Dominique Leuenberger, Priorin des Dominikanerinnenklosters Maria Zuflucht in Weesen
Schweiz

«Als Schwestern leben wir immer in einer Art Quarantäne»

Dominique Leuenberger, 62, Priorin des Dominikanerinnenklosters Maria Zuflucht, Weesen

«Zusammen mit meinen Mitschwestern habe ich heute morgen zum ersten Mal den Gottesdienst per Livestream aus dem Kölner Dom mitgefeiert. Nicht in unserer Klosterkirche, wo wir sonst die Eucharistie feiern, sondern in unserer Kapelle. Die gehört zur Klausur. Einen Zelebrationsaltar gibt es dort nicht.

Schwester Magdalena hat gestern einen Lattenrost hingestellt und ein Leintuch darüber gehängt. Oben hat sie es mit Reissnägeln befestigt. Das ist die Leinwand, auf die wir nun jeden Morgen via Computer und Beamer die Gottesdienste aus dem Kölner Dom projizieren.

«Wir wussten, dass es soweit kommen würde.»

Gestern Abend haben wir das neue Dekret des St. Galler Bischofs zum Corona-Virus erhalten: Dort drin steht, es dürfen keine öffentlichen Sonntags- und Werktagsgottesdienste mehr gefeiert werden. Wir wussten seit drei Wochen, das es soweit kommen würde.

Darum haben wir schon vorher beschlossen, auf Eucharistiefeiern zu verzichten, um die Priester nicht zu gefährden. Normalerweise feiern Ordenspriester aus Klöstern in der Region mit uns die Eucharistie.

«Es war ein grosser Schmerz, ich musste weinen.»

Der Gottesdienste heute morgen war wunderschön gestaltet. Ich war voll dabei. Doch in meinem Herzen war ein grosser Schmerz, ich musste weinen. Ich habe den Schwestern die Kommunion ausgeteilt, die Hostien hatten wir vorher konsekrieren lassen. Es ist schöner, wenn der Priester richtig dabei ist. Für uns ist die Eucharistiefeier eben ganz zentral.

Wegen des Virus haben wir auch den Tagesablauf umgestellt. Schon seit drei Wochen beten wir abends eine Stunde lang vor dem Allerheiligsten. Dabei schliessen wir die Menschen, die besonders von der Epidemie betroffen sind, in unser Gebet ein: die Ärzte und das Pflegepersonal, Kranke und Sterbende.

«Wenn man zu Gott kommt, spielen Hauswände keine grosse Rolle mehr.»

Sonst hat sich unser Alltag weniger stark verändert, als dies nun bei den meisten anderen Menschen der Fall ist. Als klausurierte Schwestern leben wir immer in einer Art Quarantäne. Allerdings freiwillig. Das hilft uns, unser Leben auf Gott zu konzentrieren.

Die Corona-Krise ist brutal, umso mehr als solche Krisen für uns alle neu sind. Aber ich glaube, darin liegt auch ein Potential: Mein tiefster Wunsch wäre, dass die Menschen spüren, welche innere Freiheit durch die Einschränkung entdeckt werden kann. Wenn man dorthin kommt, zu Gott, spielen Hauswände und Grenzen keine grosse Rolle mehr.» (bal)

Dominique Leuenberger, Priorin des Dominikanerinnenklosters Maria Zuflucht in Weesen | © Barbara Ludwig
17. März 2020 | 17:13
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