Putin 2015 bei Papst Franziskus
Schweiz

«Grounding»-Produzent: Papst Franziskus soll Putin zu einer Friedenskonferenz einladen

Der Schweizer Banker und Filmemacher Pascal Najadi (55) hat Papst Franziskus einen offenen Brief geschrieben. Er fordert den Pontifex auf, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Anders als der Bundesrat verhalte sich Franziskus «wie ein vorbildlicher Schweizer».

Raphael Rauch 

Guten Morgen!

Pascal Najadi*: Guten Abend! Ich bin gerade in Australien, in der Nähe von Melbourne.

Pascal Najadi
Pascal Najadi

Was machen Sie da?

Najadi: Ich schreibe mit einem Team an einem Drehbuch. Der Film hat die Ermordung meines Vaters zum Thema. Mein Vater Hussain Najadi wurde 2013 auf einem Parkplatz vor einem Tempel in Kuala Lumpur ermordet. Mein Vater hatte die «AmBank» gegründet, eines der grössten Banken Malaysias. Er hatte Informationen über illegale Finanzgeschäfte, in die der damalige Premierminister Najib Razak involviert war. Deswegen musste er sterben.

«Es braucht jetzt neutrale Stimmen, die vermitteln können.» 

Warum haben Sie Papst Franziskus einen offenen Brief geschrieben?

Najadi: Es geht um den Frieden. Die beiden Grossmächte USA und Russland sind auf Kollisionskurs. Die USA, die NATO und die EU haben entschieden, Russland zu brechen. Das kann nicht gutgehen. Deswegen braucht es jetzt neutrale Stimmen, die vermitteln können. 

Papst Franziskus küsst in Kasachstan das Enkolpion von Metropolit Antonij Sevrjuk.
Papst Franziskus küsst in Kasachstan das Enkolpion von Metropolit Antonij Sevrjuk.

Warum haben Sie nicht dem Bundesrat geschrieben?

Najadi: Die Schweiz ist nicht mehr neutral. Die Schweiz hat Partei für die Ukraine ergriffen. Das hat Bundesrat Ignazio Cassis gestern in Kiew bewiesen. Und das hat er mit der Ukraine-Konferenz in Lugano im Juli ebenfalls gezeigt. Die Schweiz setzt auf den Sieg der Ukraine. Neutralität sieht anders aus. 

«Ich bin mit Rudolf Minger verwandt. Er war Bundesrat zu Beginn des Zweiten Weltkriegs.»

Der Bundesrat argumentiert anders: Es gebe keine Neutralität, da von einer Neutralität Russland profitieren würde – so wie Hitler im Zweiten Weltkrieg ebenfalls von der Schweizer Neutralität profitieren konnte.

Najadi: Ich sehe das anders. Meine Grossmutter war Hedi Minger. Über sie bin ich mit Rudolf Minger verwandt. Er war Bundesrat zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Von ihm weiss ich, wie wichtig Neutralität ist.

Papst Franziskus hält eine ukrainische Fahne, die er aus dem ukrainischen Ort Butscha erhalten hat.
Papst Franziskus hält eine ukrainische Fahne, die er aus dem ukrainischen Ort Butscha erhalten hat.

Ist Papst Franziskus neutral?

Najadi: Ja. Anders als der Bundesrat verhält sich der Papst wie ein perfekter Schweizer – er ist und bleibt neutral. Der Papst versucht, beide Seiten zu verstehen. Deswegen kann der Papst nun auch vermitteln. Putin hat grossen Respekt vor Papst Franziskus. Er hat ihn ja im Vatikan besucht. Und unter Putin kam es zu einer Annäherung zwischen der russisch-orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche.

«US-Präsident Joe Biden wollte Putin keine Sicherheitsgarantien geben.»

Teilen Sie Franziskus’ Einschätzung, wonach die NATO zu stark an Russlands Tür gebellt habe?

Najadi: Eindeutig! Gorbatschow hatte die Zusage, dass es keine NATO-Osterweiterung geben werden. Das Gegenteil war der Fall. US-Präsident Joe Biden wollte Putin keine Sicherheitsgarantien geben. 2014 hat die ukrainische Armee Kämpfe im Donbass begonnen. All das wird vergessen.

Video-Konferenz in Rom im März 2022: Papst Franziskus und Kardinal Kurt Koch mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill und Metropolit Hilarion.
Video-Konferenz in Rom im März 2022: Papst Franziskus und Kardinal Kurt Koch mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill und Metropolit Hilarion.

Sie verschweigen, dass Putin 2014 die Krim völkerrechtswidrig annektiert hat!

Najadi: Annexionen gab es schon immer in der Geschichte. Die USA haben Hawaii annektiert. Israel hat Westjordanland und die Golanhöhen annektiert. England Nordirland und Gibraltar. Marokko Westsahara. Und Albaner haben mithilfe der NATO Kosovo annektiert.

Wladimir Putin bekreuzigt sich in der Osternacht 2022.
Wladimir Putin bekreuzigt sich in der Osternacht 2022.

Sie sind also ein Putin-Versteher?

Najadi: Putin ist kein Monster, wie er im Westen dargestellt wird. Mit Putin kann man verhandeln. Deswegen sollte jetzt Papst Franziskus aktiv werden. Der Bundesrat sollte am Montagmorgen die EU-Sanktionen gegen Russland aufheben. Ich bin mir sicher, dass dann schon am Dienstag in Genf Friedensverhandlungen stattfinden könnten. Da der Bundesrat aber dazu nicht bereit ist, scheidet die Schweiz als neutraler Boden aus. Deswegen sollte Papst Franziskus Putin zu einer Friedenskonferenz in den Vatikan einladen.

Scheich Chalid bin Ahmad Al Chalifa aus Bahrain und Papst Franziskus, November 2021 im Vatikan.
Scheich Chalid bin Ahmad Al Chalifa aus Bahrain und Papst Franziskus, November 2021 im Vatikan.

Ihr Vater stammte aus Bahrain. Papst Franziskus ist der christlich-islamische Dialog sehr wichtig. Anfang November reist er nach Bahrain. Was bedeutet Ihnen das?

Najadi: Der Papst ist ein echter Pontifex – ein Brückenbauer. Mich beeindruckt, wie er sich für den Dialog mit dem Islam einsetzt. Wir sind alle Geschwister und als Katholik danke ich dem Papst für sein interreligiöses Engagement. 

* Pascal Najadi (55) ist Banker und war Filmproduzent von «Grounding – Die letzten Tage der Swissair» (2006). Najadi hat luzernische-bahrainische Wurzeln. Sein Vater Hussain Najadi wurde 2013 in Kuala Lumpur ermordet.


Putin 2015 bei Papst Franziskus | © KNA
22. Oktober 2022 | 08:49
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