Paul Martone predigt am Requiem für Erzbischof Peter Zurbriggen
Schweiz

Paul Martone: «Der Erzbischof wurde Herzbischof»

Erzbischof Peter Zurbriggen sei ein warmherziger Mitchrist gewesen, sagte der Walliser Priester Paul Martone in seiner Predigt am Requiem des verstorbenen Oberwallisers in Brig. Er habe ihnen in geselligen Runden die Weltkirche nahegebracht und ein menschliches Gesicht der Kirche gezeigt.

Predigt von Paul Martone*

Werte Trauerfamilie, Brüder und Schwestern im Herrn

«Sancta crux mihi lux», so das bischöfliche Motto unseres lieben Freundes, Erzbischofs und Nuntius Peter Zurbriggen. Es ist ein reiches Leben unter dem Zeichen des Kreuzes, das am vergangenen Sonntag, 28. August, hier in Brig zu Ende gegangen ist, in seiner Heimatstadt, mit der immer verbunden blieb, wo auch immer ihn seine Wege im Dienst und Auftrag dreier Päpste geführt haben. Hier nach Brig kam er jeweils für seine Ferien, hier in dieser Stadt, wo sein Leben am 27. August 1943 begann und von wo aus Peter die Welt entdecken lernte. Hier bildeten sich dank seiner Eltern Leo und Elsa Zurbriggen-Chiaverio feste und tiefe Wurzeln aus, die ihm den nötigen Rückhalt für das Leben gaben. Hier wuchsen ihm starke Flügel, die ihn durch das Leben trugen. Hier entschied sich der Sohn eines Bahnangestellten «für den Priesterberuf, um göttliche Weichen zu stellen und nach einem Fahrplan zu leben, der nicht in die Kompetenz einer SBB-Kreisdirektion fällt», wie der «Walliser Bote» anlässlich von Peters Primiz schrieb. Diese erste Messe feierte der Neupriester am 26. Dezember 1969 oben in der Kollegiumskirche, begleitet durch das Glockengeläut der neuen Herz-Jesu-Kirche. Die Priesterweihe hatte ihm in Rom am 10. Oktober 1969 der Berliner Erzbischof, Kardinal Alfred Bengsch, gespendet.

Durch den darauffolgenden diplomatischen Dienst an zahlreichen Stationen auf der ganzen Welt, lernte Peter verschiedene Länder, Menschen und Kulturen kennen. Am 6. Januar 1994 empfing er im Petersdom die Bischofweihe durch den heiligen Papst Johannes Paul II.

Seinen Dienst für das Reich Gottes in der Nachfolge des gekreuzigten Christus’ als Priester und Bischof übte Peter in all diesen Jahren mit grosser Leidenschaft und Klugheit, viel Herzlichkeit und Freundschaft und mit unermüdlichem Einsatz seiner Kräfte aus.

Nuntius Peter Stephan Zurbriggen bei einer Bischofsweihe 2017
Nuntius Peter Stephan Zurbriggen bei einer Bischofsweihe 2017

Sein bischöfliches Motto: «Sancta crux mihi lux – Das heilige Kreuz mein Licht» hat er stets zu leben versucht. Im Kreuz fand Peter den Grund der Hoffnung, der ihm und auch uns zeigt, dass wir nicht planlos und hilflos durch die Strassen unseres Lebens rennen müssen. Wir können uns darauf verlassen, dass wir den dunklen und hoffnungslosen Seiten unseres Lebens nicht ausweichen müssen. Ja, wir dürfen unser Leben voll und ganz bejahen, sowohl die schönen und bunten Seiten als auch die schweren und traurigen. Denn einer ist da, der die ganze Welt in sein grosses Herz geschlossen hat. Und das ist Gott! Dafür ist Jesus, sein Sohn, die Garantie. Jesus ist alle Strassen von Peters Leben mitgegangen und er geht auch unsere Strassen mit uns, weil Gott uns liebt. Gott will nicht, dass wir uns selbst verlieren, dass wir unsere Mitte verlieren, sondern er will, dass sich für das Leben eines jeden von uns eine Tür auftut, die zeigt: Dein ganzes Leben hat einen Sinn. Die hellen, aber auch die finsteren Seiten in dir, das alles ist von Gott angenommen. Das alles ist Gott so richtig ans Herz gewachsen, weil er dich eben liebt. Und so findest du als ein von Gott geliebter Mensch ewiges Leben.

Requiem für einen Walliser Diplomaten: Paul Martone rückt die Bischofs-Mitra von Erzbischof Peter Zurbriggen zurecht.
Requiem für einen Walliser Diplomaten: Paul Martone rückt die Bischofs-Mitra von Erzbischof Peter Zurbriggen zurecht.

Das hat Erzbischof Zurbriggen stets versucht: diese Liebe sich selber und den Menschen, mit denen er zu tun hatten, in Erinnerung zu rufen. Für ihn war es wichtig bei der pastoralen Arbeit, auf das Herz zu hören. So wurde er als Erzbischof zu einem «Herz-Bischof», wie er einmal in einem Brief gewollt oder ungewollt, angesprochen wurde, zu einem «warmherzigen Mitchristen», mit einer sehr menschlichen und humorvollen Seite, der auch das Leben, die Gastfreundschaft und das gute Essen schätzte, sodass das gemütliche Zusammensein mit ihm immer eine Freude für alle war, wie dies auch in den zahlreichen Kommentaren der Bischöfe von Österreich und der Schweiz ausgedrückt worden ist, die ihn als einen «Brückenbauer», bezeichneten, den Herzlichkeit und ein tiefes Verständnis für die kirchliche Situation in Österreich ausgezeichnet habe. Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen nannte Nuntius Zurbriggen einen versierten Diplomaten und engagierten Seelsorger, den er schätzte, was auch der Kranz hier zeigt, den der Bundespräsident aus Wien geschickt hat.

Auch Peter ist sicher nicht alles vollkommen gelungen, mit seinem offenen Wort hat er hie und da wohl auch angeeckt, auch er hatte in der Nachfolge Christi sein Kreuz zu tragen, ja als Christ im Zeichen des Kreuzes zu leben. Kreuzesnachfolge fordert, das gewöhnliche, »normale« Kreuz des Alltags zu tragen, das so viele Namen hat: Alleinsein, körperlicher Leistungsabfall, wiederkehrende eigene Schwäche und schleichende Krankheit. Wohl jeder von Ihnen kann diese Liste des persönlichen Kreuzes im eigenen Leben weiterführen. Und auch unser Verstorbener hat in den letzten paar Jahren seines Lebens dieses persönliche Kreuz der Einsamkeit und der Krankheiten tragen müssen – und das obwohl er von seinen Familienangehörigen gut und brüderlich begleitet worden ist. Dafür sage ich der Familie ein herzliches Vergelt’s Gott, sicher auch in Peters Namen.

Requiem für Erzbischof Peter Zurbriggen in Brig.
Requiem für Erzbischof Peter Zurbriggen in Brig.

Liebe Mitchristen

Kreuz – das schliesst aber auch das fremde Kreuz mit ein, nicht nur dasjenige meines Nachbarn, sondern auch das Kreuz in der Welt, die Peter als Diplomat im päpstlichen Dienst kennenlernte. Das Kreuz der Welt mit seinen unauslöschlichen Namen wie Armut, Hunger, von den Menschen verschuldete Umweltzerstörung, Flüchtlinge, Ausgrenzung, brutale Kriege und menschenverachtende Despoten. Diesen stellte der Verstorbene «seinen weiten Horizont gegenüber, durch den er die Stärke erkannte, die im Miteinander statt im Gegeneinander liegt». «Stets war er darum bemüht, zwischen der Universalkirche und den jeweiligen Ortskirchen Brücken zu bauen und den Menschen in ihren Sorgen nahe zu sein», wie es Papst Franziskus in seinem Kondolenzschreiben sagt.

Das Kreuz schliesst auch das Kreuz unserer Kirche ein: ihr eigenes Abweichen vom Evangelium und von ihrem hohen moralischen Anspruch, das Verkennen ihrer guten Absichten, das Desinteresse an ihrer Botschaft in unserer Gesellschaft.

Wirkliche Kreuzesnachfolge lässt mich das eigene wie das fremde Kreuz annehmen in der wachsenden Hoffnung, dass auch daraus Segen hervorgehen kann, ein Segen, den wahrzunehmen aber oft auch nicht einfach ist. Einsehen, dass man nicht mehr kann, alt, gebrechlich und einsam geworden und auf die Hilfe von anderen angewiesen ist!

Daran hat Peter mitgelitten, aber er trug dieses Kreuz als Joch, das ihm half die Last des Lebens zu tragen. Aber im Blick auf den, der gebückt das Kreuz schleppte, konnte Peter den aufrechten menschlichen Gang lernen. Im Blick auf den, der sich für uns festnageln liess, konnte er die Nagelprobe auf das zeitlose Heil wagen. Im Blick auf den, der für uns starb.

Diesen Blick schärfte Peter gerade hier in dieser Kirche im Angesicht des Kreuzes an der Chorwand hinter mir. Hier konnte er erahnen, was der Evangelist Johannes geschrieben hat: «So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eigenen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat» (Jo 3.16).

Dieses Kreuz hier in der Kirche zeigt nicht den sterbenden Christus, sondern den siegreichen, den auferstandenen und am Kreuz verherrlichten Herrn. Noch erinnern das zerfetzte Grabtuch über den Schultern und die grossen fünf Wunden an das Leiden und den Tod des Herrn, aber der Leib Jesu ist bereits vom Kreuz weggerückt; er schwebt über dem Kreuz, er ist auferstanden und verklärt. Mit seinen weit ausgebreiteten Armen wünscht uns Christus bei jeder Messe den Frieden, wie damals, als er dem ungläubigen Thomas und den übrigen Jüngern erschienen ist, ihnen die Wundmale gezeigt und den Frieden gewünscht hat.

Requiem für Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen.
Requiem für Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen.

Dieses Kreuz bezeugt unseren Glauben, dass Jesus nicht am Kreuz geblieben, sondern auferstanden ist. Wir glauben dieser frohen Botschaft, diesen hoffnungsvollen Worten, dass uns der Himmel offensteht, die Herrlichkeit Gottes. Was alle Weisheit und Klugheit der Welt nicht mehr zu erklären vermag, das ist uns verkündet: Das Grab ist nicht das Letzte. Jesus Christus hat uns den Weg zum Vater geöffnet. Durch ihn ist das Dunkel des Todes der Anfang hellen Lebens in Fülle geworden. Jesus war tot, aber er wurde auferweckt, und er lebt in dieser unfassbaren Herrlichkeit Gottes. So wird das heilige Kreuz uns wirklich Licht. Und den Glauben an dieses Kreuz liess sich Peter nicht nehmen und dafür setzte er sich ein – manchmal undiplomatisch und pointiert (wie in seiner berühmten Rede in Heiligenkreuz), aber immer mit viel Herzblut, ehrlich und wahrhaftig. Mit ihm konnten auch schwierige Themen in Aufrichtigkeit klar benannt und beredet werden.

Das war Erzbischof Zurbriggen stets ein Anliegen: Wir müssen im Glauben gemeinsam deutlicher werden!» Und wie sagte Christus? «Die Wahrheit wird euch frei machen!» (Jo 8,32).

Diese Freiheit darf Peter nun erfahren – im Himmel, wo er in den liebenden Händen Gottes ausruhen darf, Gott, dem er zeit seines Lebens nachgefolgt ist. Von ihm darf er auch Auferstehung und ewiges Leben erhoffen.

Erzbischof Peter Zurbriggen
Erzbischof Peter Zurbriggen

Lieber Erzbischof Peter, danke für Deinen lebenslangen Dienst und für Dein Zeugnis des Glaubens an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Vergelt’s Gott für deine Freundschaft, deinen Humor, für die vielen geselligen Runden, in denen du uns die Weltkirche nahegebracht und uns ein menschliches Gesicht von Kirche gezeigt hast, indem du von den spannenden und unterhaltsamen Erlebnissen erzählt hast, die du während deiner zahlreichen Stationen in den Nuntiaturen rund um den Erdball gemacht hast, aber auch von deinen kritischen Anfragen an die Kirchenleitung.

Lieber Peter

Überall wo du deinen Dienst getan hast, warst du stets ein bemerkenswerter, ein für andere bedeutsamer Priester und Nuntius. Du warst einer, der dazu beitrug, dass nach einem Wort von Antoine de Saint-Exupéry «der Geschmack an Gott nicht verlorengeht». Dafür danke ich dir von Herzen, denn darin bist du, nicht nur für mich, darin bist du Vorbild für alle.

Wie kann tiefer und einfacher unser Glaube an die Auferstehung der Toten ausgedrückt werden als im Abschiedswort «Arrivederci, Peter!» Auf Wiedersehen im Himmel! Amen

*Paul Martone ist römisch-katholischer Priester und Sprecher für den deutschsprachigen Teil des Bistums Sitten. 


Paul Martone predigt am Requiem für Erzbischof Peter Zurbriggen | © screenshot
5. September 2022 | 11:30
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