Wendelin Bucheli
Namenstag

Wendelin Bucheli: «Als Kind hätte ich wohl Ritalin schlucken müssen»

Nach der Segnung eines lesbischen Paares in Uri wurde Pfarrer Wendelin Bucheli (68) schweizweit bekannt. Ein Gespräch über den Schutzpatron der Bauern, Bischof Joseph Bonnemain – und seinen Grossvater: «Er hatte grosse Freude an schönen Kühen und schönen Frauen.»

Raphael Rauch

Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag! Warum haben Sie Ihre Eltern Wendelin genannt?

Wendelin Bucheli*: Mein Grossvater mütterlicherseits hatte grosse Freude an schönen Kühen. Und auch an schönen Frauen. Als Grossbauer wurde ihm das erste zum Verhängnis und das zweite war herausfordernd für meine Grossmutter. Auf dem Sterbebett galten seine Gedanken und seine Sorgen dem Vieh auf meinem väterlichen Hof, wo er den Lebensabend verbrachte. Im Wissen um den nahen Tod bat er meine Eltern, eine Messe lesen zu lassen. Und zwar zum Heiligen Wendelin, dem Schutzheiligen für das Vieh. Das taten sie und als Nächstgeborener erhielt ich dann meinen Namen. 

Wendelin Bucheli, Pfarrer von Bürglen UR, mit dem Hirtenhemd, einem Geschenk seiner Pfarrei
Wendelin Bucheli, Pfarrer von Bürglen UR, mit dem Hirtenhemd, einem Geschenk seiner Pfarrei

Wie hätten Sie geheissen, wenn Sie ein Mädchen geworden wären?

Bucheli: Als Mädchen hätte ich Genoveva geheissen. Meine Mutter hat in einer Sorge ein Gelübde gemacht, dass sie einem Mädchen diesen Namen geben würde. Beim ersten wollte sie noch nicht diesen Namen geben und dann kamen nur noch Buben. Wir sind acht an der Zahl und ein Mädchen. 

«Im Urnerland bin ich mit meinem Namen ein Volltreffer.»

Gefällt Ihnen Ihr Name – und warum?

Bucheli: So ganz glücklich war ich nicht. Ich habe ihn halt angenommen. Die Geschichte hinter meinem Namen öffnete mir allerdings sehr interessante Gespräche. Auch die Auseinandersetzung mit dem historischen Wendelin machte mich zutiefst glücklich und froh. Und jetzt, hier im Urnerland, bin ich mit meinem Namen ein Volltreffer. 

Die Fotografin Elisabeth Real hat Wendelin Bucheli für ihr Buch "The Lesbian Lives Project" begleitet: lesbianlivesproject.com.
Die Fotografin Elisabeth Real hat Wendelin Bucheli für ihr Buch "The Lesbian Lives Project" begleitet: lesbianlivesproject.com.

Warum?

Bucheli: Der Name ist ein Gottesgeschenk. Der Heilige Wendelin, als Schutzpatron der Bauern, wird im Urner Betruf angefleht. In mindestens zwei Kapellen ist eine Statue meines Namenspatrons. Und wenn ich in den Bergen unterwegs bin um die Alpen zu segnen, dann fühle ich mich mit meinem Namen am richtigen Platz – so wie das Pünktchen auf dem I. 

Haben Sie einen Spitznamen?

Bucheli: Der Name ist halt lang. Daher nennen mich meine Brüder und viele hier im Urnerland schlicht «Wändu».

«Vermutlich leide ich unter ADHS.»

Wendelin heisst so viel wie «Vandale». Nicht gerade charmant, oder?

Bucheli: Auch die Bedeutung «Der Vandale» gefällt mir und gerne sage ich den Leuten, was mein Name bedeutet. Und jene, die mich aus der Jugendarbeit kennen, würden dem «Vandalen» zustimmen. Als Kind hätte ich wohl Ritalin schlucken müssen. Vermutlich leide ich unter ADHS. In mir sind viele auch wilde Gedanken. Neben der fehlenden Konzentration betrachte ich diese Hirnstellung jedoch als eine besondere Begabung. Sie erlaubt mir kreativ, innovativ und spontan zu wirken und auf mühsame Vorbereitungszeiten für Predigen zu verzichten. 

Sie stammen aus Freiburg i.Ü. und sind nun Pfarrer in Uri. Wird der Namenstag an beiden Orten unterschiedlich gefeiert?

Bucheli: In meiner Familie wurde der Namenstag mehr gefeiert als der Geburtstag. Doch diese Tradition ist erloschen. Als Pfarrer in Freiburg, in einer urbanen Gesellschaft, hatte der Name keine besondere Bedeutung, ausser für die Welschen. Für die war er ein Zungenbrecher. 

Pfarrer Wendelin Bucheli
Pfarrer Wendelin Bucheli

Sie wurden aufgrund einer lesbischen Hochzeit schweizweit bekannt. Gab es inzwischen eine weitere Anfrage für einen «Segen für alle» oder eine Trauung?

Bucheli: Es gab keine weiteren Anfragen. 

Wie macht sich der neue Bischof von Chur, Joseph Bonnemain?

Bucheli: Ich habe grossen Respekt vor ihm. Er hat ein sehr schwieriges Erbe angetreten. Mir scheint, dass er wirklich versöhnen und verbinden will. Möge es ihm gelingen.

* Wendelin Bucheli (68) ist Pfarrer von Bürglen UR. Die Segnung eines lesbischen Paares im Bistum Chur sorgte 2014 für Schlagzeilen. Damals musste Pfarrer Wendelin Bucheli Bischof Vitus Huonder versprechen, dass dies nicht wieder vorkomme. Seit Bischof Joseph Bonnemain im Amt ist, sagt Bucheli: «Wenn eine Anfrage kommt, dann sage ich zu.»


Wendelin Bucheli | © Raphael Rauch
20. Oktober 2022 | 08:38
Lesezeit: ca. 3 Min.
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