Lobpreis: die Pianistin und die Sängerin – durchs Fenster der Maisonette
Story der Woche

Von Adoray zu Loretto: Lobpreis hinter Klostermauern

Die Loretto-Gemeinschaft ist von Österreich in die Schweiz gelangt. Dahinter stehen Menschen wie Tanja Pürro. Irgendwann habe sie sich für Adoray zu alt gefühlt, erzählt sie: «Wir besuchen die Gottesdienste in unseren Heimatpfarreien. Aber wir wünschen uns mehr Tiefgang für unseren eigenen Glaubensweg.»

Regula Pfeifer

An der alten Klostermauer ist erst eine rostige Türe zu sehen. Das scheint nicht der richtige Eingang zu sein. 20 Meter weiter wieder eine Türe. Hier wird für die Loretto-Gemeinschaft geworben, voilà. Auf das Klingeln hin öffnet eine strahlende Frau. Es ist Tanja Pürro, die Leiterin der Loretto-Gemeinschaft in der Schweiz.

Durch die Tür in der Klostermauer gehts zur "Maisonette" von Loretto Solothurn.
Durch die Tür in der Klostermauer gehts zur "Maisonette" von Loretto Solothurn.

Sie führt die Treppen hinunter. Unter der Laube sitzen zwei Frauen um die Dreissig und schauen erwartungsvoll. Die beiden werden eine tragende Rolle spielen an diesem Gebetsabend in der Maisonette, die innerhalb der Mauern des Visitantinnen-Klosters in Solothurn liegt. Seit Herbst 2020 hat die Loretto-Gemeinschaft hier ein «Geistliches Zentrum».

Tanja Pürro spricht den Impuls
Tanja Pürro spricht den Impuls

Inspiration aus Salzburg

Die Loretto-Gemeinschaft in Solothurn hat ihren Ursprung am Pfingstanlass von 2012 in Salzburg. Daran nahm Tanja Pürro gemeinsam mit zwei Kolleginnen teil. Die drei fanden: So ein Haus, in dem gebetet, gefeiert und gelebt wird, würden sie sich auch für Solothurn wünschen. «Wir sehnen uns nach einem Haus, wo Gott gegenwärtig ist und Begegnung mit ihm möglich wird», heisst es in der Vision vom Geistlichen Zentrum. «Unsere Sehnsucht ist, unsere Berufung als Jünger zu leben und andere Menschen zu Jüngern zu machen.»

Die Loretto-Gemeinschaft

Die Loretto-Gemeinschaft ist 1987 in Wien entstanden. Laut Website haben drei Studierende nach einer Wallfahrt nach Medjugorje beschlossen, einen Gebetskreis zu bilden. Daraus sei die Loretto-Gemeinschaft entstanden. Der Name Loretto wiederum geht auf den italienischen Wallfahrtsort Loreto zurück, wo laut Überlieferung das Haus Mariens stehen soll.

Loretto Schweiz hat 2016 seinen Anfang genommen. Damals hätten einige Schweizer beschlossen, als Postulanten der Gemeinschaft beizutreten, so die Info auf der Webseite.

Aktuell sind hierzulande 35 Menschen zwischen 18 und 65 Jahren verbindlich bei der Gemeinschaft dabei. Das heisst, sie befinden sich im Postulat oder im Versprechen. Das sagt Tanja Pürro, die die Leitung von Loretto Schweiz innehat und in engem Kontakt zu den leitenden Personen der Loretto-Gemeinschaft in Österreich steht.

Das Postulat ist das Einführungsjahr, das Versprechen ist die Zeit, in der jemand sich – in Anwesenheit eines Priesters – für ein Engagement als Jüngerin oder Jünger der Loretto-Gemeinschaft verpflichtet. Das Versprechen wird jährlich wiederholt. Um an öffentlichen Anlässen der Loretto-Gemeinschaft teilzunehmen, müsse man aber nicht Mitglied der Gemeinschaft sein, sagt Pürro.

Aktuell finden Gebetskreise, Gottesdienste und andere Anlässe in St. Gallen, Dietikon, Solothurn und im Oberwallis statt. In Solothurn und St. Gallen organisiert Loretto Anlässe auch in den Kathedralen. Bischof Felix Gmür «schätzt die engagierte Gemeinschaft», lässt der Bistumssprecher ausrichten. «Wir unterstützen sie bei der Integration in den Pastoralraum.» Die «Pray at Sunday» in Dietikon bei Zürich werden von Laura Jacober organisiert, die früher Moderatorin bei Radio Maria war. (rp)

Im Herbst 2018 begannen sie zu viert die Vision umzusetzen. Unter ihnen war auch ein Priester, der seit August 2020 einen Solothurner Pastoralraum leitet. Im selben Pastoralraum ist auch Tanja Pürro als pastorale Mitarbeiterin tätig. Nach eineinhalb Jahren in einer Zweizimmerwohnung mitten in Solothurn konnte die Loretto-Gemeinschaft in die «Maisonnette» wechseln. Hier treffen sie sich nun jeden Mittwoch um halb acht zum Gebet.

Holzkreuz und Ikone

Die Maisonnette ist ein kleines altes Haus, hübsch renoviert. Das Parterre besteht aus einem einzigen Raum. Er ist als Gebetsraum und Caféraum zugleich eingerichtet. In den oberen Stockwerken hat es weitere kleine und grössere Räume: für Seelsorgegespräche, für Meditation und für Büros. In einem Büro ist Tanja Pürro einquartiert. Hier hat sie den Impuls für diesen Abend vorbereitet.

Loretto: Glaubensleben im kleinen Kreis
Loretto: Glaubensleben im kleinen Kreis

Gegen halb acht kommen eine weitere Frau und ein Mann. Draussen dunkelt es. Alle kennen sich, tauschen sich aus, schäkern. In kurzer Zeit sind alle bereit für den Gebetsabend. Die Sängerin und die Pianistin machen sich vorne bereit – quasi im Chor. Da ist das Licht hell. Und da steht an der Wand zentral das grosse Holzkreuz, mit zwei Ikonen oben – und unten eine Ikone der Heiligen Familie. Alle Loretto-Gebetskreise stellen diese Ikone auf, hat Tanja Pürro eben erklärt.

Gebetsabend live auf Youtube

Der übrige Raum liegt im Dunkeln. Hier stehen Tanja Pürro und die beiden, die zuletzt dazugekommen sind. «Ist die Kamera an?», fragt Pürro. Dann kann es losgehen. Die beiden Frauen vorne begrüssen die Mitfeiernden – und blicken dabei in Richtung Kamera, die an der Decke hängt. Diese überträgt den Gebetsabend per Livestream auf Youtube.

Die Frau links ist Mirjam Graf. Sie singt ins Mikrofon, ihre Kollegin am Klavier begleitet, und das – vor Ort dreiköpfige – Publikum singt mit. «Jesus mein Retter» heisst das erste Lied, das zweite trägt den Refrain «Ich öffne mein Herz». Geschätzt ein Dutzend Lieder werden an diesem Abend gesungen. Die Beteiligten nennen es «Lobpreis». Die Texte dazu sind an einem Monitor ablesbar.

«War’s das also? Nein, es gibt Jesus.»

Tanja Pürro

Nach einer halben Stunde tritt Tanja Pürro ins Licht. In persönlicher Art spricht sie über Unfreiheit aufgrund von unguten Beziehungen, Ängsten, Krankheit, psychischer oder materieller Not. Und darüber, wie Jesus das unterdrückte Volk in ein neues Reich führen wollte. «War’s das also?», fragt sie ins Publikum. «Nein, es gibt Jesus», antwortet sie gleich selbst. Und er sei der Retter. Ihm könne man all seine Probleme anvertrauen.

Feier in der "Maisonette"
Feier in der "Maisonette"

Zu Jesus in drei Schritten

Dazu zeigt sie Schritte auf, die zum Glauben an Jesus führen könnten. «Erstens an Jesus glauben, zweitens Jesus in unser Leben lassen, drittens Jesus anrufen.» Für Erstes zitiert sie die Engel, die den Hirten verkünden (Lukas 12): «Heute ist euch Christus, der Retter, geboren.» Fürs Zweite erzählt sie vom Zöllner Zachäus (Lukas 19), der nach einem Besuch Jesu plötzlich bereit ist, die Hälfte seines Besitzes Bedürftigen zu schenken. Fürs Dritte zitiert die Rednerin den Römerbrief (10/13): «Jeder, der den Herrn anruft, wird gerettet werden.» Dafür sei «viel Lobpreis nötig, am besten immer», sagt Tanja Pürro. Sie meint damit nicht ewiges Musizieren, sondern eine innere Haltung, die jede und jeder einnehmen sollte.

Klostermauer des Visitantinnen-Klosters Solothurn
Klostermauer des Visitantinnen-Klosters Solothurn

Weitere Lobpreislieder folgen, die einen halten die Hände weit auf, andere wippen mit. Irgendwann setzt sich jemand aufs Sofa. Dann macht die Klavierspielerin den Abschluss mit dem Kreuzzeichen und den Worten: «Gelobt sei Jesus Christus». Alle antworten: «In Ewigkeit Amen.» Kurz danach sitzen sie auf dem Sofa und Stühlen und reden über Alltägliches, etwa die geplante Corona-Impfung.

Tanja Pürro

«Dass ich zur Loretto-Gemeinschaft gestossen bin, ist Fügung. Eine Kollegin und ich haben in jungen Jahren die katholische Jugendgruppe Adoray Solothurn geleitet. Doch irgendwann fielen wir aus der Altersgruppe heraus. Die Sehnsucht nach einem Anschluss aber blieb. So stiess ich auf die Loretto-Gemeinschaft in Österreich. Vor acht Jahren fuhr ich mit zwei Frauen an deren grossen Pfingstkongress in Salzburg. Wir waren begeistert und fanden danach: Solothurn braucht ein Zentrum, wo Menschen gemeinsam beten und auf dem Weg sind. Heute bin ich Leiterin der Loretto-Region Schweiz und arbeite eng mit dem Loretto-Rat zusammen, zu dem auch der Hauptleiter Maximilian Oettingen und der Gründer Georg Mayr-Melnhof gehören. Spirituell sind wir ähnlich unterwegs wie andere charismatische Bewegungen, etwa Adoray. In Solothurn gestalten wir hie und da auch gemeinsame Anlässe. Wir sind katholisch aus Überzeugung und besuchen die Gottesdienste in unseren Heimatpfarreien. Aber wir wünschen uns mehr Tiefgang für unseren eigenen Glaubensweg. Das finden wir in dieser Gemeinschaft. Ich habe diesen Sommer mein Versprechen in Mariazell bereits zum 5. Mal abgelegt.» (rp)

Tanja Pürro
Tanja Pürro

Mirjam Graf

«Ich habe Tanja Pürro an der Uni Freiburg kennen gelernt. Sie hat Theologie im Hauptfach studiert, ich einige Vorlesungen im Nebenfach. Nun bin ich für die Arbeit als Ergotherapeutin nach Solothurn gezogen. Hier habe ich Tanja in einem Candle-Light-Gottesdienst wieder gesehen. Sie hat vom Start der Loretto-Gemeinschaft erzählt. Das Gebetszentrum ermöglicht mir, meinen Glauben im Alltag leben zu können, zusätzlich zum Gottesdienst am Sonntag. Mir gefallen der Austausch über den Glauben und die teilweise tiefen Gespräche. Hier habe ich als Zugezogene auch einen Freundeskreis gefunden. Ich bin Teil des hiesigen Lobpreis-Teams, aber weder im Postulat noch im Versprechen.» (rp)

Mirjam Graf vor der Maisonette
Mirjam Graf vor der Maisonette


 

Lobpreis: die Pianistin und die Sängerin – durchs Fenster der Maisonette | © Regula Pfeifer
15. Oktober 2021 | 12:52
Lesezeit: ca. 5 Min.
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