450 Teilnehmende an Walpurgisnacht in der Offenen Kirche Elisabethen Basel

Am Sonntagabend, 30 April, feierten zum fünften Mal mehr als 450 Frauen, Kinder und Männer Walpurgisnacht in der Offenen Kirche Elisabethen in Basel. In kraftvollen Ritualen mit Feuer, Texten, Tanz und Musik wurde an politisch verfolgte Frauen erinnert, weibliche Wut und Kraft vergegenwärtigt und Erotik und Lebensfreude gefeiert.

In einem Weg durch die Kirche mit vier Stationen wurde Ohnmacht und Klage, Trauer, Wut und Rache und dann Lebensfreude und Erotik zum Ausdruck gebracht. Feuer versinnbildlichte die Lebenskraft von Frauen. Mit dieser Feier haben die beiden katholischen Theologinnen Eva Südbeck-Baur und Monika Hungerbühler eine Feier erarbeitet, die Frauen ermutigt, nicht in den bedrückenden Erfahrungen von patriarchaler Macht zu vereinsamen, sondern sich ihrer Kraft und Würde gewahr zu sein und für die Einhaltung ihrer Menschenrechte ein zu stehen. Die Feuertänzerinnen Corinne Sohn, Janine Henner und die Bauchtänzerin Samara Eva Panser brachten im Tanz die Kraft von Frauen zum Ausdruck, Ariane Rufino durch ihre Musik. Die beiden Theologinnen schöpften aus dem reichen Schatz der biblischer Texte und der katholischen Traditionen an Heiligen und Ritualen und setzten sie in zeit- und frauenrelevante Zusammenhänge. Dies mit grossem Erfolg. Die Walpurgisnacht wurde zu einem festen Bestandteil des Festkalenders der Offenen Kirche Elisabethen.

Die Feier

Am Ort der der Klage erinnerten die beiden katholischen Theologinnen Eva Südbeck-Baur und Monika Hungerbühler in einer Klagelitanei an die Frauen, Kinder und Männer, die während der Hexenverfolgung ermordet wurden und benannten die Schuld der Kirchen. Ebenso wurde an Frauen erinnert, die heute politisch verfolgt und unterdrückt werden, die offene oder subtile Gewalt erlitten. Mit Trommelschlägen, so hart wie ein Schlag ins Gesicht, liess Ariane Rufino die benannte Gewalt in alle Knochen fahren. Ein unter weisser Asche begrabene Holzkohlenglut machte die fast verloschene Kraft von Frauen sichtbar, gefangen in Ohnmacht, Erstarrung, Schmerz und Klage.

«Wir erinnern uns an die Heilige Walpurga, deren Wirken ganz in Vergessenheit geraten ist.
Wir erinnern uns an Jesus und all die anderen Justizopfer der Geschichte, die durch die Todesstrafe umgebracht wurden.
Wir erinnern an Jüdinnen und Juden, an Lesben und Schwule, Kommunistinnen, Sinti und Roma, die im Holocaust ermordet wurden.
Wir erinnern uns an die Mädchen und Buben, die sexuell ausgebeutet und seelisch gequält und getötet werden.
Wir erinnern uns an Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden…»

Am Ort der Trauer wurde die Asche von der Holkohle über die Häupter der Frauen geblasen und die Glut wieder frei gelegt. Die erfahrenen Verletzungen, das unsichtbare Gefängnis des Schweigens und der Scham werden betrauert. In dieser Nacht waren die Frauen in ihrer Trauer nicht allein. Schwarze zigmeterlange Tücher wurden über die Köpfe gereicht und die Orte von Solidarität in Erinnerung gerufen, die sich Frauen erkämpft haben.
«…Wir sind traurig über das Unwissen über starken Frauen, weil die Erinnerung an sie nicht gepflegt wurde.
Wir sind traurig über die Verletzungen und Schmerzen,
wir sind traurig über die Scham und die Schuldgefühle, die uns wie ein Siegel auferlegt wurden.
Auch wir wären so gerne ein unbeschwertes Mädchen und ungebeugte Frau gewesen.»

Mit der glühenden Kohle wurde das Feuer der Wut und Rache entzündet. Den Gefühlen, die aus Verletzung und erlittenem Unrecht entstehen, wurde um das lodernde Feuer Raum gegeben. Die Tänzerinnen Corinne Sohn und Janine Henner tanzten mit brennenden Stangen, Töpfen und Keulen. Stampfend bewegten sich Frauen um das Feuer und brachten die Kirche zum beben. In der vor Gott getragener Wut erlebten sich Frauen kraftvoll und lebendig. Sie spürten ihre Lebenskraft.

«…Lass glühende Kohlen auf sie regnen!
Stürze sie ins Feuer, in tiefe Schluchten,
aus denen sie nicht mehr herauskommen können!

Für böse Zungen soll im Land kein Platz sein,
und wer Gewalttat liebt,
den soll das Unglück zu Tode hetzen!

Ich weiss es, Gott
Du trittst für die Unterdrückten ein,
du wirst den Wehrlosen Recht verschaffen.» Psalm 140

In einer Litanei wurden erfahrene Frauen in Erinnerung gerufen, die mit ihrer Lebenskaft das Leben bejahten, pflegten und schützten und aus der Kraft ihres Glaubens lebten. Jede Frau erhielt eine Kerze, die am Wutfeuer entzündet wurde. Im Licht des Kerzenscheins wurde jede Frau zum leuchtenden Antlitz, in dem die Einmaligkeit, Schönheit und Würde einer jeden sichtbar wurde. Jede Frau konnte sich so und jede andere als Ebenbild Gottes erleben. Samara Eva Panser tanzte mit einem «Tanz der Freude» Erotik, Kraft und Lebensfreude. Mit Tanz uns Segen endete die Feier, im Wissen, dass dieser Weg immer wieder von Frauen durchlebt und durchlitten werden wird.

«…Gesegnet sei in deinem Leib,
dass dir die Wärme und die Lust,
die Liebe und der Schmerz
zur ständigen Quelle deines Lebens werden.

Gesegnet sei in deinem Hals, Nacken, und Kopf,
dass Phantasie deine Schöpferkraft fördert
und das Lächeln deines inneren Friedens
dich verschöne.

Du, sei gesegnet in deinen Schultern,
Armen und Händen,
dass du klar weisst, was zu tragen ist,
zu geben oder abzuwehren…» von Hanna Strack

Wussten auch Sie nicht, dass die Heilige Walpurga der Walpurgisnacht ihren Namen gab?
Zur Heiligen Walpurga:

Die heilige Walpurga wurde 710 in England geboren und wurde in einem Benediktiner-Kloster erzogen und unterrichtet. Sie entschied sich, im Kloster zu bleiben. Sie zog aufs Festland und wurde Vorsteherin eines Frauenklosters in Deutschland. Später leitete sie gemeinsam mit ihrem Bruder ein Doppelkloster, d.h. ein Frauen- und Männerkloster. Als ihr Bruder starb, leitete sie als Äbtissin das Doppelkloster 16 Jahre lang allein.
Walpurga war eine hervorragende Organisatorin, Lehrerin und Führungsperson. Weise fügte sie bestehende Frühlings- und Fruchtbarkeitsiten in den christlichen Glauben ein, anstatt sie zu bekämpfen. Bis heute ist der Wonnemonat Mai der beliebteste Monat zum Heiraten. Walpurga war eine viel gesuchte Beraterin und Helferin in leiblichen und geistigen Nöten.
Walburga starb tief betrauert im Februar 779. Sie wurde 69 Jahre alt. An einem 1. Mai wurde sie heilig gesprochen, dann ist ihr Namenstag. Die Nacht davor wurde nach ihr benannt. Zu ihrem Grab zogen Jahrhunderte lang Pilgerströme. Sie war eine der meist verehrten Heiligen im deutschsprachigen Raum. Ihr Namenstag und ihre Gebeine wurden verlegt, so geriet die Heilige Walpurga und die christlichen Wurzeln der Walpurgisnacht in Vergessenheit. Sie erkennen Walpurga in Heiligenbilder als Äbtissin im schwarzen Benediktinerhabit mit Stab und Regelbuch und mit einem Ölfläschchen, das auf ihre Heilkunst verweist. Sie wird auch mit drei Ähren in der Hand gezeigt, weil sie ein Kind vor dem Hungertod errettete.

Offene Kirche Elisabethen Basel
1. Mai 2006 | 17:47