Gottfried Locher und Felix Gmür an der ökumenischen Gedenkfeier für Bruder Klaus
Schweiz

Entschuldigung am Gedenken war «mehr als eine diplomatische Geste»

Zürich, 4.4.17 (kath.ch) Der ökumenische Gedenkanlass zur Reformation und zu Niklaus von Flüe am 1. April in Zug kam gut an bei den Beteiligten und Besuchern. Dies zeigt eine Umfrage von kath.ch bei Exponenten der katholischen und reformierten Kirche, darunter Gottfried Locher und Bischof Felix Gmür. Ein paar kritische Anmerkungen kamen auch, von Thomas Wallimann-Sasaki und Michel Müller.

Regula Pfeifer

«Der Anlass hat mich bewegt», sagte Gottfried Locher auf Anfrage über den Gedenkanlass in Zug. Der Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds war prominenter Beteiligter – auf dem Podium wie auch im ökumenischen Gottesdienst. Die beiden Jubiläen zur Reformation und zu Niklaus von Flüe hätten «einander bereichert» und die Kirchen über Konfessionsgrenzen hinweg zusammengeführt. «’Zug’ könnte zum Meilenstein der Schweizer Ökumene werden», vermutete Locher.

Locher und der Basler Bischof Felix Gmür leiteten den ökumenischen Gottesdienst am Nachmittag, bei dem es zu einer wohl historischen Entschuldigung der Konfessionen kam. Zu jenem Moment sagte Locher im Nachhinein: «Ob eine Entschuldigung echt ist, spürt man, wenn sie einem gesagt wird. Was mir Bischof Felix gesagt hat, war echt. Offenbar ging es ihm bei meinen Worten auch so. Nur deshalb konnten wir einander umarmen.» Das habe ihn gerührt, wie offenbar auch viele Anwesende.

Bestärkt auf dem gemeinsamen Weg

Die gegenseitige Bitte um Entschuldigung und Umarmung waren «mehr als eine diplomatische Geste», sagte Bischof Felix Gmür auf Anfrage. Sie hätten eine Haltung zum Ausdruck gebracht, die im Dialog der beiden Konfessionen seit Jahren spürbar sei. Zum gesamten Gedenkanlass meinte er: «Die Dynamik, die im Motto «Gemeinsam zur Mitte» steckt, hat sich entfaltet.» Die Begegnungen, Gespräche, Vorträge und die Feier des ökumenischen Gottesdienstes als Höhepunkt hätten ihn bestärkt, den gemeinsamen Weg weiter zu gehen.

«Diese wichtigen Gesten und Bekenntnisse von Gottfried Locher und Bischof Felix haben das Gedenken zu einer Feier werden lassen», sagte Luc Humbel, der als Präsident der Römisch-katholischen Zentralkonferenz zu Gast war. «Dieses Engagement und die damit zum Ausdruck gebrachte Haltung haben mich tief berührt.»

Versöhnung auch zwischen Menschen

«Vielen Gottesdienstteilnehmenden ist die Entschuldigung unter die Haut gegangen», fand auch Sabine Brändlin, die bei der reformierten Kirche Kanton Aargau die Fachstelle «Frauen, Männer, Gender» leitet. Die Leute wüssten aus ihrer eigenen Familie, wie schwierig das Miteinander der beiden Konfessionen lange Zeit war. «Am Samstag ist es zu einem wichtigen Schritt der Versöhnung gekommen nicht nur zwischen Institutionen, sondern auch zwischen Menschen.»

Der Leiter des Instituts für Sozialethik «ethik22» und Interimspräsident der bischöflichen Kommission Justitia et Pax, Thomas Wallimann-Sasaki, war vom Gedenkanlass «intellektuell und persönlich angesprochen», wie er auf Anfrage sagte. In Zug sei eine Gemeinschaft aus Persönlichkeiten beider Konfessionen und dank vieler Angebote auch eine «Chilbistimmung» entstanden. Dass das Zeichen der Versöhnung am Schluss kam, empfand er als «sehr gelungen». «Ein Gottesdienst kann ja erst lebendig werden, wenn Gemeinschaft da ist», ist er überzeugt.

«Ein Gottesdienst kann erst lebendig werden, wenn Gemeinschaft da ist.»

Den Gottesdienst selbst erlebte Wallimann als zunehmend gemütlicher und gelöster. Auch das gemeinsame Teilen des Brotes sei sehr gut umgesetzt gewesen. Währenddessen habe man gesungen – wie bei einer Taizé-Feier. Trotz aller lobenden Worte stellte sich der Sozialethiker auch kritische Fragen. Etwa: Weshalb gab da nicht der Präsident der Bischofskonferenz, Charles Morerod, das Schuldgeständnis ab, sondern Vizepräsident Felix Gmür? Auf Seiten der Reformierten habe dies ja auch der SEK-Präsident Gottfried Locher getan.

Zeichen gesetzt

Auch empfand Wallimann als problematisch, dass die Ökumene ausschliesslich aufs Liturgische ausgerichtet war. Gerade in diesem Bereich werde man wohl auf höheren Ebenen zuletzt zueinander finden, sagte er.  Und er meinte: «Das Zeichen ist gesetzt. Jetzt muss man gemeinsam Nägel mit Köpfen machen.» Was für ihn heisst: Soziale, diakonische und politische Themen müssen auf den Tisch. Nun müssten die Kirchen nicht mehr nur von sich reden, sondern vom Sinngebenden in der Welt. So könnten Menschen auch ausserhalb des kirchlichen Kreises angesprochen werden.

«Jetzt muss man gemeinsam Nägel mit Köpfen machen.»

Auch für Michel Müller, den Kirchenratspräsidenten der Reformierten Kirche Kanton Zürich, ist die Sache mit der ökumenischen Geste am Gedenktag nicht abgeschlossen. «Das ökumenische Zeichen hat etwas vorneweg genommen, was noch nicht eingelöst ist und noch nicht von allen Beteiligten beider Konfessionen getragen wird», sagte er auf Anfrage. «Alle am Gedenken Anwesenden haben nun die Aufgabe, innerlich diesem Akt zu folgen». Ansonsten fand aber auch Müller den Anlass «vielseitig, reichhaltig und stimmungsvoll». Die Inputreferate am Podium seien Höhepunkte gewesen. Die Entschuldigung im Gottesdienst sei natürlich gewachsen und durch die Leute «sehr gut getragen» gewesen. «Der Applaus zeigte: Da steht das Kirchenvolk dahinter», so Müller.

Der Beauftragter des Trägervereins «600 Jahre Niklaus von Flüe» und Mitorganisator des Gedenkanlasses, Beat Hug, empfand die Worte und Gesten von Locher und Gmür und die dazu erklingende Musik im ökumenischen Gottesdienst am Samstagabend als ein «schönes, berührendes Symbol». Während dem Gottesdienst dirigierte der Komponist Erwin Mattmann die Uraufführung seiner Kantate «Gemeinsam zur Mitte», deren Titel auch das Motto des Gedenkens bildete.

Vor der Versöhnung das Schuldbekenntnis

Der Versöhnungsgeste und Entschuldigung von Locher und Gmür voran ging ein Schuldbekenntnis, das nachzulesen ist in der online gestellten Liturgie. «Wir bekennen, dass wir einander Gewalt angetan haben und gegeneinander gar in den Krieg gezogen sind. In die Kappelerkriege, in die Schlacht am Gubel, in die Villmergenkriege», heisst es da. Und weiter: «Dass wir einander als Ketzer verfolgt, aus den Dörfern vertrieben, ausgehungert, eingekerkert oder lebendigen Leibs verbrannt haben.»

Am Morgen des Gedenktags hatte der Historiker Josef Lang zum Thema «Nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Was Bruder Klaus und die Reformation verbindet» referiert. Niklaus von Flüe könne «als Vorläufer des Protestantismus» betrachtet werden, sagte Lang. Er habe einen Übergang vom Humanismus seiner Zeit zur Reformation gebildet.

Am Podium sprach die katholische Theologin und Dogmatikprofessorin Eva-Maria Faber zum Thema «Wie (be-)finden wir uns gemeinsam auf dem Weg zur Mitte?». Zum ersten Mal nach 500 Jahren feierten Reformierte und Katholiken gemeinsam ein Reformationsjahr, betonte Faber. Über diese Wende hin zur Ökumene lasse sich staunen. Für sie handelt es sich hier gar um «ein Ereignis der Gnade».

Die Anlässe am Gedenktag zogen unterschiedlich grosses Publikum an. Dem Gottesdienst wohnten laut dem Veranstalter «Mehr Ranft» rund tausend Personen bei, dem Vortrag von Josef Lang rund 600, dem Podiumsgespräch rund 350.

Kappeler Milchsuppe zum Lunch

Neben den drei Hauptveranstaltungen gab es Vorträge über ökumenische Ausstellungsprojekte der Schweiz an der Reformationsausstellung im deutschen Wittenberg, ein Referat über Zeuginnen vor und während der Schweizer Reformation und eine musikalische Feierstunde. Im Kino Gotthard war der Film «Schweizer Lichtgestalten: Bruder Klaus, Zwingli, Calvin» zu sehen und in der Reformierten Kirche Zug die Dauerausstellung «Bruder Klaus». Über den Mittag fand in derselben Kirche ein Gebet unter der Leitung des lokalen reformierten Pfarrers und des katholischen Gemeindeleiters statt.

Zum Lunch löffelten die katholischen und reformierten Kirchenvertreter Kappeler Milchsuppe, die vor dem reformierten Kirchenzentrum ausgeteilt wurde. Die Suppe erinnerte an die kulinarische Verbrüderungsaktion von katholischen und reformierten Truppenangehörigen – damals eigentlich Kriegsgegner – 1529 bei Kappel am Albis.

Gottfried Locher und Felix Gmür an der ökumenischen Gedenkfeier für Bruder Klaus | © Sibylle Kathriner | © Sibylle Kathriner
4. April 2017 | 18:38
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