Desmond Tutu 2015 in Lübeck
Schweiz

Tutus überparteiliche Botschaft von Wahrheit und Versöhnung ist Imperativ für Zukunft

Desmond Tutu erhielt 1999 – in Abwesenheit die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät Freiburg (Schweiz). Der damalige Professor für Theologische Ethik in Freiburg, Adrian Holderegger, würdigte den Geehrten. Seit 2012 ist Holderegger emeritiert. Kath.ch publiziert anlässlich des Todes des Friedensnobelpreisträgers die Laudatio, die Holderegger am 15. November vor zwei Jahren hielt.

Die Theologische Fakultät der Universität Freiburg freut sich, den Titel eines Doktors ehrenhalber auch an Seine Exzellenz Erzbischof Desmond Tutu, zur Zeit in den USA, verleihen zu können. Widrige Umstände erlauben es ihm nicht, die Ehrung selbst in Empfang nehmen zu können. Statt dessen wird Ihre Exzellenz Frau Ruth Mompati, Botschafterin der Südafrikanischen Republik in Bern, die Auszeichnung entgegen nehmen. Bischof Tutu wird im Sommersemester 2000 im Rahmen einer akademischen Veranstaltung die Universität Freiburg mit einem Besuch beehren.

«Insbesondere ihm ist es zu verdanken, dass in Südafrika der Grundanspruch des Evangeliums nach Gleichheit, Wahrheit und Versöhnung zum tragenden Element werden konnte.»

Desmond Tutu gehört zu jenen herausragenden kirchlichen Persönlichkeiten, die es geschafft haben, theologische Grund-Überzeugungen in konkreten, äusserst schwierigen gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen zur Geltung zu bringen. Insbesondere seiner Person ist es zu verdanken, dass in Südafrika über alle Parteien hinweg der Grundanspruch des Evangeliums nach Gleichheit, Wahrheit und Versöhnung nach einer langen Phase der Apartheid, der Trennung und der Gewalt zum tragenden Element einer neuen Gesellschaft werden konnte. An der Persönlichkeit von Desmond Tutu wird in exemplarischer Weise die gesellschaftliche, soziale und moralische Kraft des christlichen Glaubens deutlich.

«Desmond Tutu ist einer der tragenden Garanten für einen friedlichen Übergang der Apartheid.»

Seine Vision von der Gesellschaft ist bestimmt vom Recht auf Freiheit, vom Sinn für die Gemeinschaft, und vom Gedanken der schöpferischen Mitwirkung am Aufbau einer gerechten Gesellschaft. Sein Botschaft lautet: Kein Recht ohne Ethos, und keine Versöhnung ohne Vergebung. Desmond Tutu ist einer der tragenden Garanten für einen friedlichen Übergang der Apartheid in einen demokratischen, sich an Grundrechten orientierenden Rechts-Staat. Als Vorsitzender der Wahrheits- und Versöhnungskommission ist es ihm gelungen, einen Prozess in die Wege zu leiten, der Versöhnung vor Rache, Wahrheit vor Verdrängen, Recht vor Willkür setzt.

Die Verleihung des Ehrendoktorates vollzieht sich in einem Kontext – davor kann man die Augen nicht verschliessen –, der uns, die Eidgenossenschaft herausfordert, sich der Geschichte mit Südafrika in «Wahrheit» zu stellen. Die «überparteiliche» Botschaft von Desmond Tutu «Wahrheit und Versöhnung» kann so zum Imperativ für unsere eigene Geschichte in der Gegenwart werden.


Desmond Tutu 2015 in Lübeck | © KNA
26. Dezember 2021 | 17:08
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!