Die beiden Väter Andrew (Ben Aldridge, li.) und Eric (Jonathan Groff) versuchen Töchterchen Wen (Kristen Cui) zu schützen.
Religion anders

Eine Regenbogenfamilie kämpft gegen die vier Reiter der Apokalypse

Die vier Reiter der Apokalypse verkörpern Pest, Krieg, Teuerung und Tod. Niemand kann ihnen entkommen. Der Film «Knock at the Cabin» greift dieses Motiv auf – mit einer Regenbogenfamilie im Endzeit-Kampf. Schwule Figuren sind im Mainstream angekommen, bieten aber auch eine homophobe Lesart: Sie müssen sterben, um die Welt zu retten.

Sarah Stutte

Das schwule Pärchen Andrew und Eric macht zusammen mit Wen, der siebenjährigen Adoptivtochter, Ferien in einer abgelegenen Blockhütte im Wald. Plötzlich tauchen vier Fremde auf der Terrasse auf, klopfen an die Tür und wollen – notfalls auch mit Gewalt – Zutritt zur Hütte.

Draussen droht etwas Schlimmes – Wen (Kristen Cui) ist beunruhigt.
Draussen droht etwas Schlimmes – Wen (Kristen Cui) ist beunruhigt.

Ausgerüstet sind sie mit allerlei bedrohlichen Werkzeugen. Andrew und Eric verschanzen sich zwar so gut es geht, doch sie können den Lehrer Leonard und seine Gefährten nicht davon abhalten, in die Hütte zu kommen. Ausser Leonard bilden eine Krankenschwester, eine Köchin und ein krimineller Rüpel die modernen vier Reiter der Apokalypse.

Ein Opfer für die Menschheit

Bald sitzen die beiden jungen Väter gefesselt auf ihren Stühlen und müssen sich anhören, was die Truppe zu sagen hat. Das ist folgenschwer und klingt unglaublich: Der Weltuntergang steht bevor und es hängt von Andrew und Eric ab, die Menschheit zu retten. Sie sollen entscheiden, wer von ihnen beiden sich opfert.

Weigern sie sich, überleben zwar beide zusammen mit Wen – doch wären sie dann ganz allein auf der Welt. Zuvor müssten sie quasi in der ersten Reihe das langsame Ende der Menschheit mitansehen. Nach und nach wird eine neue Plage freigesetzt, die kurz darauf auf der Erde wütet und unzählige Tote fordert.

Die vier Reiter

Spätestens ab diesem Zeitpunkt in «Knock at the Cabin», dem neuen Film von Hollywood-Regisseur Manoj Night Shyamalan, ist eines klar. Auch diese Geschichte hat, wie viele andere des Regisseurs, einen biblischen Hintergrund. Einerseits wird auf die Opfergeschichte von Abraham und Isaak angespielt, andererseits noch stärker auf die Apokalypse.

Die vier Reiter der Apokalypse (v.li.): Adriane (Abby Quinn), Sabrina (Nikki Amuka-Bird), Leonard (Dave Bautista) und Redmond/Rory (Rupert Grint).
Die vier Reiter der Apokalypse (v.li.): Adriane (Abby Quinn), Sabrina (Nikki Amuka-Bird), Leonard (Dave Bautista) und Redmond/Rory (Rupert Grint).

Die vier unterschiedlichen Charaktere, ganz normale Menschen aus dem Volk, sind eine moderne Version der vier apokalyptischen Reiter aus der Offenbarung des Johannes. In der biblischen Geschichte des Neuen Testaments berichtet der Seher Johannes von einer Vision, die er von Gott empfangen hat. Darin wird Johannes in den Himmel beordert und sieht, wie Gott sieben Siegel einer Buchrolle öffnet.

Das Böse vernichten

Das Öffnen der ersten vier Siegel wird durch das Auftreten der vier apokalyptischen Reiter begleitet, die Tod und Verderben mit sich bringen. Das Öffnen der letzten drei Siegel löst weitere Ereignisse aus wie Erdbeben, einen blutroten Mond und Sterne, die vom Himmel fallen. Zuletzt gipfelt alles im Jüngsten Gericht. Das Böse auf der Welt wird vernichtet und Platz für ein neues, besseres Universum geschaffen.

«Vier Reiter der Apokalypse», Rückseite der St. Ägidikirche in Bad Reichenhall, Georg Gschwendtner, 1964
«Vier Reiter der Apokalypse», Rückseite der St. Ägidikirche in Bad Reichenhall, Georg Gschwendtner, 1964

Dahinter steckt die Botschaft, dass nichts auf der Erde gegen Gottes Willen geschieht und die Menschen selbst Schuld tragen an ihrem destruktiven Verhalten. Die Reiter personifizieren dabei die irdischen Mächte, die das Leben der Menschen bedrohen. Dabei symbolisiert jeder Reiter eine andere Bedrohung, was durch die Farbe seines Pferdes und eines Gegenstands verdeutlicht wird, den er bei sich trägt.

Der Tod kommt zuletzt

Das Pferd des ersten Reiters ist weiss und sein Bogen und eine Krone stehen für Kampf und Sieg. Der zweite Reiter auf einem feuerroten Pferd ist mit einem Schwert ausgerüstet – ein Symbol für Krieg und Gewalt. Der dritte Reiter auf einem schwarzen Pferd hält eine Waage und stellt die Hungersnot dar. Der vierte Reiter schliesslich ist der Tod persönlich, der auf einem fahlen Pferd sitzt.

Papa Eric (Jonathan Groff) legt sich mit Leonard (Dave Bautista) an.
Papa Eric (Jonathan Groff) legt sich mit Leonard (Dave Bautista) an.

In M. Night Shyamalans Film, der auf der Romanvorlage des amerikanischen Autors Paul Tremblay beruht, sind die Reiter ohne Pferde unterwegs und an ihren Gerätschaften ist nur schwer auszumachen, wer genau für was steht. Das wird erst sehr spät im Film erklärt. Zudem erscheint es einigermassen willkürlich, warum gerade diese vier zu den Vorboten des Weltuntergangs auserkoren wurden.

Warum die Welt retten?

Dasselbe gilt für das Paar. Auf den ersten Blick ist es interessant, zwei schwulen Vätern die Bürde dieser Entscheidung aufzuerlegen. Warum sollten gerade sie alle anderen retten, wenn ihre Lebensweise in Teilen dieser Welt nach wie vor nicht akzeptiert wird? Vor allem wenn in Aussicht gestellt wird, dass beide Väter sowie die Tochter überleben könnten?

Perfekte Familie – Andrew (Ben Aldridge, li.) und Eric (Jonathan Groff) mit ihrem Töchterchen. Screenshot Trailer.
Perfekte Familie – Andrew (Ben Aldridge, li.) und Eric (Jonathan Groff) mit ihrem Töchterchen. Screenshot Trailer.

Diesen Konflikt reisst der Film kurz an, führt den Gedanken aber nicht zu Ende und so verpufft die Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung. Das ist umso bedauerlicher, da die beiden schwulen Hauptfiguren tatsächlich lange Zeit glauben, dass sie für ihre Homosexualität bestraft werden – von irgendwelchen religiösen Spinnern in ihrer Hütte oder letztlich von Gott selbst.

Abstürzende Flugzeuge

Shyamalans zu schwammige Kritik an gesellschaftlichen Normen führt leider dazu, dass die Geschichte sowohl als liberal wie auch als konservativ-christliches Gleichnis gelesen werden kann: Um die «wahren» Familien auf der Welt zu retten, müssen die Homosexuellen sich opfern – das wird quasi von den Sündern erwartet.

Die Apokalypse wird live übertragen – sogar in die Hütte. Screenshot Trailer.
Die Apokalypse wird live übertragen – sogar in die Hütte. Screenshot Trailer.

Und so ist in «Knock at the Cabin» die Apokalypse live im Fernsehen zu sehen, denn irgendwie müssen sowohl Andrew und Eric wie auch die Zuschauerinnen und Zuschauer vom Ernst der Lage überzeugt werden. Tsunamis und meterhohe Flutwellen verwüsten verschiedene Orte und Städte und löschen jedes Leben dort aus. Eine Virusplage folgt und Flugzeuge stürzen alsbald massenweise vom Himmel.

America First

Bis auf ein paar wenige Ausnahmen passiert das alles auf amerikanischem Boden, was nicht weiter verwunderlich ist. Denn gerade bei Apokalypse-Filmen aus den USA herrscht eine eingeschränkte Weltsicht, man denke nur an «Armageddon» oder «Independence Day». Die Bedrohung kommt von aussen und in beiden Filmen zerstören die amerikanischen Helden den Fremdkörper, der die Erde gefährdet. 

Liebendes Paar: Eric (Jonathan Groff) und Andrew (Ben Aldridge) müssen sich entscheiden. Screenshot Trailer.
Liebendes Paar: Eric (Jonathan Groff) und Andrew (Ben Aldridge) müssen sich entscheiden. Screenshot Trailer.

Eine Auseinandersetzung mit dem eigenen menschlichen Fehlverhalten, das zur Katastrophe führte, gibt es kaum. Das ist bei Shyamalan anders. Auch deshalb fordern in seiner apokalyptischen Vision die Vorboten des Jüngsten Gerichts ein einzelnes Opfer zum Wohle des grossen Ganzen: jemanden, der nicht nach Heldentum strebt und deshalb leichtfertig sein Leben opfert, sondern jemanden, der zumindest kurzzeitig hadert.

Die Welt bleibt, wie sie ist

Der Film zieht seine Spannung deshalb vor allem aus der Prämisse, wie die Entscheidung letztendlich ausfallen wird und ob das Ganze wirklich stimmt oder nur ein ganz schlechter Scherz ist. Das wird im Buch noch mehr in der Schwebe gehalten als im Film, der ein anderes, weniger düsteres Ende vorzieht.

Am Ende fehlt «Knock at the Cabin» der Mut, uns die ganze Tragweite unseres Handelns in all seiner Brutalität vor Augen zu führen. Trotzdem regt das Gesehene zur Auseinandersetzung darüber an, inwiefern wir alle in Bezug auf unser christliches Miteinander inkonsequent sind und im Sinne des Schöpfungsgedankens von den gegebenen Strukturen profitieren – und deshalb nichts ändern wollen.

Der US-amerikanische Film «Knock at the Cabin» läuft derzeit im Kino. Regie: M. Night Shyamalan. Mit Ben Aldridge, Jonathan Groff, Kristen Cui; Verleih Universal Pictures International; Filmseite: Universal Pictures Switzerland.


Die beiden Väter Andrew (Ben Aldridge, li.) und Eric (Jonathan Groff) versuchen Töchterchen Wen (Kristen Cui) zu schützen. | © Universal Pictures International Switzerland
4. März 2023 | 05:00
Lesezeit: ca. 5 Min.
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