Organisation Kirche Schweiz

Rolf Weibel, in: The Encyclopedia of Christianity, vol. V, Grand Rapids 2007, 88–92.

1 Gesellschaft und Staat, Kultur und Religion

1.1 Die staatliche Ordnung

Die offizielle Bezeichnung als «Schweizerische Eidgenossenschaft (Confoederatio Helvetica [CH])» weist darauf hin, dass die Schweiz keine einheitliche Sprach- und Kulturgemeinschaft darstellt. Die Bundesverfassung hält fest, dass Deutsch, Französisch und Italienisch Amtssprachen der Eidgenossenschaft sind; 1938 trat das Rätoromanische als Nationalsprache hinzu. Die muttersprachlichen Anteile der 2000 7.288 Mio. zählenden Bevölkerung verteilen sich wie folgt:

63.7% deutsch, 20.4% französisch, 6.5% italienisch, 0.5% rätoromanisch und 9% andere.

Mit der Verfassung von 1848 wurde die Schweiz als erster europäischer Staat ein Bundesstaat; dieser zeichnet sich zudem durch eine ausgeprägt demokratische und föderative Ordnung aus, was sich auch auf die Ordnung des kirchlichen Lebens auswirkt. Zum einen haben die Stimm- und Wahlberechtigten in vielen Sachfragen, über die die Parlamente befinden, Initiativ- und Endentscheidungsrechte. Zum andern sind den Gliedstaaten, den Kantonen, und in ihnen den Gemeinden beachtliche Aufgabengebiete mit entsprechender Finanzautonomie zur eigenen freien Gestaltung überlassen.

Im Gefolge der Industrialisierung und der Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit im Bundesstaat begann nach der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Durchmischung der Bevölkerung, die die konfessionellen Grenzen, nicht aber die Grössenverhältnisse der Hauptkonfessionen zu verändern begann. So erklärte sich 2000 die überwiegende Mehrheit der schweizerischen Bevölkerung wie der Wohnbevölkerung überhaupt als einer der beiden Hauptkonfessionen zugehörig, nämlich protestantisch: 42.7% (Schweizer und Schweizerinnen) bzw. 35,3 % (Wohnbevölkerung) oder katholisch: 4.2% (Schweizer und Schweizerinnen) bzw. 41.8% (Wohnbevölkerung) gegenüber den übrigen 16.1% bzw. 22.9%. Diese übrigen Konfessions- und Religionsgruppen fallen zahlenmässig unterschiedlich ins Gewicht; auf die Wohnbevölkerung bezogen handelt es sich um 0.2% christkatholische, 0.2% jüdische, 1.8% ostchristliche, 1% andere Kirchen und Religionsgemeinschaften, 4.3% muslimische Gläubige sowie um 11.1% Konfessionslose und 4.3% ohne Angabe.

Zusammenhänge zwischen der Konfessionszugehörigkeit und anderen sozialen Merkmalen gibt es zunehmend weniger, zumal kulturelle Trennungslinien vielfach verschränkt sind. So gibt es zwischen der Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe und der Konfessionszugehörigkeit keinen systematischen Zusammenhang. Mit der Konfessionszugehörigkeit hat hingegen die wirtschaftliche Position des jeweiligen Kantons zu tun: Noch heute gehören die katholischen Kantone mehrheitlich zu den mittel bis schwach entwickelten und die reformierten zu den hoch entwickelten.

1.2 Die religiösen Verhältnisse

Dass die Schweiz durch zwei «konfessionelle Kulturen» geprägt wurde, ist indes immer weniger wirksam. So hat die religionssoziologische Untersuchung im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Kulturelle Vielfalt und nationale Identität» einerseits die synkretistische Ausrichtung und anderseits die Vielfalt religiöser Orientierungen zwischen exklusiver Christlichkeit und diffuser Religiosität in einer sich nach wie vor mehrheitlich als christlich bezeichnenden Bevölkerung nachweisen können. Die synkretistischen Formen und Inhalte zeitgenössischer Religiosität liessen sich selbst bei organisationstragenden Kirchenmitgliedern ausmachen. Bemerkenswert sind die quantifizierbaren Zusammenhänge zwischen religiöser Orientierung, konfessioneller Zugehörigkeit und Kirchgangshäufigkeit. Denn die Protestanten weisen einen dreifachen Anteil «exklusiver Christen» (10%) im Vergleich mit den Katholiken (3%) auf. Dementsprechend ist der Anteil von «allgemein-religiösen Christen» bei den Katholiken (34%) fast doppelt so hoch wie bei den Protestanten (18%). Dabei verdankt sich dieser Unterschied ausschliesslich den jeweiligen Sonntagskirchgängern; die religiöse Orientierung wird also vom Doppeleffekt der Kirchgangsgewohnheit und der konfessionellen Zugehörigkeit bestimmt. Anderseits nähern sich bei zunehmendem Abstand von den Kirchen die religiösen Orientierungen der Protestanten und Katholiken einander so an, dass von einer Verschiebung von konfessionellen zu religiösen Milieus gesprochen werden kann: Nicht mehr die Einbindung in konfessionell geprägte Milieus, sondern das Ausmass kirchlicher Verankerung, das heisst die Nähe und Distanz zu den Kirchen ist mit unterschiedlichen Einstellungsmustern, insbesondere ethischen und religiösen Überzeugungen verknüpft. Diese religiösen Milieus neigen zu einer soziokulturellen Abgrenzung (evangelikale Protestanten, katholikale Katholiken), während die Mehrheit einen pragmatischen Umgang mit Religion und Kirche pflegt.

1.3 Die staatskirchenrechtliche Ordnung

Das Verhältnis von Staat und Kirche ist dadurch gekennzeichnet, dass auf Bundesebene in erster Linie die individualrechtliche Seite der religiösen Freiheitsrechte geregelt wird, während die Ausgestaltung der institutionellen Beziehungen des Staates zu den Religionsgemeinschaften der Zuständigkeit der Kantone überlassen bleibt. So garantiert die Bundesverfassung vor allem die Glaubens- und Gewissensfreiheit einerseits und die Kultusfreiheit anderseits; diese religionsrechtlichen Verfassungsbestimmungen sollen der Aufrechterhaltung des religiösen Friedens dienen. In diesem Rahmen können die Kantone die Staatskirchenordnung in ihrem Gebiet in eigener Kompetenz ausgestalten. So kennen mit Ausnahme von Genf und Neuenburg alle Kantone öffentlich-rechtlich anerkannte Kirchen: in allen Kantonen die evangelisch-reformierte und die römisch-katholische, in einigen Kantonen zudem die christkatholische, weshalb diese drei Kirchen auch Landeskirchen genannt werden. In Genf sind die Kirchen, obwohl nicht juristische Personen des öffentlichen Rechts, gleichwohl öffentlich anerkannt; in Neuenburg sind sie Institutionen von öffentlichem Interesse.

Die kantonalen Staatskirchenordnungen insgesamt zeichnen sich einerseits dadurch aus, dass vor allem die beiden grossen Kirchen öffentlichrechtlich anerkannt sind, und diese Anerkennung anderseits historisch bedingt drei typische Formen gefunden hat: 1. Einst reformierte Kantone (Appenzell-Ausserrhoden, Basel-Landschaft, Bern, Schaffhausen, Waadt und Zürich), in denen eine relativ enge Verbindung zwischen Kirche und Staat besteht; 2. einst katholische Kantone (Appenzell-Innerrhoden, Freiburg, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Solothurn, Schwyz, Tessin, Uri, Wallis und Zug), in denen den Kirchen, namentlich der römisch-katholischen Kirche, weitgehende Autonomie belassen wird; zu dieser Gruppe gehören auch der 1978 konstituierte Kanton Jura sowie der Kanton Basel-Stadt, der bereits 1910 eine «hinkende Trennung» eingeführt hatte; 3. konfessionell paritätische Kantone (Aargau, Glarus, Graubünden, St. Gallen, Thurgau), in denen der Staat für die beiden grossen Kirchen analoge autonome Rahmenordnungen geschaffen hat.Die neuere Entwicklung zielt in konträre Richtungen: Einerseits gibt es Versuche, weitere Glaubensgemeinschaften öffentlich-rechtlich anzuerkennen (so sind in den Kantonen Basel-Stadt, Bern, Freiburg und St. Gallen die israelitischen Gemeinden den Kantonalkirchen gleichgestellt), anderseits werden von freidenkerischer und zunehmend auch von rechtskonservativer Seite Vorstösse für eine Entflechtung bzw. Trennung von Kirche und Staat unternommen (die letzte eidgenössische Volksinitiative für eine vollständige Trennung von Kirche und Staat wurde 1980 mit einer 78.9% Nein-Stimmen-Mehrheiten in allen Kantonen verworfen).

Die öffentlich-rechtliche Anerkennung einer Kirche bedeutet in jedem Kanton das Kirchen- oder Kultussteuerrecht der Kirchgemeinden (die «Trennungskantone» Neuenburg und Genf haben eine freiwillige Kirchensteuer, bei deren Erhebung der Staat indes administrativ behilflich ist), wobei in einer Mehrheit der Kantone auch die juristischen Personen steuerpflichtig sind. In den meisten Kantonen gibt es darüber hinaus unterschiedliche Verflechtungen zwischen Kirche und Staat wie finanzielle Leistungen (Kultusbudgets), staatlich verordnete Pfarrwahlrechte, Religionsunterricht an staatlichen Schulen, Seelsorge in staatlichen Einrichtungen (Armee, Spitäler), die landeskirchlich orientierten staatlichen Theologischen Fakultäten (evangelisch-reformierte Fakultäten haben die Universitäten Zürich, Basel, Bern, Lausanne sowie – mit Sondervereinbarungen zwischen Kirche und Staat – die Universitäten der «Trennungskantone» Neuenburg und Genf; eine römisch-katholische Fakultät haben die Universitäten Freiburg und Luzern, während die Theologische Hochschule Chur und die Theologische Fakultät Lugano kirchliche Einrichtungen sind; die christkatholische Fakultät der Universität Bern bildet mit der evangelischen eine gemeinsame Fakultät).

2 Die Kirchen

2.1 Die römisch-katholische Kirche

Eine Besonderheit der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz ist die Verdoppelung des kirchenrechtlichen Systems durch das staatskirchenrechtliche System, aufgrund dessen die Mitglieder der Kirche zugleich Mitglieder der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft sind (1.3). Deren Kompetenz ist indes auf administrativ-finanzielle Belange beschränkt, so dass von der «Pfarrei» gesprochen wird, wenn es um das kirchliche Leben auf Gemeindeebene geht. Die öffentlich-rechtlichen kantonalen Körperschaften sind auf nationaler Ebene in der Römisch-katholischen Zentralkonferenz zusammengeschlossen. Die kirchlich-hierarchische Struktur hingegen besteht zum einen aus sechs unmittelbar Rom unterstellten Bistümern (Basel; Chur; St. Gallen; Lausanne, Genf und Freiburg; Sitten; Lugano) und zwei Gebietsabteien (Einsiedeln; St-Maurice), die in der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) zusammengeschlossen sind. Zur Behandlung von Belangen nur einer Sprachregion sind die entsprechenden Ordinarienkonferenzen zuständig. Sachfragen von schweizerischer Bedeutung lässt die SBK von ihren Kommissionen behandeln.

Der Katholizismus als Sozialgestalt der Kirche und insbesondere der Verbandskatholizismus befindet sich seit 1950/1960 in einem tiefgehenden Umbruch. Nicht gefährdet von diesem Umbruch sind die grossen Werke mit breiter Trägerschaft wie der Schweizerische Caritasverband (kantonale Caritasstellen und Caritas Schweiz) und das «Fastenopfer. Katholisches Hilfswerk Schweiz». Obwohl auch die Bestände der Ordensgemeinschaften abgenommen haben, nehmen sie immer noch einen wichtigen Platz in der Kirche ein. Auf nationaler Ebene kommen sie in der Konferenz der Vereinigungen der Orden und Säkularinstitute der Schweiz (KOVOSS/CORISS) zusammen. Der Verband der Männerorden, die Vereinigung der Höheren Ordensobern der Schweiz (VOS/USM) zählt 1 648 Mitglieder. Die Frauenorden sind in verschiedenen Verbänden organisiert; die Vereinigung der Ordensoberinnen der deutschsprachigen Schweiz und Liechtensteins (VONOS) umfasst 2 397 Mitglieder, die Vereinigung der Oberinnen kontemplativer Orden der deutschsprachigen Schweiz (VOKOS) in 38 Klöstern 578 Mitglieder, die Union des Supérieures Majeures de la Suisse Romande (USMSR) in 32 Kongregationen 850 Mitglieder, die Union des Contemplatives de Suisse Romande (UCSR) 12 Gemeinschaften und die Associazione delle Religiose Diocesi di Lugano (ARL) in 37 Gemeinschaften 526 Mitglieder. Die Arbeitsgemeinschaft der Säkularinstitute der Schweiz (AGSI) vertritt 330 Mitglieder.

2.2 Die evangelisch-reformierten Kirchen

Die evangelisch-reformierte Kirche in der Schweiz besteht aus den synodal verfassten Kantonalkirchen mit den Kirchgemeinden als den kleinsten sich selber verwaltenden Einheiten. Auch wenn sich das kirchliche Leben weitgehend in den Kirchgemeinden abspielt, ist der Schweizer Protestantismus weit mehr als die Summe der kirchgemeindlichen Tätigkeiten. Zu seiner Vielfalt tragen, abgesehen vom freikirchlichen Flügel, auch übergemeindliche freie Initiativen bei, zu seiner Wirksamkeit übergemeindliche Institutionen, Organisationen und Werke. Eine beschränkte Zusammenfassung dieser Vielfalt erfolgt im Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK), der die Aufgaben teils in eigenen Gremien, teils in mit ihm verbundenen Organisationen wahrnimmt. Das Parlament der 26 Mitgliedkirchen ist die Abgeordnetenversammlung, die sich zweimal jährlich versammelt; eigenständige Fachbereiche bilden die Diakoniekonferenz und die Frauenkonferenz. Die von der Abgeordnetenversammlung gewählte Exekutive ist der Rat des SEK; ihm untersteht eine Geschäftsstelle. Die thematische Sachbearbeitung im Rahmen der Geschäftsstelle erfolgt in der Abteilung für Innenbeziehungen, der Abteilung für Aussenbeziehungen und dem Institut Theologie und Ethik. Seit 2004 sind das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS) und Brot für alle (BFA) Stiftungen. In diesen Werken wie auch in der Stiftung zur Förderung der Gemeindediakonie im SEK (fondia) haben Rat und Abgeordnetenversammlung die Funktion von Organen der Stiftung. Für Belange nur einer Sprachregion sind die entsprechenden Kirchenkonferenzen mit ihren eigenen Einrichtungen (wie beispielsweise die Liturgiekonferenz in der deutschsprachigen Schweiz) zuständig.

2.3 Die christkatholische Kirche

Die christkatholische Kirche der Schweiz ist ein Bistum mit 36 Kirchgemeinden; mit noch 13 312 Mitgliedern befindet sich die kleine «Landeskirche» in einer Diasporasituation. Mit ihrem ökumenischen und diakonischen Engagement schliesst sie sich indes keineswegs ab.

2.4 Die Frei- und Minderheitenkirchen

Dem freikirchlichen Raum dürfen wohl gut 6% des Schweizer Protestantismus zugerechnet werden. Dazu gehören zum einen allianzorientierte Mitglieder der Landeskirchen, dazu zählen aber vor allem die Mitglieder von Freikirchen und Gemeinschaften. Die meisten neupietistischen, täuferischen und pfingstlerischen Freikirchen und Gemeinschaften sind im Verband evangelischer Freikirchen und Gemeinden der Schweiz (VFG) zusammengeschlossen; dieser Verband umfasst etwa 600 Versammlungen mit rund 150 000 Mitgliedern und Freunden. Die französischsprachigen Gemeinden und Werke sind in der «Fédération Romande d´Eglises et d´Oeuvres Evangeliques (FREOE)» zusammengeschlossen. Im freikirchlichen Raum bieten das Theologische Seminar Bienenberg (TSB) und das Theologisch-Diakonische Seminar Aarau (TDS) gemeinsam einen Studiengang auf Master-Ebene an; verliehen wird der «Master of Arts in Pastoral Ministries» von der University of Wales (UK). Neben zahlreichen evangelikal ausgerichteten Ausbildungsstätten ist diesem Raum auch die eher fundamentalistisch geprägte Staatsunabhängige Theologische Hochschule Basel (STH) zuzurechnen.

2.5 Die orthodoxen Kirchen

Die erste orthodoxe Gemeinde wurde von Russen 1816 in Bern gegründet. Bis zum Ersten Weltkrieg gab es aber nur wenige orthodoxe Gläubige, meist Diplomaten, Kaufleute, Emigranten und Kurgäste. Verschiedene Verfolgungen (Armenien, Russland) brachten eine erste Zunahme mit sich; den zahlenmässig grössten Anstieg erlebte die Orthodoxie durch die Einwanderung von Fremdarbeitern, nach 1960 namentlich aus Jugoslawien. Heute leben in der Schweiz 131 851 orthodoxe Christen und Christinnen. 1966 wurde das orthodoxe Zentrum des Ökumenischen Patriarchates in Chambésy bei Genf gegründet; 1982 erfolgte die Gründung der Metropolie des Ökumenischen Patriarchates für die Schweiz. Griechische orthodoxe Kirchengemeinden bestehen heute in fast allen Grossstädten der Schweiz. Die orthodoxen Serben bilden zahlenmässig die grösste orthodoxe Kirchengemeinschaft der Schweiz. Gemeinden gebildet haben ferner die rumänisch-orthodoxe, koptische und apostolisch-armenische Kirche.

3 Ökumene

In die ökumenische Bewegung eingetreten ist die evangelisch-reformierte Kirche, nachdem 1920 aus der Kirchenkonferenz der Kantonalkirchen der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) mit dem Auftrag, die internationalen Beziehungen des Schweizer Protestantismus wahrzunehmen, entstanden war.

Obgleich Vertreter schweizerischer Kirchen bereits bei der Gründung des Reformierten Weltbundes (RWB) 1875 in London teilgenommen hatten, wurden sie erst 1925 als SEK in den RWB aufgenommen. Nachdem sich einzelne Theologen an den Vorbereitungsarbeiten zur Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) beteiligt hatten, beschloss der SEK 1940 unter Vorbehalt, dem zu gründenden ÖRK beizutreten. Heute ist der SEK Mitglied weiterer internationaler konfessioneller und ökumenischer Organisationen (wie Leuenberger Konkordie [Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa], Konferenz Europäischer Kirchen [KEK], Europäische Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft, Weltbund für christliche Kommunikation). Im Gefolge der ökumenischen Öffnung der römisch-katholischen Kirche erhielt auch die Ökumene in der Schweiz eine grosse Bedeutung. 1965 setzten der SEK einerseits und die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) anderseits eine gemeinsame Kommission ein (Evangelisch/Römisch-katholische Gesprächskommission).

Die christkatholische Kirche der Schweiz hat sich, als Mitglied der Utrechter Union, von Anfang an ökumenisch verpflichtet; sie wurde deshalb fast selbstverständlich Mitglied des ÖRK und der KEK. Ihre Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche entspannten sich allerdings erst im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils. 1965 setzten der Bischof und der Synodalrat einerseits und die Schweizer Bischofskonferenz anderseits eine gemeinsame Kommission ein (Christkatholisch/Römisch-katholische Gesprächskommission).Der Schwerpunkt der ökumenischen Beziehungen der römisch-katholischen Kirche liegt naturgemäss innerhalb der Schweiz, auch wenn die SBK über den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) in Beziehung auch zur KEK steht. Sie institutionalisierte im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils ihre Beziehungen zum SEK und zur christ-katholischen Kirche (Gesprächskommissionen und gemeinsame Arbeitsgruppen).

Die drei Landeskirchen haben sich 1971 zudem mit Frei- und Minderheitenkirchen zur Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK) zusammengeschlossen; freikirchliche Gründungsmitglieder sind die Evangelisch-Methodistische Kirche, der Bund der Baptistengemeinden und die Heilsarmee; 1973 wurde der Bund evangelisch-lutherischer Gemeinden aufgenommen. Weil die orthodoxen Kirchen in dieser Arbeitsgemeinschaft nicht beteiligt sind, haben die SBK und der SEK je eine mit orthodoxen Vertretern gemeinsame Gesprächskommission eingerichtet (Orthodox/Römisch-katholische und Evangelisch/orthodoxe Gesprächskommission).

Der innerevangelischen Ökumene dienen die regelmässigen Treffen des SEK mit dem Verband evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz (VFG), der Fédération romande d´Eglises et oeuvres évangéliques (FREOE) und der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA).

4 Sondergruppen mit christlichen Beständen

Von den zahlreichen, aber nicht mitgliederstarken religiösen Sondergruppen mit christlichen Beständen sind besonders Zeugen Jehovas und die Mormonen («Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage») zu erwähnen, die 1955 in Zollikofen (Kt. Bern) den ersten Tempel auf europäischem Boden errichtet hatten.

5 Nichtchristliche Religionen

5.1 Judentum

Etwa drei Viertel der 17 914 Juden und Jüdinnen in der Schweiz gehören einer der 24 Religionsgemeinden an. Von diesen sind 18 im gesamtschweizerischen Dachverband der jüdischen Gemeinden, dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) zusammengeschlossen. Die grössten jüdischen Gemeinden befinden sich in Zürich, Genf und Basel. In einigen Kantonen, so in Basel-Stadt, Bern, Freiburg und St. Gallen, sind die jüdischen Gemeinden den Landeskirchen gleichgestellt. In anderen Kantonen sind sie Vereine, streben jedoch eine Gleichstellung an. In Kriens bei Luzern befindet sich die Schweizerische Talmudhochschule (Jeschiwah). Mit den grossen christlichen Kirchen ist der Schweizerische Israelitische Gemeindebund über Gesprächskommissionen verbunden (Evangelisch/Jüdische Arbeitsgruppe, Jüdisch/Römisch-katholische Gesprächskommission).

5.2 Islam

Die Zahl der in der Schweiz lebenden Muslime hat mit der Einwanderung jugoslawischer und türkischer Gastarbeiter und dem Zustrom von Asylsuchenden aus verschiedenen Ländern bis 2000 auf 310 807 zugenommen; 36 481 Muslime und Musliminnen besitzen die schweizerische Staatsbürgerschaft (infolge Einbürgerungen, Heirat oder Konversion). 56% stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien (Kosovo-Albaner und Bosnier), 20% stammen aus der Türkei, 4% aus den Maghreb-Staaten, 3% aus dem Libanon, 15% aus Schwarzafrika und Asien. Neben der sunnitischen Mehrheit (75%) leben in der Schweiz rund 12 000 Schiiten, vorwiegend iranischer Herkunft. Hinzu kommen türkische Aleviten (10 bis 15%). Organisiert war dieser vielfältige Islam nach eigenen Angaben im Jahr 2005 in rund fünfzig Vereinen (darunter auch Jugend- und Frauenzentren und karitative Vereine) sowie rund 130 Kulturzentren und Gebetsstätten (26 arabischen, 49 albanischen, 21 bosnischen und 31 türkischen). Miteinander verbunden sind diese Vereine jedoch nur teilweise und nur regional. Selbst die beiden Grossverbände, die sich als schweizerisch bezeichnen, die 1994 gegründete «Liga der Muslime der Schweiz» und die ebenfalls 1994 gegründeten Dienstleistungsorganisation «Muslime, Musliminnen in der Schweiz» sind keine umfassenden Dachverbände; neben ihnen gibt es weitere sprach- und kulturübergreifende Dachverbände.

5.3 Hinduismus, Buddhismus und Sikhismus

Die Anzahl von Hindus in der Schweiz beläuft sich auf etwa 38 000 Personen; neun von zehn sind ausländischer Herkunft. 2005 gab es 17 hindu-tamilische Tempel. Vier Fünftel der etwa 20 000 bis 25 000 Buddhisten und Buddhistinnen in der Schweiz sind Flüchtlinge und Zuwanderer aus Ländern Asiens. Ende der 1990er Jahren existierten etwas mehr als 100 buddhistische Gruppen, Zentren, Tagungshäuser und Klöster; eigens genannt werden muss das tibetisch-buddhistische Kloster in Rikon (Kt. Zürich). Die Zahl der in der Schweiz lebenden Sikh wird auf über 500 geschätzt.

5.4 Weitere religiöse und weltanschauliche Vereinigungen

Ein knapper Überblick über die weiteren zumeist kleinen religiösen Vereinigungen und Weltanschauungsgemeinschaften ist angesichts ihrer grossen Zahl nicht möglich.

6. August 2014 | 12:12
Lesezeit: ca. 10 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!