Treibende Kraft internationaler Vernetzung katholischer Frauen: Chantal Götz.
Kommentar

«Zynisch und widersprüchlich»: Chantal Götz kritisiert Pseudo-Gleichstellungspolitik des Vatikans

Die katholische Kirche diskriminiert Frauen. Auf diplomatischem Parkett gibt der Heilige Stuhl aber vor, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern. Das geht nicht, findet Chantal Götz. Ein Gastkommentar.

Chantal Götz*

Ich kann es nicht genug betonen, dass die Menschenrechte nicht losgelöst von unserem religiösen Leben stattfinden dürfen. Am 10. Dezember 2021 forderten katholische Frauen den Beitritt des Heiligen Stuhls zum Europarat und die Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention, denn: «Seit Jahren tritt der Hl. Stuhl wie ein eigener Staat auf. Daraus ergeben sich Rechte, aber auch Pflichten.» 

Zynisch und widersprüchlich

Aber der Heilige Stuhl will seinen Pflichten nicht nachkommen. Und was sehr auffällig ist: Andere Staaten und wichtige NGOs wie die OSZE hinterfragen weder den rechtlichen Status des Vatikans noch seine Beratungs- und Lobbytätigkeit. Warum beispielsweise fragt OSZE-Generalsekretärin Helga Schmid nicht nach dem Vatikan-Aktionsplan zur Gleichstellungsförderung?

Es mutet zynisch und widersprüchlich an, wenn ein männlicher Vatikandiplomat sagt: «Der Heilige Stuhl unterstützt den Grundsatz, dass die volle und tatsächliche Gleichberechtigung von Männern und Frauen ein grundlegender Aspekt einer gerechten und demokratischen Gesellschaft ist.» 

Priester missbrauchen Frauen und Ordensfrauen

Denn in seiner eigenen Institution werden alle Entscheidungen nur von männlichen klerikalen 0.01% aller Katholikinnen und Katholiken getroffen. Und die Betonung liegt auf «Grundsatz». Denn so kann sich der Vatikan wieder rechtfertigen, warum er die Istanbul-Konvention, die ihm ein Dorn im Auge ist, nicht aktiv unterstützt. 

Der Hinweis, dass der Heilige Stuhl insbesondere die Bemühungen würdige, die die Gewalt gegen Frauen und Mädchen bekämpften, ist vor dem Hintergrund der massiven Gewalt und des Missbrauchs an Frauen und Ordensfrauen durch Kirchenangehörige mehr als zynisch. Immer noch werden Priester zu Komplizen von Frauenschlägern und Vergewaltigern, wenn sie Frauen dazu auffordern, die Gewalt, die ihnen angetan wird, als «Prüfung» anzusehen und Scheidung als einen verdammenswürdigen Akt einstufen. 

Weiblicher Genius? Das beleidigt meinen Intellekt!

Und dann doppelt der Diplomat noch nach: «Frauen müssten wegen der Fähigkeiten geschätzt werden, die sich aus ihrem weiblichen Genius ergeben, der für die Gesellschaft wesentlich ist». Es beleidigt meinen Intellekt, das hier nochmals zu kommentieren.

Dieses geschlossene Rollenverständnis ohne jede Durchlässigkeit: Frauen sind so und das soll gefälligst aufgewertet werden! Im 19. Jahrhundert wäre das eine super Erkenntnis gewesen. Heute wissen wir mehr. Menschen muss man nicht einsortieren, sondern sie selbst ihre Aufgaben und Berufungen wählen lassen.

Die Männer verursachen den Mist – die Frauen putzen auf

Aus eigener Erfahrung kann ich berichten: Wir haben versucht, gerade im Vatikan die Arbeitsplätze für Frauen besser zu gestalten – insbesondere um die doppelte Verantwortung für Familie und Beruf zu bewältigen. Doch bis heute stellt der Vatikan keine Kinderbetreuung zur Verfügung. Was die Sicherstellung der Chancengleichheit in der katholischen Kirche betrifft, darauf gehe ich nicht ein. Denn die ist bei Null.

Ausdrücklich, so der Vatikanvertreter, sei der Heilige Stuhl überzeugt, «dass es viel Raum für eine stärkere Beteiligung von Frauen gibt, vor allem im Hinblick auf die Verhütung von Kriegen, die Versöhnung, die Rehabilitation und den Wiederaufbau von Gesellschaften in Nachkriegssituationen und bei der Arbeit zur Vermeidung eines Rückfalls in bewaffnete Konflikte». Ja – das ist so ein spezieller männlicher Blickwinkel: die Männer verursachen den Mist, und die Frauen dürfen wieder aufputzen!

Nochmals: Ein Beitritt des Heiligen Stuhls zum Europarat wäre der richtige Schritt, der nun getan werden muss, damit auch die Menschenrechte in unserer eigenen Glaubensinstitution vollumfänglich Geltung haben und umgesetzt werden. Erst dann ist der Heilige Stuhl auch ein glaubhafter Partner in Gleichberechtigungsfragen.

* Die Liechtensteinerin Chantal Götz hat die Initiative «Voices of Faith» gegründet – laut Website eine «globale Plattform für katholische Frauen».


Treibende Kraft internationaler Vernetzung katholischer Frauen: Chantal Götz. | © zVg
25. Juli 2022 | 18:54
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!