«Zeit des Resolutionismus ist vorbei»

Österreichischer Pastoraltheologe Paul Zulehner zum Memorandum «Kirche 2011»

Wien, 8.2.11 (Kipa) Sind Kirchenreformen durch Forderungskataloge und Resolutionen erreichbar? Darin scheiden sich vor dem Hintergrund des letzte Woche veröffentlichten Memorandums «Kirche 2011 – ein notwendiger Aufbruch» die Geister. «Die Zeit des Resolutionismus ist vorbei», Reformpapiere wie das Memorandum «bringen nichts», meinte etwa Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner. Der Dogmatiker Franz Gruber dagegen sieht als einer der Unterzeichner den Text als Ausdruck von Sorge über eine drohende «Erosion» der Kirche.

Derzeit haben 208 Theologielehrende aus Deutschland, der Schweiz und Österreich das Memorandum unterschrieben. Im Memorandum aufgelisteten Forderungen nach einer Neudefinition kirchlicher Ämter, Mitbestimmung der Gläubigen und Respekt vor der Gewissensfreiheit in Bezug auf Lebensformen könne er vieles abgewinnen, sagte Zulehner im Gespräch mit Österreichs katholischer Nachrichtenagentur Kathpress. Doch die Methode halte er nicht für zielführend, betonte er. Tatsächliche Veränderungen in der Kirche seien nur durch Koalitionen von Bischöfen und durch das lehramtliche Nachvollziehen von in der seelsorglichen Praxis bereits vollzogenen Reformen möglich.

Vatikan sieht Resolutionen als Zeichen der Krise

Zulehner verwies hier auf die Integration von wiederverheirateten Geschiedenen in das sakramentale Leben. Die Bischöfe seien gut beraten, Reformanliegen und Reformschritte an der Basis nicht unbegleitet und unkontrolliert sich selbst zu überlassen. Ansonsten drohe die Kirchenleitung vom konkreten Leben der Pfarreien immer mehr «abgespalten» zu werden, verwies der Wiener Theologe auf entsprechende Erkenntnisse seiner «Pfarrer-Studie» aus dem Vorjahr.

Zulehner äusserte die Einschätzung, dass im Vatikan Reformresolutionen «als Zeichen der Krise und nicht als deren Lösung» betrachtet würden. Europa werde in Rom als vom Relativismus angekränkelte Weltregion gesehen, in der die «liberale» Kirche zum Absterben verurteilt sei.

«Nicht als Brüskierung gemeint»

Der Linzer Dogmatiker Gruber hat laut eigenen Worten das Memorandum deswegen unterzeichnet, weil er es für falsch halte, angesichts der aktuellen Kirchenkrise «durchtauchen» zu wollen. Die Krise müsse vielmehr als Anstoss genutzt werden, immer wieder vorgebrachte Reformanliegen in Angriff zu nehmen, meinte Gruber gegenüber Kathpress. Sein Kollege Zulehner könne durchaus damit Recht haben, dass das Memorandum «kirchenpolitisch unwirksam» bleibt; mit «Verstummen» oder gar der im Memorandum angesprochenen «Grabesruhe» wäre jedoch auch nichts gewonnen.

Angesichts der hohen Austrittszahlen müsse die Kirche rasch handeln, so der Linzer Theologe. Der Priestermangel bringe viele Gemeinden unter Druck, bei Ausbleiben von Änderungen bei den Zulassungsbedingungen zum kirchlichen Amt drohten weitere Einbrüche bei derzeit noch intakten Strukturen am Ort.

Dem Gegenargument, Reformen seien nur im Einklang mit der Weltkirche möglich, hält Gruber entgegen, dass manche Formen kirchlichen Lebens durchaus regional unterschiedlich lösbar wären, ohne die «katholische Identität» zu untergraben. Die Kirche des 21. Jahrhunderts werde pluraler sein müssen; diese Vielfalt gut zu «managen» stelle freilich hohe Ansprüche an die Kirchenleitung.

Aus der Unterzeichnung des Memorandums befürchtet Gruber keine beruflichen Nachteile. Dies würde kein gutes Licht auf die Meinungsfreiheit und auf den Umgang «mit der ehrlichen Sorge um die Kirche» werfen. Das Memorandum sei in keinem «negativen Ton» gehalten und sicher nicht als «Brüskierung» gemeint, greife es doch Anliegen breiter Kirchenkreise und auch mancher Bischöfe auf. «Ich hoffe, dass unser Appell gehört wird», betonte Gruber.

(kipa/w/job)

8. Februar 2011 | 16:40
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