Blick auf die Stadt Freiburg im Breisgau mit dem Münster: Hier könnte es im Winter bitterkalt werden bei Gottesdiensten.
Schweiz

Wenn die Kirche zum Kühlschrank wird: 10 Grad Celsius in deutschen Gotteshäusern

Das deutsche Erzbistum Freiburg empfiehlt Kirchgemeinden, Energie zu sparen. Das bedeutet im Winter: Gotteshäuser mit 10 Grad Celsius. Die Schweizer Fachstelle «oeku – Kirchen für die Umwelt» findet diese Entscheidung vernünftig. Gehen wir künftig in Strumpfhosen und mit Wolldecken in die Kirche?

Wolfgang Holz

Die Erzdiözese Freiburg hat auf die aktuelle Energiekrise reagiert und möchte Kirchgemeinden mit Blick auf die kalte Jahreszeit den Rücken stärken. «Für uns ist es als katholische Kirche wichtig, damit ein Zeichen der Solidarität in die Gesellschaft hineinzusetzen», sagt Generalvikar Christoph Neubrand.

Bibbern beim Beten

Konkret empfiehlt die Diözesanstelle für Schöpfung und Umwelt, den Energieverbrauch langfristig zu senken. So soll im Winter 2022/23 die Raumtemperatur in einer Kirche 10 Grad Celsius während der Nutzung nicht übersteigen.

«In der aktuellen Lage mit knapper werdenden Kirchenfinanzen und horrend gestiegenen Energiepreisen ist das eine sehr vernünftige Entscheidung.»

Klaus Zaugg-Ott, oeku Kirchen für die Umwelt, Schweiz

Müssen Gläubige bei 10 Grad Celsius in Deutschland also künftig beim Beten bibbern, wenn der Gottesdienst zum Kühlschrank wird?

«In der aktuellen Lage mit knapper werdenden Kirchenfinanzen und horrend gestiegenen Energiepreisen ist das eine sehr vernünftige Entscheidung», findet Klaus Zaugg-Ott. Der Theologe ist Leiter der Schweizer Fachstelle «oeku – Kirchen für die Umwelt».

Bis zu 100’000 Franken Heizkosten

10 Grad sei im Grunde die empfohlene Absenktemperatur, wenn keine Veranstaltungen in der Kirche stattfinden. «Für die Kirchenheizung geben Kirchgemeinden jährlich zwischen 5000 und 40’000 Franken aus – zu normalen Zeiten. Für grosse Stadtkirchen können es auch 100’000 Franken sein», sagt Zaugg-Ott. Die aktuellen Preissteigerungen könnten schlicht das vorhandene Budget sprengen. «Schon jetzt wird für Gas rund die Hälfte mehr bezahlt als letztes Jahr. Und die Heizperiode hat noch gar nicht begonnen. Das ist schmerzhaft.»

«Warme Kleidung, vielleicht Strumpfhosen»

Doch ein 10-Grad-Gottesdienst könne «ziemlich unangenehm» werden und brauche eine Verhaltensumstellung, sagt Klaus Zaugg-Ott: «Warme Kleidung, vielleicht Strumpfhosen.» In der Kirche könnten auch Wolldecken bereitgelegt werden. «Vielen Menschen ist es das sicher wert, um in einem schönen, sakralen Raum Gottesdienst oder Messe feiern zu können.»

Die Klosterkirche Einsiedeln wird gar nicht beheizt.
Die Klosterkirche Einsiedeln wird gar nicht beheizt.

Als Beispiel nennt Klaus Zaugg-Ott die Klosterkirche in Einsiedeln an. «Die ist beispielsweise auch zu normalen Zeiten nicht geheizt und dennoch gut besucht.» Die Klosterkirche in Einsiedeln besuchen allerdings viele Pilgerinnen und Pilger und auswärtige Gläubige. Sie kommen also freiwillig zum Gottesdienst – um auch die barocke Pracht der Kirche zu geniessen.

Kommt dann überhaupt noch jemand zum Gottesdienst?

Dagegen könnte die Gefahr lauern, dass in normalen Pfarreien noch weniger Menschen in die Kirche kommen, wenn es dort 10 Grad Celsius kalt ist. Dabei sind die Kirchen schon jetzt oft leer genug.

«Sicher werden sich kälteempfindliche Menschen gut überlegen, ob sie so im Winter in den Gottesdienst gehen.»

Klaus Zaugg-Ott

«Sicher werden sich kälteempfindliche Menschen gut überlegen, ob sie so im Winter in den Gottesdienst gehen», räumt Klaus Zaugg-Ott ein. «Aber die Kirchgemeinden haben durchaus Möglichkeiten, darauf zu reagieren.» Zum einen könnten Eucharistiefeiern bewusst kurzgehalten werden. Eine halbe Stunde in einem kalten Raum sei womöglich noch erträglich, «aber nach eineinhalb Stunden ist man dann wohl wirklich unterkühlt.»

«Winterkirche» auf engem Raum

Zum andern haben Kirchgemeinden ja nicht nur Kirchen, so Zaugg-Ott. Sondern auch Kirchen- oder Pfarreizentren. Für die kalte Jahreszeit liesse sich dort seiner Meinung nach eine «Winterkirche» einrichten – in einem Raum, der nicht so aufwändig zu heizen sei wie eine grosse Kirche.

Winter in Rom.
Winter in Rom.

«In einem kleineren Raum zusammen zu feiern, kann ein positives Erlebnis sein und die Gemeinschaft fördern. Krisensituationen können Menschen wieder näher zusammenbringen», sagt Zaugg-Ott.

Und was ist mit Corona und Abstand halten?

Wenn da nicht Corona und andere Erkältungskrankheiten wären, die es besonders in der kalten Jahreszeit ratsam erscheinen lassen, eher Abstand voneinander zu halten, um sich nicht anzustecken. Gerade ältere Menschen gehören zu den Risikogruppen in Sachen Covid-19. Und es sind ja vor allem Seniorinnen und Senioren, die noch in die Gottesdienste gehen.

«Grundsätzlich empfehlen wir von oeku – Kirchen für die Umwelt eine Temperatur von maximal 16 bis 18 Grad Celsius für eine genutzte Kirche.»

Klaus Zaugg-Ott

Also nicht doch lieber ein bisschen einheizen, damit einem das Vaterunser nicht auf den Lippen gefriert? «Grundsätzlich empfehlen wir von oeku – Kirchen für die Umwelt eine Temperatur von maximal 16 bis 18 Grad Celsius für eine genutzte Kirche.» Für Gotteshäuser, die nicht genutzt werden, sei eine Temperatur von 10 bis 12 Grad ratsam. «Diese Empfehlungen sind allerdings nicht auf eine Krisensituation oder eine Mangellage zugeschnitten», betont Klaus Zaugg-Ott.

Heizung gut warten

Grundsätzlich rät die Fachstelle Kirchgemeinden, ihre Heizung gut zu warten. Und eine vollautomatische Steuerung einzubauen, um zum richtigen Zeitpunkt die passende Temperatur zu haben. «Ganz wichtig ist es auch, eine Energiebuchhaltung zu führen. So hat man im Blick, wie sich der Energieverbrauch im Lauf der Zeit entwickelt. Und auch die Wirksamkeit von Energiesparmassnahmen lässt sich so überprüfen.»


Blick auf die Stadt Freiburg im Breisgau mit dem Münster: Hier könnte es im Winter bitterkalt werden bei Gottesdiensten. | © Barbara Ludwig
16. September 2022 | 09:39
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!