Ines Schaberger im St. Galler Klosterbezirk
Schweiz

Weltjugendtag in St. Gallen: «Ich habe viel Wut gespürt über schlechte Kirchenführung»

Ines Schaberger (28) hat am Weltjugendtag den Workshop «Ist die Kirche noch zu retten, Churching Now!» geleitet. Sie hat den Puls der Jugendlichen und jungen Erwachsenen gefühlt. Ein Stimmungsbild: «Viele sind frustriert, dass nach der Messe alle davonlaufen.»

Eva Meienberg

Sie haben den Workshop «Ist die Kirche noch zu retten, Churching now!» geleitet. Über welche Fragen haben Sie diskutiert?

Ines Schaberger*: «Warum bin ich noch katholisch?», «Sollen Frauen und Verheiratete zur Weihe zugelassen werden?», «Ist die Kirche noch zu retten?». Die Fragen wurden kontrovers, aber wohlwollend diskutiert.

Workshop am Quellentag der Junia-Initiative.
Workshop am Quellentag der Junia-Initiative.

Welche Meinungen wurden vertreten?

Schaberger: Ich habe viel Wut gespürt über schlechte Kirchenführung. Die Missbrauchsfälle in der Kirche kamen in den Diskussionen zur Sprache. Da herrscht grosses Unverständnis über den Umgang mit fehlbaren Priestern.

Wie wirkt sich das auf das persönliche Glaubensleben der Teilnehmenden aus?

Schaberger: Die einen halten an ihrem Glauben fest, aber stellen in Frage, ob sie noch Teil der Institution katholischen Kirche bleiben sollen. Andere möchten in der Kirche bleiben, weil sie persönlich positive Erfahrungen gemacht haben.

Jugendliche moderieren den Weltjugendtag in St. Gallen
Jugendliche moderieren den Weltjugendtag in St. Gallen

Gibt es einen Wunsch an die Kirche, den alle teilen?

Schaberger: Die meisten wünschen sich mehr Gemeinschaft in der Kirche, eine Kirche als Ort der Begegnung. Viele sind frustriert, dass nach der Messe alle davonlaufen. Dass es keinen Austausch gibt. Ich denke, dass junge Menschen mit einer konservativen Haltung in ihrem Alltag öfter die Erfahrung machen, allein zu sein. Daher kommt vermutlich der Wunsch nach mehr Gemeinschaft in der Kirche.

Ist Ihnen eine Teilnehmerin, ein Teilnehmer besonders aufgefallen?

Schaberger: Ein Ordensmann, etwa 60 Jahre alt, ist mir aufgefallen. Er hat den Weltjugendtag zum Anlass genommen, sich mit jungen Menschen auszutauschen. Denn in seinem Alltag komme er mit Jungen nicht in Kontakt. Er war begeistert von unseren Fragen, weil er sich diese auch stelle. Er hat ein Bündel Fragen mitgenommen, um sie mit seinen Ordensbrüdern zu diskutieren.

Adoray-Festival in Zug, 2020
Adoray-Festival in Zug, 2020

Nehmen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus dem Workshop am Pfarreileben teil?

Schaberger: Einige aus der Gruppe treffen sich bei Adoray. Einige sind kirchlich heimatlos. Zwei kommen aus einer Pfarrei, die ihren Pfarrer verloren hat. Sie wollten sich Ideen holen für ein gelingendes Gemeindeleben. Viele Junge suchen sich Alternativen zum klassischen Pfarreileben.

Was ist das Projekt «Churching Now!», das Sie vorgestellt haben?

Schaberger: Das Projekt will junge Erwachsene vernetzen und herausfinden, welche Bedürfnisse sie haben. Das Projekt will wegkommen von einer Angebotskirche, die etwas anbietet, das niemand möchte. «Churching Now!» will wissen, wie die jungen Erwachsenen sich Kirche vorstellen. Es gab ein erstes Netzwerktreffen, aus dem erste Projekte entstanden sind.

Elena Furrer spricht für die junge Generation. Raphael Kühne unterstreicht die Bedeutung des dualen Systems auch für die Zukunft der Kirche.
Elena Furrer spricht für die junge Generation. Raphael Kühne unterstreicht die Bedeutung des dualen Systems auch für die Zukunft der Kirche.

Sie betreuen am Weltjugendtag auch ein Glücksrad zum St. Galler Bistumsjubiläum. Führen Sie hier die gleichen Gespräche, wie wenn sie mit dem Glücksrad auf der Strasse stehen?

Schaberger: Nein, am Weltjungendtag sind die Gespräche anders, weil viele Jungen die Kirche nicht verändern möchten. Sie sind zufrieden, es fehlt ihnen einfach die Gemeinschaft.

* Ines Schaberger (28) ist Geschäftsführerin des St. Galler Bistumsjubiläums, Podcasterin von «Fadegrad» und Seelsorgerin in Gossau. Am Weltjugendtag in St. Gallen hat sie zusammen mit Elena Furrer, der Gründerin von «Churching», den Workshop «Ist die Kirche noch zu retten, Churching now!» geleitet. Mit «Churching» begibt sich das Bistum St. Gallen auf einen Zukunftsprozess.


Ines Schaberger im St. Galler Klosterbezirk | © Regula Pfeifer
25. April 2022 | 10:53
Lesezeit: ca. 2 Min.
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