Aletschgletscher, Aufnahme aus dem Jahr 2021.
Schweiz

Wenn Gletscher weinen: Beunruhigende Klanginstallation in Luzerner Museum

Das Klima erwärmt sich zusehends. Die Gletscher schmelzen immer dramatischer dahin. Im Gletschergarten in Luzern kann man derzeit den Gletschern beim Schwitzen lauschen – in einer Klanginstallation. Ein eindrückliches und gleichzeitig trauriges Erlebnis.

Wolfgang Holz

Es tropft. Es gluckst. Es plätschert. Eigentlich fläzt man gerade lässig-bequem in einem der Sitzsäcke in dem abgedunkelten Raum des Gletschergartens in Luzern. Die Wassergeräusche wirken teils meditativ-beruhigend, teils erfrischend. Wie kühles Mineralwasser, das erquickend im Glas perlt.

Glaziales Requiem

Dabei ist es eigentlich höchst beunruhigend, was einem da als Klänge ins Ohr rauscht. Denn im Grund handelt es sich um ein Requiem dreier Schweizer Gletscher, denen es angesichts der Klimaerwärmung zu heiss geworden ist, und die immer mehr an glazialer Substanz verlieren.

Künstlerin Diana Lelonek
Künstlerin Diana Lelonek

Das Luzerner Museum Gletschergarten lässt Besucherinnen und Besucher im Rahmen einer Kunstinstallation eindrücklich miterleben, wie es sich anhört, wenn Gletscher dahinschmelzen. Der Gletschergarten zeigt noch bis zum 8. September zwei Kunstprojekte – unter anderem eine immersive Klanginstallation der polnischen Künstlerin Diana Lelonek und des deutschen Klang- und Medienkünstlers Demin Szram.

Wie ein Wasserhahn

Wobei die Polin die originalen Gletscherschmelzgeräusche zuerst per Tonband aufgenommen hat, und der Deutsche die Klänge dann auf dem Computer zu einem 15-minütigen Gletscher-Opus bearbeitet hat.

Das Resultat ist ein beeindruckendes Klangerlebnis, welches ins Traurig-Dramatische kippt – wenn man feststellen muss, dass diese Gletscherschmelze stellenweise wie ein Wasserhahn klingt, aus dem das Nass literweise zu sprudeln scheint. Fast eine Art Sintflut der mysteriösen, untergründigen Art (siehe obiges Audio).

Künstler Demin Szram
Künstler Demin Szram

Die Gletscher verschwinden und damit die Natur- und Kulturlandschaft der Schweiz. Die Ausstellung «Schau, wie der Gletscher schwindet» will die Besorgnis über diese Veränderung aufnehmen, wie es in einer Pressemitteilung heisst. «Sie setzt auf die Kraft der Kunst, den Wandel zu benennen und sichtbar zu machen.»

Von Genf bis ins Graubünden und vom Wallis bis nach Zürich unterstützen zahlreiche Museen und Kulturinstitutionen das Ereignis. Während das Eis schmilzt und sich Horizonte auflösen, errichten Künstlerinnen und Künstler ihre Werke, auch bis ins Herz der Gletscher.

Museum als Reflexionsort fürs Klima

Der Sandstein-Pavillon des Gletschergartens mutiert für die Besucherinnen und Besucher auf diese Weise zu einem individuell erfahrbaren Reflexionsort und ermöglicht einen akustischen Ausflug zu drei schmelzenden Gletschern der Schweizer Alpen: dem Rhonegletscher, dem Aletschgletscher und dem Morteratschgletscher.

Aktion für das Klimagesetz von Fastenaktion am Morteratschgletscher
Aktion für das Klimagesetz von Fastenaktion am Morteratschgletscher

Der Umweltschutz und der Schutz der Schöpfung ist bekanntlich durch Papst Franziskus thematisch auch zu einem katholischen «Hotspot» erster Güte geworden.

Der Papst und das Klima

Seine zweite Enzyklika «Laudato si’» (»Gelobt seist du») von 2015 befasst sich bekanntlich schwerpunktmässig mit dem Themenbereich Umwelt- und Klimaschutz und setzt zudem Zeichen im Hinblick auf bestehende soziale Ungerechtigkeiten und auf die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen. In den internationalen Medien wurde die Enzyklika vielfach als Aufruf zu einem weltweiten Umdenken und als Wendemarke in der Kirchengeschichte bezeichnet.

Das Kath.ch-Video zum Thema

In seiner Enzyklika ruft Papst Franziskus zu einem fundamentalen Umdenken im Umgang mit der Schöpfung und ihren Ressourcen auf. Er weist zudem darauf hin, dass die Verminderung der Umweltverschmutzung und die Bekämpfung von Armut zusammengehören.

Alpengletscher dramatisch geschmolzen

In den Alpen ist die Verwundbarkeit der Natur infolge der Klimaerwärmung vor allem anhand der Gletscherschmelze zu beobachten. Denn die Gletscher in den Alpen sind in den letzten Jahren teils dramatisch geschmolzen.

«Jeder Gletscher hat einen anderen Klang.»

Diana Lelonek, Künstlerin

Das Schweizer Gletschermessnetz Glamos etwa veröffentlicht jedes Jahr Ende September oder Anfang Oktober die Bilanz des Gletscherjahrs. Allein in den vergangenen zwei Jahren sind zehn Prozent des Schweizer Gletschervolumens verschwunden – so viel wie zwischen 1960 und 1990. Wie im vergangenen Jahr haben auch 2023 viele kleine Gletscher vollständig aufgehört zu existieren, zum Beispiel der St. Annafirn im Kanton Uri.

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Gletscher sind nicht nur wichtig für den Wasserhaushalt der Schweiz. Das Verschwinden der grossen Alpengletscher hat auch noch viel weitreichendere Auswirkungen, bis in die Nachbarländer.

Rhein und Rhone werden immer niedriger

Denn sowohl der Rhein als auch die Rhone speisen sich zum Teil aus Gletschern. Das sorgt dafür, dass die Pegel der Flüsse auch bei wenig Niederschlag ein gewisses Niveau halten. Im Rhein wird, wie eine Studie gezeigt hat, im Jahr 2100 so gut wie kein Gletscherwasser mehr fliessen. Der Pegel wird deshalb in den kommenden Jahrzehnten immer häufiger extrem niedrig sein, vor allem im Sommer.

Gletschersterben in der Schweiz.
Gletschersterben in der Schweiz.

Diana Lelonek betont im Gletschergarten Luzern ebenfalls den Klang der schmelzenden Gletscher als grosse Metapher für den Klimawandel. Sagts und versichert gegenüber der «Luzerner Zeitung»: «Jeder Gletscher hat einen anderen Klang.»

*Mehr Infos unter: www.gletschergarten.ch


Aletschgletscher, Aufnahme aus dem Jahr 2021. | © Sylvia Stam
21. Mai 2024 | 15:00
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