Thomas Wallimann-Sasaki
Schweiz

Ethik22 auf der Kippe: Die RKZ streicht das Geld

Das sozialethische Institut Ethik22 erhält ab 2025 keine Gelder mehr aus dem Kirchentopf. «Das macht mich betroffen», sagt der Leiter und Sozialethiker Thomas Wallimann. Sie seien «mit Vollgas» auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell.

Regula Pfeifer

Seit 2021 erhält das Institut Ethik22 mit jedem Jahr weniger kirchliche Fördergelder. Erst waren es noch 140’000 Franken, dieses Jahr sind es noch 80’000 Franken. Ab 2025 ist keine Finanzierung mehr vorgesehen.

Entscheid von SBK und RKZ

So erklärt es Urs Brosi, Generalsekretär der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ) auf Anfrage von kath.ch. Den Entscheid haben demnach die Schweizer Bischofskonferenz SBK und die RKZ 2021 gemeinsam getroffen. Dem Entscheid vorausgegangen war eine Evaluation durch die Fachgruppe Mitfinanzierung SBK/RKZ – anhand festgelegter Kriterien.

Urs Brosi ist Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ)
Urs Brosi ist Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ)

«Bei Ethik22 war massgeblich, dass es eine Organisation ist, die keinen kirchlichen Auftrag hat und seit der Loslösung von der KAB auch keinen vom Institut unabhängigen Träger mehr kennt», begründet Brosi den Verzicht auf eine weitere Mitfinanzierung.

Justitia et Pax und Bioethik-Kommission

Und er ergänzt: Mitentscheidend sei auch das Interesse von SBK und RKZ gewesen, «die Ressourcen für die ‘ethische Stimme der Kirche’ zu bündeln». Wie bereits seit einiger Zeit bekannt, sollen die bei der Schweizer Bischofskonferenz angesiedelten Gremien Justitia et Pax und Bioethik-Kommission zusammengeführt werden.

Gleichzeitig betont Urs Brosi im Namen der Entscheidungsträger; «dass die fachlichen Qualitäten und das grosse Engagement des langjährigen Stellenleiters Dr. Thomas Wallimann und seines Teams unbestritten sind und keinen Grund für den beschlossenen Ausstieg darstellen.»

Widerspruch

Dieser Erklärung des Generalsekretärs zu «festgelegten Kriterien» widerspricht dem Verständnis des Institutsleiters Thomas Wallimann, «Das Argument des Auftrags und der Trägerschaft höre ich zum ersten Mal.»

Sozialtag «ethik22»
Sozialtag «ethik22»

Er erklärt sich dies als Teil des Interesses, Sozialethik bei der SBK zu zentralisieren. «Ethik22 verstand die Finanzierung durch die RKZ sowie die positiven jährlichen Überprüfungen durch den Generalsekretär in all den Jahren als kirchlichen Auftrag. Ausserdem war der RKZ der unabhängige Verein für Christliche Sozialethik als Träger sowie die KAB Schweiz als finanzielle Mit-Trägerin von Ethik22 bekannt», so Wallimann. «Die RKZ-Finanzierung ermöglichte es Ethik22, Dienstleistungen für kirchliche Organisationen zu viel niedrigeren Preisen als Marktpreise anzubieten. Das wird nun nicht mehr der Fall sein», bedauert Wallimann.

Vier Personen arbeiten für Ethik-Institut

Aktuell arbeiten vier Personen für das Ethikinstitut. Doch dem Sozialethiker geht es nicht nur um sich und sein Team. Er sieht in der Absage an Ethik22 einen Grundsatzentscheid.

Homepage von ethik22.ch
Homepage von ethik22.ch

Seit 20 Jahren gebe es in Sachen Ethik in der Kirche zwei Ansichten, so Wallimann. Die einen fordern einen partizipativen Prozess für eine zukunftsgerechte Vision kirchlich sozialethischer Stimmen, die die Tradition des schweizerischen katholischen dualen Systems aufrechterhält.

«Die Vielfalt der sozialethischen Stimmen in den Kirchen ist heute unsicherer denn je.»

Thomas Wallimann, Leiter Institut Ethik 22

Wallimann zählt sich und sein Institut Ethik22, das aus der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, hervorgegangen ist, zu diesen Partnern auf der Laienseite des dualen Systems. Die andere Strömung hingegen findet, Ethik müsse zentralisiert oder sogar bei den Bischöfen angesiedelt sein. Dies haben die Entscheidungsträger nun beschlossen, indem sie – wie oben erwähnt – die ethische Stimme bei der SBK bündeln wollen.

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«Die Vielfalt der sozialethischen Stimmen in den Kirchen ist heute unsicherer denn je», so Wallimann. Bereits sind einige Ethikstellen verschwunden, die Ethikstelle beim SKF, das Bildungsinstitut Boldern ebenso wie demnächst das Pfarramt für Industrie und Wirtschaft in Basel. «Wenn wir nicht bald eine neue Finanzierungsmöglichkeit finden, steht unsere Existenz auch auf der Kippe.»

Ethikcharta des Bundesgerichts

Doch so einfach geben die bei Ethik22 Engagierten nicht auf. Ethik22 sieht laut Wallimann seinen Auftrag im Geist der KAB, die Gesellschaft mitzugestalten, die Katholische Soziallehre und die ethische Entscheidungsmethode Sehen-Urteilen-Handeln in die Welt zu tragen. Sie seien auf der Suche nach Partnerinnen und Partnern sowie nach Kundinnen und Kunden auch aus der Kirche. «Wir stellen fest: Ethik ist gefragt und erwünscht in der heutigen Gesellschaft. Aber es ist nicht einfach, ethische Dienste in Geld umzumünzen.»

Ihre Expertise eingebracht hat Ethik22 etwa bei der Ethikcharta des Bundesverwaltungsgerichts in St. Gallen. Aktuell engagiert es sich bei einem Ethikprojekt in einem Spital.


Thomas Wallimann-Sasaki | © Vera Rüttimann
26. April 2024 | 15:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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