Requiem für Erzbischof Peter Zurbriggen in Brig.
Schweiz

«Arrivederci, Peter!»: Das Wallis und die Weltkirche verabschieden sich von Erzbischof Zurbriggen

Erzbischof? Herzbischof? Scherzbischof? Wohl alles zusammen war der Vatikan-Diplomat Peter Zurbriggen. Mit einer Oberwalliser Tradition hat er am Dienstag seine letzte Reise angetreten: dem Gebet zu Ehren der heiligen fünf Wunden.

Eva Meienberg

«Gegrüsset seist du Maria», beten etwa 200 Menschen in der Pfarrkirche Herz-Jesu in Brig. Die Kirche ist noch dunkel, die Worte bilden einen dumpfen Geräusch-Teppich. Vor dem Altar steht der schlichte Pappelholz-Sarg von Erzbischof Peter Zurbriggen. Auf dem Sarg liegen Stola, Primizkelch und Mitra.

Die Familie gab Halt

Die Trauerfamilie sitzt in der vordersten Bank. Direkt neben dem Sarg sitzt der Bruder von Erzbischof Peter Zurbriggen. «Er hat sich in den letzten Jahren liebevoll um Peter gekümmert», sagt Pfarrer Paul Martone. Die Familie gab Halt in einer Zeit, in der sich der Vatikan-Diplomat und weltgewandte Kirchenmann oft einsam gefühlt und an seiner Gebrechlichkeit gelitten habe.

Requiem für Erzbischof Peter Zurbriggen in Brig.
Requiem für Erzbischof Peter Zurbriggen in Brig.

Zum Einzug spielt die Violinistin und der Organist die Mottete «Jesu, meine Freude» von Johann Sebastian Bach. Wie die Musik ist auch die Feier schlicht gehalten. Aber die Anwesenheit des Ortsbischofs, des Nuntius, vier weiterer Bischöfe, der Vertreter zweier Studentenverbindungen und Vertreter der Schweizergarde zeugen davon, dass hier eine grosse Persönlichkeit verabschiedet wird.

«Bischof Peter war ein Botschafter der Weltkirche, darin war er gross.»

Bischof Jean-Marie Lovey

Ein Gesicht für die Kirche im Aufbruch

«Bischof Peter war ein Botschafter der Weltkirche, darin war er gross», sagt Bischof Jean-Marie Lovey zu Beginn des Requiems. «In 17 verschiedenen Ländern hat er gewirkt. Die Kirche im Aufbruch, wie sie Papst Franziskus beschreibt, hat durch Erzbischof Peter Zurbriggen ein Gesicht gehabt.»

Der Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey, trauert um Peter Zurbriggen.
Der Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey, trauert um Peter Zurbriggen.

Es folgen Grussbotschaften an die illustren Persönlichkeiten. Darin mischt sich das Weinen eines Neugeborenen. Es ist der erst wenige Wochen alte Lian. Er ist der Grossneffe von Bischof Peter Zurbriggen. Das Neugeborene holt die Trauergemeinde ins Hier und Jetzt zurück, ins Wallis nach Brig, wo Peter Zurbriggen am 27. August 1943 geboren wurde – als Sohn eines Bahnangestellten. Ein Tag nach seinem 79. Geburtstag, am 28. August 2022, ist er in seiner Heimat Brig gestorben.

Auch das Telegramm aus dem Staatssekretariat im Auftrag von Papst Franziskus macht deutlich: Erzbischof Peter Zurbriggen war ein Mann von Welt, der es geschafft hat, die Brücke zu den lokalen Kirchen zu schlagen.

Brückenbauer

Als Nuntius in Österreich hat er auch die Brücke zur Politik gebaut. Der Blumenkranz mit der rot-goldenen Schleife des österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen könnte dies nicht besser illustrieren. Benno Elbs, der Bischof von Feldkirch, überbringt auch die Grussworte von Erzbischof Franz Lackner aus Salzburg, dem Vorsitzenden der österreichischen Bischofskonferenz.

Von links Bischof Peter Bürcher, Weihbischof Peter Henrici, Abt Vinzenz Wohlwend, Bischof Jean-Marie Lovey, Erzbischof Martin Krebs, Bischof Bruno Elbs.
Von links Bischof Peter Bürcher, Weihbischof Peter Henrici, Abt Vinzenz Wohlwend, Bischof Jean-Marie Lovey, Erzbischof Martin Krebs, Bischof Bruno Elbs.

Sechs Bischöfe sind anwesend, um Peter Zurbriggen zu verabschieden. Natürlich Norbert Brunner, der emeritierte Bischof von Sitten. Aber auch zwei Namensvetter kamen: der Walliser Peter Bürcher, emeritierter Bischof von Reykjavík. Und der Zürcher Peter Henrici, der im Wallis seinen Lebensabend verbringt.

«Bischof Peter war nicht nur ein Herzbischof, er war auch ein Scherz-Bischof.»

Abt Vinzenz Wohlwend von Wettingen-Mehrerau

Ein Mann mit Herz und Humor

Nach dem «Ave verum» von Wolfgang Amadeus Mozart, gesungen vom Kirchenchor der Pfarrkirche Brig, wendet sich der Walliser Pfarrer Paul Martone an die Gemeinde. Neben den Verdiensten in der Weltkirche erinnert er an einen Mann mit Herz und Humor. An einen, der gerne gut gegessen hat und herzhaft lachen konnte. An einen, der sagte, was er dachte und damit auch manchmal aneckte.

Von links Weihbischof Peter Henrici, Abt Vinzenz Wohlwend und Bischof Peter Bürcher.
Von links Weihbischof Peter Henrici, Abt Vinzenz Wohlwend und Bischof Peter Bürcher.

Als «Herzbischof» sei Peter Zurbriggen einmal angesprochen worden, sagt Paul Martone. Sei dies gewollt gewesen oder ungewollt: wahr scheint es dennoch zu sein. Der Abt von Wettingen-Mehrerau, Vinzenz Wohlwend, doppelt nach dem Gottesdienst nach: «Bischof Peter war nicht nur ein Herzbischof, er war auch ein Scherz-Bischof.»

Freund und Vorbild

Er habe den Verstorbenen kennen gelernt, weil der Bischof während der Bregenzer Festspiele im Kloster Mehrerau gewohnt habe. Aus dem Gast sei ein Freund geworden, der ihm in schwierigen Zeiten des Klosters beigestanden sei.

Requiem für einen Walliser Diplomaten: Paul Martone rückt die Bischofs-Mitra von Erzbischof Peter Zurbriggen zurecht.
Requiem für einen Walliser Diplomaten: Paul Martone rückt die Bischofs-Mitra von Erzbischof Peter Zurbriggen zurecht.

Für Paul Martone ist Erzbischof Peter Zurbriggen ein Vorbild gewesen. Ein Mann, der ein menschliches Gesicht der Kirche gezeigt habe. Ein Bischof, der immer wieder kritische Anfragen an die Kirchenleitung gestellt habe. Einer, der dazu beigetragen habe, dass «der Geschmack an Gott nicht verloren geht», zitiert Paul Martone Saint-Exupéry.

Während der Gabenbereitung ertönt das «Ave Maria» von Schubert. Als es während der Wandlung unvermittelt knallt, denkt man sofort an einen Salutschuss. «Ein Salutschuss war es nicht, wohl eher eine Sprengung», sagt Paul Martone auf Anfrage. Aber gepasst hätte der Salutschuss auf jeden Fall.

Oberwalliser Brauch

Nach der Kommunion betet die Trauergemeinde die sogenannten fünf Wunden. «Diesen Oberwalliser Brauch gibt es sonst nirgends», sagt Paul Martone. Das Rosenkranz-Gebet handelt von den fünf Wunden Jesu und wird beim Abdankungsgottesdienst gebetet.

Der Nuntius in Bern, Erzbischof Martin Krebs, und Paul Martone.
Der Nuntius in Bern, Erzbischof Martin Krebs, und Paul Martone.

Nuntius Martin Krebs segnet den Sarg und streut Erde darauf. Später wird der Sarg auf dem Friedhof in die Erde gelassen. Nun singen die Geistlichen «In Paradisum». Die lateinische Antiphon wurde früher gesungen, während der Sarg zu Grabe getragen wird.

Die letzte Ehre

Drei Leopoldianer aus Innsbruck verabschieden sich von ihrem Bundesbruder. Einer neigt die Fahne vor dem Sarg. Auch eine Schülerin der Studentenverbindung des Kollegium Spiritus Sanctus in Brig erweist mit einer Fahne dem berühmten Alumnus die letzte Ehre.

Auch die Studentenverbindung von Peter Zurbriggens Schule Kollegium Spiritus Sanctus erwies dem Verstorbenen die letzte Ehre.
Auch die Studentenverbindung von Peter Zurbriggens Schule Kollegium Spiritus Sanctus erwies dem Verstorbenen die letzte Ehre.

Sie holt die Aufmerksamkeit wieder zurück nach Brig. Dort, wo das reiche Leben eines grossen Mannes seinen Anfang genommen hat. Damals, als Peter Zurbriggen einst so winzig war, wie heute sein Grossneffe Lian – und sein Leben noch vor sich hatte.


Requiem für Erzbischof Peter Zurbriggen in Brig. | © Thomas Andenmatten
5. September 2022 | 16:26
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