Die katholische Theologin Eva-Maria Faber und SEK-Ratspräsident Gottfried Locher
Schweiz

Von der Diagnose zur Therapie – Reformierte und Katholiken auf der Suche

Zug, 2.4.17 (kath.ch) Wie können Reformierte und Katholiken noch stärker als bis anhin gemeinsam unterwegs sein? Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines ökumenischen Podiums in Zug haben am Samstag dazu verschiedene Ideen ins Spiel gebracht.

Barbara Ludwig

Die Gesprächsrunde vor rund 350 Personen in der reformierten Kirche war einer von verschiedenen Anlässen am Nationalen ökumenischen Gedenk- und Feiertag «500 Jahre Reformation – 600 Jahre Niklaus von Flüe», an dem die römisch-katholische und die reformierten Kirchen der Schweiz erstmals gemeinsam an die Reformation und den Obwaldner Eremiten erinnern.

Zum ersten Mal nach 500 Jahren feierten Reformierte und Katholiken gemeinsam ein Reformationsjahr, sagte die katholische Theologin und Dogmatikprofessorin Eva-Maria Faber in ihrem Einstiegsreferat mit dem Titel «Wie (be-)finden wir uns gemeinsam auf dem Weg zur Mitte?». Über diese Wende hin zur Ökumene lasse sich staunen. Für sie handelt es sich hier gar um «ein Ereignis der Gnade». Als Faber dann aber anhand von drei Überlegungen skizzierte, wie der weitere gemeinsame Weg aussehen müsste, wurde schnell klar, dass dieser für die beiden Konfessionen nicht gratis zu haben ist.

Wenn Stärken nur noch Schwächen sind

Einheit sei mehr als ein «freundliches Nebeneinander», in dem man sich dann doch immer wieder auf Kosten voneinander profiliere. Die Reformierten sollten sich stärker um eine «verbindliche Verbundenheit» bemühen, während Katholiken aufhören sollten, von einer Einheit zu sprechen, als hätten sie dafür schon «ein glaubwürdiges Konzept», sagte Faber. «Wir müssen lernen, konkrete Schritte zu tun, noch bevor wir das Ziel genau kennen», lautete die Ermunterung an die Adresse der Katholiken.

Faber fand, beide Konfessionen müssten endlich lernen, dass «unsere jeweiligen Stärken gleichzeitig unsere Schwächen sind, wenn wir bei Einseitigkeiten stehen bleiben». Vielleicht könne man von Niklaus von Flüe lernen, wie sehr eine «gesunde Mitte» die Christen aus ihren konfessionellen Einseitigkeiten herausholen könne.

Schliesslich gab die Theologin zu bedenken, dass die Gnade, die die Wende in der Ökumene herbeiführte, die Christen auch dazu bringen könne, sich gemeinsam den heutigen Herausforderungen zu stellen. Statt sich mit Abgrenzungen aufzuhalten.

Wie kommen wir von der Diagnose zur Therapie?

Gottfried Locher, Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), schien das alles nicht wirklich neu zu sein. «Das Quälende daran ist, dass die Diagnose glasklar ist.» Bloss: «Wie kommen wir von der Diagnose zur Therapie? Was raten Sie?» Locher wandte sich direkt an die Churer Dogmatikprofessorin.

Diese plädierte für einen Anfang mit kleinen Schritten. Solche Schritte seien auf allen Ebenen möglich. Es sei ein «Armutszeugnis, dass wir uns mit Strukturfragen befassen». Gerade in der katholischen Kirche spielten diese eine grosse Rolle, kritisierte Faber. Schliesslich machte sie einen konkreten Vorschlag: Sie fände es sinnvoll, wenn eine reformierte Person bei den Sitzungen der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) anwesend wäre und eine katholische Person bei den Sitzungen des SEK-Rates. Eine Aussenperspektive tue gut, sagte sie. Das Publikum quittierte dieses Votum mit Applaus.

Geldmangel wird zur Ökumene zwingen

Locher wehrte ab. Er sagte, es gebe bereits regelmässige Treffen zwischen Reformierten und Katholiken. Die Idee gemeinsamer Sitzungen, an denen Entscheidungen gefällt werden, lehnte er ab.

Der SEK-Ratspräsident zeigte sich überzeugt: «Eine Therapie wird von aussen kommen. Das fehlende Geld.» Je weniger Geld die Kirchen künftig hätten, umso stärker würden sie zum gemeinsamen Handeln gezwungen. Dann ermunterte er dazu, das Kirchenjahr in der Ökumene fruchtbar werden zu lassen. So könnte eine katholische Pfarrei auch einmal den Reformationssonntag feiern. Und eine reformierte Kirchgemeinde den Aschermittwoch. «Wir unterschätzen die Bedeutung des Kirchenjahres.»

Das Evangelium leben

Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), Charles Morerod, schlug das Streitgespräch vor, um in der Ökumene voran zu kommen. «Ich bin Dominikaner. Für mich gibt es etwas Gutes im Mittelalter. Vielleicht könnten wir für unsere Therapie die Tradition der mittelalterlichen Disputationen verwenden.»

Für den Ordensmann hat aber auch das christliche Zeugnis eine grosse Bedeutung. Christen müssten immer wieder zeigen, «was es bedeutet, Christ zu sein». «Sonst sind wir keine Jünger Christi. Wir müssen zeigen, dass wir das Evangelium leben», forderte Morerod.

Etwas Ähnliches gab auch der reformierte Pfarrer Hansruedi Vetsch zu bedenken. «Man wird uns an unserer Glaubwürdigkeit messen. Und diese geht uns noch vor dem Geld aus», warnte der Präsident der Stiftung Bruderklausen-Kapelle Frauenfeld. Zu Beginn der Veranstaltung hatte der Frauenfelder Pfarrer mit Bedauern festgestellt, dass heute zwar viele Menschen auf der Suche nach ihrer Mitte sind, diese aber nicht in den Kirchen fänden.

Die katholische Theologin Eva-Maria Faber und SEK-Ratspräsident Gottfried Locher | © Barbara Ludwig
2. April 2017 | 10:10
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