Angela Berlis war eine der ersten beiden Frauen in der christkatholischen Kirche Deutschlands, die die Priesterweihe empfing.
Schweiz

Angela Berlis: «Als ich meine Primiz feierte, empfand ich das als das Natürlichste der Welt»

Angela Berlis ist, zusammen mit Regina Pickel-Bossau, die weltweit erste altkatholische Priesterin. Anlässlich ihres 60. Geburtstags beginnt am Donnerstag in Bern eine hochkarätig besetzte Konferenz. Ein Gespräch über Widerstände gegen das Frauenpriestertum, Dogmen – und warum die christkatholische Kirche nicht von der Krise der römisch-katholischen Kirche profitiert.

Wolfgang Holz

Sie waren die erste Frau im deutschsprachigen Raum, die 1996 in Konstanz zur altkatholischen Priesterin geweiht wurde. Was kommt Ihnen spontan in den Sinn?

Angela Berlis*: Ich erinnere mich natürlich immer noch gerne an diesen tollen Tag. Es war Pfingstmontag, und es waren unglaublich viele Leute in der altkatholischen Kirche in Konstanz. Die Liturgie wurde deshalb sogar in den Kirchenhof übertragen. Auch viele römisch-katholische Christinnen und Christen waren anwesend.

«Ich war immer gerne Diakonin.»

Sind Sie heute stolz darauf, Priesterin zu sein?

Berlis: Selbstverständlich. Ich habe den Weg der gesamten altkatholischen Kirche hautnah miterlebt. Als ich mein Theologiestudium aufgenommen habe, konnten Frauen noch nichts werden. Ich wurde zuerst zur Diakonin geweiht. Das war ich immer gerne, es ist ein Amt mit einem eigenen Auftrag. Als Diakon oder Diakonin brauche ich ein Auge für die Menschen und ihre Bedürfnisse. Als ich einmal in den Niederlanden als Diakonin nach einer Eucharistiefeier neben dem Bischof stand, und eine Frau mich fragte, wann ich denn zur Priesterin geweiht würde, meinte der Bischof lächelnd: «Vox populi, vox Dei!» Grundsätzlich habe ich Theologie studiert, weil ich Priesterin werden wollte.

Angela Berlis 1998 in Mainz. Zwei Jahre zuvor wurde sie eine der ersten christkatholischen Priesterinnen.
Angela Berlis 1998 in Mainz. Zwei Jahre zuvor wurde sie eine der ersten christkatholischen Priesterinnen.

Wie fühlen Sie sich als Frau am Altar?

Berlis: Ganz normal. Als ich meine Primiz feierte, empfand ich das als das Natürlichste der Welt. Als organische Entwicklung. Andererseits war es auch ein grosser Schritt für die christkatholische Kirche. Denn es hat doch lange gebraucht, bis es so weit war, dass Frauen Priesterinnen werden konnten. In der Schweiz sprach sich die Nationalsynode 1981 für den Diakonat von Frauen aus. 1987 wurde in der Schweiz die erste Diakonin geweiht, und 2000 empfing Denise Wyss als erste Schweizerin die Priesterweihe. Heute gibt es fünf christkatholische Diakoninnen und zehn Priesterinnen in der Schweiz.

Die christkatholische Kirche St. Peter und Paul in Bern
Die christkatholische Kirche St. Peter und Paul in Bern

Können Frauen denn anders Seelsorge betreiben als Männer?

Berlis: Es liegt eigentlich immer am Menschen selbst, ob er oder sie zur Seelsorge befähigt ist. Es hat weniger mit dem Geschlecht zu tun. Als Frau kann ich natürlich meine eigenen Erfahrungen in die Seelsorge und in die Predigt miteinbringen. Zum Beispiel habe ich mich als Theologin immer für Frauen in der Kirchengeschichte interessiert. Dieses Wissen kann ich anzapfen. Andererseits bin ich als Frau auch Mutter von zwei erwachsenen Töchtern. Das ist eine andere wertvolle Lebenserfahrung.

«Die Konzeptionen des Papstes reichen zu wenig weit.»

Papst Franziskus möchte ja die Frauen in die Kirche stärker einbinden – allerdings nicht am Altar, sondern in der Verwaltung. Was sagen Sie dazu?

Berlis: Grundsätzlich ist es zu begrüssen, wenn der Papst die Frauen stärker mit einbinden will. Doch seine Konzeptionen reichen zu wenig weit. Denn solange am Ende immer die geweihten Männer das letzte Wort haben, lässt sich die Kirche die Charismen der Frauen in ihrer Fülle entgehen.

Papst Franziskus am 25. September 2022 bei einer Messe im Stadion von Matera (Italien).
Papst Franziskus am 25. September 2022 bei einer Messe im Stadion von Matera (Italien).

Ist die Frauenfrage denn die zentrale Frage in der katholischen Kirche?

Berlis: Die Frauenfrage kann sich als Gretchenfrage erweisen, sie spielt sicherlich die Rolle eines Katalysators. Frauen machen mindestens die Hälfte der Mitglieder in der römisch-katholischen Kirche aus. Es geht nicht nur um die Amtsfrage, sondern auch darum, dass die Laienrechte für Frauen und Männer entsprechend rechtlich verankert werden.

Kommen wir zu Ihrer Forschung. Sie sind seit 2009 an der Universität in Bern Professorin für Geschichte des Altkatholizismus und Allgemeine Kirchengeschichte und wurden vor einiger Zeit 60 Jahre alt. Was sind Ihre akademischen Meilensteine in dieser Zeit?

Angela Berlis ist Professorin für Geschichte des Altkatholizismus und Allgemeine Kirchengeschichte an der Universität Bern.
Angela Berlis ist Professorin für Geschichte des Altkatholizismus und Allgemeine Kirchengeschichte an der Universität Bern.

Berlis: Meine Forschung über Frauen in der Kirchengeschichte, insbesondere in der altkatholischen Kirche, ist zentral. Dabei ging es auch über die Mitverantwortung von Frauen als Laiinnen. Ausserdem haben mich stets katholische Reformbewegungen interessiert und die Art und Weise, wie ihre Reformanliegen in späterer Zeit aufgegriffen wurden.

«Ich habe sehr gerne in den Niederlanden gelebt.»

Sie forschten auch schon an einigen Universitäten in den Niederlanden. Die Niederlande sind ja calvinistisch geprägt. Wie lebt es sich da als Christkatholikin?

Berlis: Ich habe sehr gerne in den Niederlanden gelebt. Die Entkirchlichung hat nicht zum Verschwinden von Religion, sondern zu einer anderen religiösen Präsenz als früher geführt. Es existiert in den Niederlanden eine lange ökumenische Tradition, gründend in der Praxis religiöser Toleranz. Dies ist heute wahrnehmbar in einem offenen Klima gegenüber anderen Religionen. Aufgrund der kolonialen Vergangenheit hat man in den Niederlanden schon seit langem ein aufgeschlossenes post-koloniales Bewusstsein entwickelt.

Diskussion in Bern: Von links Markus Ries, Norbert Bischofberger, Angela Berlis und Barbara Gassmann.
Diskussion in Bern: Von links Markus Ries, Norbert Bischofberger, Angela Berlis und Barbara Gassmann.

Anlässlich Ihres 60. Geburtstags findet von Donnerstag bis Samstag eine Konferenz in Bern statt zum Thema «Konflikt und Kontinuität: Religiöse Biographien im 19. und 20. Jahrhundert». Um was geht es da konkret?

Berlis: Es sind eine Reihe illustrer Gäste geladen. Es hat mich immer interessiert, wie Religion und Biographie sich im Leben von Menschen miteinander verbinden. Wie sind zum Beispiel liberale Katholiken und Katholikinnen mit den Papstdogmen des Ersten Vatikanums von 1870 umgegangen? Manche gingen in die innere Emigration, andere engagierten sich für die christkatholischen Anliegen, andere entschieden sich, die Papstdogmen mitzutragen. Was bedeutete die religiöse Haltung für die eigene Lebensgestaltung? Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie Personen mit religiösen Konflikten umgehen, die ihr Leben berühren und zum Teil massiv durcheinanderbringen.

«Hier strömt mein Herzblut.»

Was gibt Ihnen Ihre Tätigkeit als Theologin?

Berlis: Hier strömt mein Herzblut. Ich könnte mir nicht vorstellen, nicht Theologin zu sein. Als erste christkatholische Professorin überhaupt schätze ich zudem die Möglichkeit, Menschen in ihrer Entwicklung zu fördern und Themen zu setzen. Ich habe einfach Spass an der Theologie.

Angela Berlis 2019 an einer Tagung in Bern
Angela Berlis 2019 an einer Tagung in Bern

Auch wenn Gott noch immer ein Mann ist…

Berlis: Gott ist nie ein Mann gewesen! Bildliche Darstellungen, auf denen Gott als alter Mann mit Bart figuriert, sind Ausdruck menschlicher Vorstellung. Grundsätzlich geht es darum, ein breiteres Gottesbild zu befördern. Wir sprechen über Gott und sind dabei an unsere Sprache und unser Denkvermögen gebunden. Es gibt ja auch weibliche Verkörperungen von Gott – etwa Sophia, die Weisheit, die vor Gott spielt, oder Jesus als Verkörperung der Weisheit. Gott kann auch einfach «Licht» sein oder als der oder die Ewige angerufen werden.

«Maria kann das Problem der Gottesbildes nicht lösen.»

Und was ist mit Maria? Könnte sie nicht eine Göttin sein?

Berlis: Nein, Maria ist die Gottesmutter und Gebärerin des Gottmenschen Jesus. Sie kann das Problem der Gottesbildes nicht lösen. Es würde eine Vierfaltigkeit entstehen, die theologisch gesehen höchst problematisch ist.

Warum gibt es nur rund 13’000 Christkatholikinnen und Christkatholiken in der Schweiz, obwohl Sie das leben, was viele in der römisch-katholischen Kirche vermissen? Stichwort: Frauenpriestertum, Stichwort: Ehe für alle, Aufhebung des Pflichtzölibats.

Eine ungewöhnliche Pietà: Maria küsst Jesus – gesehen in Oberammergau.
Eine ungewöhnliche Pietà: Maria küsst Jesus – gesehen in Oberammergau.

Berlis: Ich wusste, dass Sie mir diese Frage noch stellen würden (lacht). Ein Grund dafür, dass es nicht mehr Christkatholikinnen und Christkatholiken gibt, ist sicher, dass viele die christkatholische Kirche nicht kennen. Ein anderer ist, dass kirchliche Bindungen stabil sind. Offensichtlich kämpfen und engagieren sich römisch-katholische Christinnen und Christen in ihrer Kirche lieber, bevor sie ihre Konfession wechseln. Das war bisher so, aber – wie etwa die jüngsten Entwicklungen im Erzbistum Köln zeigen – ändert sich daran gerade etwas.

Warum werben Sie nicht offensiver im römisch-katholischen Garten? Warum gibt’s an Autobahnen oder Bahnhöfen keine Schilder mit Ihnen als Frau am Altar und dem Slogan: «Frauen, kommt zu uns in die christkatholische Kirche»?

«Die Menschen sollen ihrem Gewissen folgen.»

Berlis: Wir sind nicht freikirchlich geprägt.  Deshalb kommen solche Schilder nicht in Frage. Kennzeichnend für die Christkatholische Kirche ist: Wir respektieren den Glauben anderer. Und ich denke grundsätzlich: Die Menschen sollen ihrem Gewissen folgen.

* Angela Berlis (60) wurde als erste altkatholische Frau der Welt zur Priesterin geweiht – am 27. Mai 1996, zusammen mit Regina Pickel-Bossau. Später machte sie als Wissenschaftlerin Karriere. Seit 2009 ist sie Professorin für Geschichte des Altkatholizismus und Allgemeine Kirchengeschichte an der Universität Bern.

Zur Tagung nach Bern kommen auch Hubert Wolf und Teresa Berger. Mehr dazu hier.


Angela Berlis war eine der ersten beiden Frauen in der christkatholischen Kirche Deutschlands, die die Priesterweihe empfing. | © Andreas Ackermann
13. März 2023 | 12:20
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