Agil Raju wird zum Priester geweiht - hier bei den Fürbitten an Ostern 2021 in Chur.
Schweiz

Agil Raju: «Ich empfinde Ehrfurcht vor dem Geschenk, das mir Gott durch die Weihe macht»

Im Churer Dom wird am Samstag ein junger Mann zum Priester geweiht – heutzutage keine Alltäglichkeit. Im Gespräch erzählt Agil Raju (30), wieso er diesen Weg eingeschlagen hat und was für ihn einen guten Priester ausmacht. Für diesen besonderen Tag kommt extra einen Bischof aus seiner Heimat Indien in die Schweiz, um die Weihe nach dem syro-malankarischen Ritus zu feiern.

Magdalena Thiele

Am Samstag beginnt für Sie ein neuer Lebensabschnitt, Sie werden im Churer Dom zum Priester geweiht. Sind Sie schon aufgeregt, wie gross ist die Vorfreude?

Agil Raju: Ich freue mich sehr auf die Weihe, es ist ein langer Weg gewesen und nun kommt man ans Ziel. Das freut mich auf jeden Fall. Neben der Freude empfinde ich aber auch eine grosse Ehrfurcht vor dem Geschenk, das Gott mir durch die Weihe machen wird. Die Priesterweihe ist nur der Anfang und natürlich bin ich mir bewusst, dass es nun darum geht, mein Leben immer mehr dem Leben dessen gleichförmig zu machen, der mich in seinen Dienst berufen hat. Davor habe ich grossen Respekt. Von dieser Gleichförmigkeit hängt nämlich die Fruchtbarkeit meines priesterlichen Wirkens ab.

«Die Priesterweihe bewirkt einen Pakt zwischen Gott und dem Geweihten.»

Was glauben Sie, wird dort mit Ihnen passieren – wird es Sie verändern?

Raju: Die Weihe ist in erster Linie ein geistlicher Vorgang. Es geht vor allem darum, dass ich Gott verspreche, ihm mein Leben zu schenken. Consecrare bedeutet, eine Person oder einen Gegenstand für eine besondere Aufgabe zu reservieren. In diesem Fall bewirkt die Weihe einen Pakt zwischen Gott und dem Geweihten: Der Priester schenkt Gott sein Leben und Gott nimmt ihn in einen besonderen Dienst auf.

Priesterweihe in der Kathedrale in Chur, März 2023
Priesterweihe in der Kathedrale in Chur, März 2023

Ich bin nach der Weihe immer noch der gleiche, und doch bewirkt die Weihe – wie jedes Sakrament – eine besondere Gnade. Die Gnade der Priesterweihe ist, dass der Geweihte danach im Namen und in der Person Christi handeln darf. Dieses Handeln wird vor allem in der Feier der Sakramente sichtbar.

Wann kam der Wunsch auf, Priester werden zu wollen?

Raju: Meinen Berufungsweg war ein langer Prozess. Der Wunsch kam nicht nur einmal auf. Als Ministrant und Oberministrant habe ich ab und zu gedacht, ich könnte auch Priester werden. Aber der Gedanke ging im Laufe der Zeit wieder weg. Ich lebte eine Zeit lang in einer Beziehung. Mit 18 Jahren kam dieser Wunsch wieder auf und ich habe mich damit einige Jahre auseinandersetzen müssen, bevor ich ins Seminar ging. Mit 22 Jahren war für mich klar, dass dieser Weg für mich der Richtige ist.

«Als ich meine Familie informierte, hatten sie keine Freude.»

Und wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?

Raju: Als ich meine Familie über meine Entscheidung ins Seminar zu gehen informierte, hatten sie keine Freude. Es gab auch Versuche, es zu verhindern. Sie hatten keine bösen Absichten, sondern das Loslassen machte ihnen Mühe. Mit der Zeit haben sie meine Entscheidung verstanden und mich darin voll unterstützt.

Wie kann man heute Priester sein in Zeiten von Missbrauch von Skandalen?

Raju: Jede Art von Missbrauch, sei es Machtmissbrauch, geistlicher Missbrauch oder sexueller Missbrauch, ist abscheulich. Dafür hat es in der Kirche keinen Platz. Schon während meines Studiums habe ich viele Tagungen zu dieser Thematik besucht und wurde dadurch sensibilisiert.

Schatten eines Mannes mit Kreuz.
Schatten eines Mannes mit Kreuz.

Das Problem ist aber nicht das Priestertum. Nur weil es Priester gibt, die ihre Position und ihre Macht missbraucht haben, heisst das nicht, dass das Priestertum in sich schlecht ist: Das lateinische Sprichwort «Abusus non tollit usum» (Missbrauch hebt den (rechten) Gebrauch nicht auf, Red.) drückt genau diese Tatsache aus. Jesus selber wollte, dass es in der Kirche Priester gibt, das ist keine Erfindung der Kirche. Der Dienst des Priesters ist in meinen Augen einer der schönsten Aufgaben, die man übernehmen kann.

«Priester müssen lernen, offen über ihr Leben zu sprechen.»

Was meines Erachtens wichtig ist: Priester müssen lernen, offen über ihr Leben zu sprechen. Der Mensch ist kein Roboter, deshalb brauchen wir von Zeit zu Zeit Hilfe und Unterstützung sowohl im geistlichen Leben also auch im Alltag. Es bestehen momentan viele Angebote in dieser Hinsicht und wenn man sie in Anspruch nimmt, kann man als Priester ein gelingendes und glückliches Leben führen. Und im Übrigen ist jeder Mensch herausgefordert, ein glaubwürdiges Leben zu führen mit Respekt gegenüber den anderen, das gilt nicht nur für die Priester.

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Können Sie mir ihr Vorzeige-Priesterbild beschreiben?

Raju: Papst Franziskus hat einmal in einer Audienz zu Priestern und Bischöfen gesagt, dass die Hirten mit dem Geruch der Schafe unterwegs sein sollten. In den letzten Jahren habe ich oft über diesen Satz nachgedacht. Ausgerechnet am 21. April (4. Ostersonntag) ist meine Primiz. An diesem Tag feiert die Kirche den Guthirtsonntag. Ich möchte mit Gottes Hilfe so ein Hirt werden, der mit dem Volk Gottes unterwegs ist. Das schaffe ich nur durch die Gnade Gottes.

Agil Raju wurde 1993 in Karnataka, Indien, geboren. Morgen Samstag, 10.30 Uhr, wird er in der Kathedrale in Chur zum Priester geweiht. Seine Primiz wird er am Gut-Hirt-Sonntag im Pfarrverband Höchst-Gaissau, Vorarlberg feiern.


Agil Raju wird zum Priester geweiht – hier bei den Fürbitten an Ostern 2021 in Chur. | © Christian Merz
19. April 2024 | 17:00
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