in der Seminarkapelle der Priesterbruderschaft St. Pius X. in Ecône, 17. April 2024.

Dabei ist ihre Weltanschauung Frucht eines Schocks, den die katholische Kirche Frankreichs durch den militanten Antiklerikalismus der französischen Revolutionäre erlitten hatte. Erzbischof Lefebvre wollte noch eineinhalb Jahrhunderte später im Zweiten Vatikanum den Geist der Revolution erkennen. 

Zweite Vatikanum – für Piusbrüder eine Irrlehre

Beim Zweiten Vatikanischen Konzil ging es nicht nur um die Liturgie und um das Latein. Es ging um die Religionsfreiheit, die in der Konstitution «Dignitatis humanae» nicht nur akzeptiert, sondern begründet wird. Die Konzilskirche erkennt von neuem, was schon die Alte Kirche wusste: dass Glaube nur in Freiheit wirklicher Glaube ist. Damit wird auch die Autonomie des Menschen anerkannt. Sie entspricht dem göttlichen Willen, denn Gott hat den Menschen frei erschaffen.

Zweites Vatikanisches Konzil - in der Konzilsaula in der Peterskirche
Zweites Vatikanisches Konzil - in der Konzilsaula in der Peterskirche

Und es geht um das Verhältnis zu den anderen Konfessionen und Religionen, insbesondere zum Judentum. In «Nostra Aetate» (1965) revidiert die Kirche die Substitutionstheologie, wonach der Neue Bund in Christus den Alten Sinaibund mit Israel ersetzt habe. Nach «Nostra Aetate» stehen der Alte und der Neue Bund gleichberechtigt nebeneinander. Die Juden müssen nicht bekehrt werden.

Für die Piusbrüder ist das eine Irrlehre, denn die Kirche ist für sie das neue Israel. Nach wie vor gilt «extra ecclesiam nulla salus». Ausserhalb der Kirche gibt es kein Heil – auch nicht für Jüdinnen und Juden.

Die Frage nach der Legitimität

Aber wieso wird so viel Auflebens um eine Splittergruppe gemacht? Die Piusbruderschaft ist ein Problem für die römisch-katholische Kirche, weil sie einerseits in der Apostolischen Sukzession steht, ihre Weihen unerlaubt, aber nicht ungültig sind. Andererseits stellt sie mit ihrem Anspruch, die wahre katholische Kirche zu sein, die Legitimität Roms infrage.

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Die Aussage Benedikts XVI., die Piusbruderschaft repräsentiere viel mehr als was sie sei, meint – wenn sie denn tatsächlich gemacht wurde – eben dies: Nicht ihre Grösse ist das Problem, vielmehr ihre Konkurrenz zu Rom.

Die alte Begräbnisliturgie mit ihrer eigenen Ästhetik und ihrer suggestiven Kraft hat der Piusbruderschaft noch einmal eine vielbeachtete Bühne geboten, die Frage nach der legitimen Kirche zu stellen und diese in ihrem Sinn zu beantworten. Das macht die Bedeutung dieses Ereignisses aus. 


Bischof Bernard Fellay nutzte die Bühne zugunsten der Piusbruderschaft | © Bernard Hallet
19. April 2024 | 13:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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