Monika Küng und Lucrezia Meier-Schatz
Schweiz

Die christliche Sozialethik braucht eine starke Stimme in diesem Land

Zürich, 8.12.16 (kath.ch) Die christliche Sozialethik muss in Kirche, Politik und Wirtschaft zu Gehör gebracht werden. Dieser Ansicht sind gegen 100 Personen, die am Mittwoch in Zürich den «Verein für christliche Sozialethik» gegründet haben. Präsidentin wird die Grüne Aargauer Politikerin Monika Küng.

Martin Spilker

Der neue Verein wurde in Zürich von Vertreterinnen und Vertretern aus Kirche – unterschiedlicher Konfessionen -, Politik und Wirtschaft aus der Taufe gehoben. Im Zweckartikel heisst es, dass hier mit sozialethischem Gedankengut ein Beitrag zur Gestaltung von Kirche, Politik und Wirtschaft geleistet werden soll.

Antworten sind gefragt

Vertreterinnen und Vertreter aus diesen drei Gesellschaftsbereichen machten noch vor der eigentlichen Vereinsgründung deutlich, dass die christliche Ethik für ein gutes Zusammenleben von grosser Bedeutung sei und deshalb unbedingt eine starke Stimme brauche.

Ein solches Auftreten setzt Radikalität voraus.

So hielt alt Nationalrätin Lucretia Meier-Schatz, St. Peterzell SG, fest, dass politische Entscheide sich immer auch nach «beweglichen Massstäben» richten würden. Dies erfordere geradezu eine Antwort von Seiten der Ethik an die Politik. «Ein solches Auftreten setzt Radikalität voraus. Das wünsche ich mir vom neuen Verein», sagte die Politikerin deutlich.

Als Wirtschaftsvertreter wies Christian Kobler von «Forma Futura» darauf hin, dass die Lehre der Wirtschaftswissenschaften der Gesellschaft «nicht nur gute Auswirkungen» beschert habe. Es wies aber auch darauf hin, dass die Arbeitswelt und damit das Zusammenleben in der Gesellschaft mit dem digitalen Wandel eine Veränderung erlebe, die mit der Industrialisierung im vorletzten Jahrhundert zu vergleichen sei.

Der Wertediskurs ist «in».

«Damit werden sich ganz neue ethische Fragen stellen. Darauf braucht unsere vielerorts besinnungslose Gesellschaft Antworten. Und dafür braucht es eine Institution, die diese Entwicklungen verfolgt und Stellung nehmen kann», sagte der Unternehmer.

Strahlkraft der KAB bewahren

Aber auch die Kirche selber brauche eine starke ethische Stimme. Der regionale Generalvikar des Bistums Chur für die Urschweiz, Martin Kopp, freute sich, dass das vor mehr als 50 Jahren von der katholischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbewegung (KAB) Schweiz gegründete Sozialinstitut  unter dem Dach des neuen Vereins weiterbestehe. «Der Wertediskurs ist ›in’ und die Kirche soll sich darin nicht zurückhalten», machte Kopp deutlich. Sie müsse sich sogar einbringen, wolle sie in der Öffentlichkeit in ethischen Fragen als kompetent wahrgenommen werden.

Ethisches Handeln bewegt sich in Zwickmühlen.

Zudem, so der Generalvikar, sei diese Vereinsgründung eine Anerkennung all dessen, was die KAB seit über 100 Jahren als christliche Stimme im Dienst der Gesellschaft geleistet habe. Und es erfülle ihn mit Genugtuung, dass dieses Engagement weitergeführt werde.

Neue Trägerschaft, grössere Offenheit

Durch Veränderungen innerhalb der KAB Schweiz musste nach einer neuen Trägerschaft des Sozialinstituts gesucht werden. Diese wurde am Mittwoch in Anwesenheit von gegen 100 Gründungsmitgliedern in Form des konfessionell offen ausgerichteten Vereins für christliche Sozialethik geschaffen. Die von der früheren Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds, Rosmarie Koller, souverän geleitete Gründungsversammlung zeigte dabei grosses Engagement, dem neuen Verein eine tragfähige Basis zu verschaffen.

So wurde beispielsweise die katholische Soziallehre als Grundpfeiler der Arbeit von Verein und Sozialinstitut festgeschrieben. Diese müsse aber in ökumenischer Offenheit angewandt werden. Und, das wurde angesichts des rasanten Wandels in Arbeitswelt und Gesellschaft auch hervorgehoben, die Soziallehre müsse diesen Herausforderungen entsprechend weiterentwickelt werden.

Ehrgeiziges Budget

Der Verein übernimmt per 1. Januar 2017 die Verantwortung für das Sozialinstitut der KAB. Finanziert werden die Tätigkeiten über Mitgliederbeiträge von Einzel- und Kollektivmitgliedern. Für das veranschlagte Budget mit einem Aufwand von knapp 270’000 Franken kann weiter auf einen massgeblichen Beitrag durch die Römisch-katholische Zentralkonferenz RKZ in der Höhe von 140’000 Franken gezählt werden kann. Der Rest muss über Mitgliederbeiträge und Eigenleistungen finanziert werden.

In den Vorstand des neuen Vereins gewählt wurden Monika Küng, aktuelle Präsidentin des Institutsrats des Sozialinstituts der KAB, als Präsidentin, sowie als Mitglieder der reformierte Pfarrer Lukas Schwyn, der Unternehmer Xaver von Atzigen als Vertreter der KAB Schweiz und die reformierte Pfarrerin Rahel von Siebenthal. Die Leitung des Instituts bleibt unverändert bei Thomas Wallimann-Sasaki, das Sekretariat führt Arlette Marti.

«Ethik 22»

Das Institut wird neu unter dem Namen «Ethik 22» auftreten. Als Untertitel steht die Bezeichnung «Raum für Werte». Mit der Zahl 22 wird auf eine aus der englischsprachigen Literatur bekannte Dilemmasituation Bezug genommen. «Ethisches Handeln bewegt sich in Zwickmühlen. Unsere Aufgabe ist es, hierfür Lösungen zu suchen und zu finden», sagte Thomas Wallimann dazu. Das Institut wird wie bis anhin einen Institutsrat als fachliches Begleitgremium erhalten.

Die Gründungsversammlung anerkannte die Neuausrichtung des Vereins und des Sozialinstituts mit einem grossen Applaus. Hans Gisler, Co-Präsident der KAB Schweiz wünschte sich, dass die christlichen ethischen Werte nicht nur vermittelt, sondern in die Gesellschaft hinausgetragen und verwirklicht werden. Daniel Kosch, Geschäftsführer der RKZ, rief den neugegründeten Verein in Anlehnung an einen Brief des Apostels Paulus dazu auf, «zu sagen, welche Stunde geschlagen hat». Und es gelte auch die Kirche selbst daran zu erinnern, dass es deren erste Aufgabe sei, gegenüber dem gegenwärtigen Geschehen wachsam zu sein.

Monika Küng und Lucrezia Meier-Schatz | © Christina Sasaki-Wallimann
8. Dezember 2016 | 16:38
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