Andreas Szabo ist Social Media Berater.
Konstruktiv

Andreas Szabo: «Jedes Bistum muss auf Instagram und Facebook sein»

Andreas Szabo (38) mustert im Netz, wie sich die Kirche in den sozialen Netzwerken präsentiert. «Die Schweizer Bistümer sind wenig präsent», sagt der Social-Media-Berater. Er empfiehlt ein Umdenken: «50 Prozent der Ressourcen der klassischen Öffentlichkeitsarbeit sollten auf Social Media verschoben werden.»

Jacqueline Straub

Sie sind Social-Media-Berater. Welche Schulnote würden Sie den Kirchen in ihrer Social-Media-Präsenz, Kreativität und fachlichen Umsetzung geben?

Andreas Szabo*: So pauschal lässt sich das nicht sagen. Denn es gibt einzelne Akteurinnen und Akteure im kirchlichen Kontext, die sehr gute Arbeit leisten und wissen, wie Social Media zu nutzen ist. Aber dennoch ist zu sagen: Es gibt noch viel Luft nach oben – gerade bei den Schweizer Bistümern, die sind wenig präsent.

Verantwortung tragen auch die Betreiber der Social-Media-Plattformen.
Verantwortung tragen auch die Betreiber der Social-Media-Plattformen.

Was für Folgen kann das haben?

Szabo: Wer nicht dort präsent ist, wo sich die Mehrheit der Menschen aufhält, wird nicht mehr als relevant erachtet oder schlimmer: nicht mehr gehört. Wichtige Zielgruppen, junge Menschen, gehen der Kirche dann verloren.

Andreas Szabo ist Social Media Berater.
Andreas Szabo ist Social Media Berater.

Kirche ist überwiegend analog präsent. Wie soll die Kirche die jungen Menschen im Netz idealerweise ansprechen?

Szabo: Sie sollte jungen Menschen nicht so sehr mittels traditioneller Kirchensprache begegnen. Mit der Kirchen-Insidersprache erreicht man jene, die noch in die Kirche gehen. Aber weniger jene, die zwar spirituell interessiert sind, aber kaum mehr in der Messe anzutreffen sind. Und der Themenkanon muss erweitert werden.

«Die Kirche ist neben dem Staat der Hauptplayer, um für Menschen gerade in Krisenzeiten ein Kompass zu sein.»

Welche Themen interessieren junge Menschen?

Szabo: Welche Werte habe ich? Wie komme ich zum inneren Frieden? Wie kann ich ein ausgeglichenes, gutes Leben führen? Das sind alles Themen, die Menschen auf Social Media umtreiben.

Wo sehen Sie vertane Chancen?

Szabo: Wir befinden uns aktuell in einem Dauerkrisenmodus. Es herrscht Krieg in der Ukraine, Corona hat die Welt über zwei Jahre in Atem gehalten, viele erleben eine Sinnkrise oder stehen unter starken psychischen Druck. Dort könnte Seelsorge in den verschiedenen Aspekten andocken. Die Kirche ist neben dem Staat der Hauptplayer, um für Menschen gerade in Krisenzeiten ein Kompass zu sein. Eine Seelsorgeperson muss heute nicht mehr von Haus zu Haus fahren. Sie kann den Menschen in der digitalen Sphäre positive Botschaften vermitteln. Schon heute gibt es im Netz etliche Bibelkreise – warum fasse ich das nicht weiter?

Die niederländischen Karmelitinnen geben mit Videos auf TikTok Einblick in ihr Leben.
Die niederländischen Karmelitinnen geben mit Videos auf TikTok Einblick in ihr Leben.

Was schlagen Sie stattdessen vor?

Szabo: Etwa Stabilitätsanker. Wichtig ist, sich ein Format zu überlegen, das die Menschen in der Lebenswirklichkeit abholt. Dafür muss das Rad nicht neu erfunden werden. Am besten schaut man sich auf Tiktok oder Instagram unter den passenden Schlagworten um, was gut läuft. Das kann dann adaptiert und perfektioniert werden. Ich stelle mir etwa täglich oder wöchentlich einen kurzen Gedanken zu einem aktuellen oder sinnstiftendem Thema vor.

Können Sie ein konkretes Beispiel bringen?

Szabo: Zum aktuellen Krieg in der Ukraine können kleinteilige verschiedene Videos gemacht werden. Ebenso könnten die Themen Werte oder innerer Frieden jeden Tag mit einem kurzen Gedanken, 20 bis 30 Sekunden pointiert formuliert veröffentlicht werden.

«Kirche muss im digitalen Raum ansprechbar sein.»

Was machen die Kirchen gut auf Social Media?

Szabo: Es gibt Seelsorgende, die auf Instagram sehr sichtbar sind. Sie zeigen den Followern die verschiedenen Facetten ihres Berufs und lassen in ihr Glaubensleben blicken. Sie erklären, warum eine Pfarrerin Talar trägt, oder was ein Tabernakel ist. Gleichzeitig zeigt sich eine Seelsorgerin auch mal beim Yoga oder im Urlaub. Dort wird gezeigt, dass Kirche keine geschlossene Gemeinschaft ist. Gleichzeitig werden kirchliche Themen auf niederschwellige Weise transportiert.

Was ist dabei wichtig?

Szabo: Die Sprache der Menschen auf Social Media sprechen – vor allem von jenen, die kaum mehr Kontakt zur Kirche haben. Die beste Botschaft kommt nicht an, wenn sie nicht verständlich ist. Wichtig ist auch Sichtbarkeit und Präsenz zu zeigen. Das kann die Pfarrei, der oder die Seelsorgende oder der Bischof sein. Kirche muss im digitalen Raum ansprechbar sein.

Bischof Joseph Maria Bonnemain im Instagram-Video.
Bischof Joseph Maria Bonnemain im Instagram-Video.

Authentizität ist dabei ein grosses Stichwort.

Szabo: Genau. Ob das Ganze gelingt, fällt und steht mit Gesichtern. Die Person vor der Kamera muss sich wohlfühlen und echt sein.

In Deutschland haben einige Bischöfe einen Instagram-Account. Etwa der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf oder Stefan Oster, Bischof von Passau. In der Schweiz findet man keinen Bischof auf dieser Plattform. Nicht einmal alle Bistümer haben einen Twitter- oder Facebook-Account. Was sagen Sie dazu?

Szabo: Die Accounts müssen nicht alle personalisiert sein. Dennoch: Jedes Bistum muss mindestens auf Instagram und Facebook sein.

«Wichtig finde ich auch, dass das Jugendangebot vorgestellt wird.»

Sollte auch jede Pfarrei auf den Sozialen Netzwerken präsent sein?

Szabo: Allein schon von der Auffindbarkeit her braucht es ein Instagram- und ein Facebook-Profil. Wenn keine Ressourcen vorhanden sind, empfehle ich zumindest mit einer Visitenkarte präsent zu sein. Das heisst, dass Personen mit Fotos vorgestellt werden und auch die wichtigsten Termine etwa von Gottesdiensten und Pfarreiveranstaltungen sichtbar sind. Wichtig finde ich auch, dass das Jugendangebot vorgestellt wird. Wenn es dann etwa neun zeitlose, schön gestaltete Postings gibt, macht das schon einiges her. In der Bio braucht es eine kurze Beschreibung der Pfarrei. Und wenn dann mal eine Insta-Story hochgeladen wird, kann diese in den Story Highlights gespeichert und von den Followern jederzeit angeschaut werden. Highlights bieten sich an zur Teamvorstellung, zur Angebotsvorstellung und beispielsweise zum Hauptthema des Kanals.

Segnung am Vorabend der Engelweihe auf Instagram.
Segnung am Vorabend der Engelweihe auf Instagram.

In den Kommunikationsabteilungen der Bistümer sitzen vor allem Menschen mittleren Alters. Stellt das ein Problem dar?

Szabo: Ganz und gar nicht, wenn diese die Regeln der sozialen Medien beachten und in Sachen Weiterbildung am Ball bleiben. Wer Social Media als Eintagsfliege sieht, nur alle paar Wochen etwas postet oder nicht auch auf Videos setzt, erreicht die Menschen nicht.

Was empfehlen Sie Bistümern?

Szabo: Ich würde mir in der Öffentlichkeitsarbeit überlegen, Aufgaben neu zu gewichten. 50 Prozent der Ressourcen der klassischen Öffentlichkeitsarbeit sollte auf Social Media verschoben werden. Mit etwa zehn Stunden für Social Media können ein Instagram-Kanal gut betreut und zwei bis drei Postings pro Woche gemacht werden.

«In den Pfarreien gibt es genügend junge, kompetente Menschen, die Social Media verstehen und leben.»

Braucht es nicht vielmehr junge Menschen, die für die Pfarreien und Bistümer auf Tiktok und Instagram präsent sind?

Szabo: Auf jeden Fall. Denn junge Menschen lassen sich von Gleichaltrigen besser ansprechen. Tiktok sollte unbedingt für die Jugendarbeit verwendet werden. In den Pfarreien gibt es genügend junge, kompetente Menschen, die Social Media verstehen und leben. Unter fachlicher Verantwortung sollten sie unbedingt eigene Projekte im Netz realisieren und sich ausprobieren dürfen. Es kann aber nicht immer alles auf ehrenamtlicher Basis in der Kirche geschehen.

*Andreas Szabo (38) ist Social Media-Berater, Medienmanager und Journalist. Er begleitet Firmen, Behörden, Parteien und Kirchen bei der Ausrichtung ihrer Content-Strategie mit Workshops.


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28. Dezember 2022 | 05:00
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