Peter Hünermann (zweiter von rechts) mit Papst Benedikt XVI.
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Was Georg Gänswein über Benedikts Streit mit Peter Hünermann schreibt

Zwischen den Professoren Peter Hünermann und Joseph Ratzinger gibt es seit Jahrzehnten ein Zerwürfnis. Das hinderte den Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Bergoglio, nicht daran, Hünermann die Ehrendoktorwürde zu verliehen. Georg Gänswein wärmt in seinem Buch die alte Fehde auf. Was sagt Peter Hünermann dazu?

Magdalena Thiele

Erzbischof Georg Gänswein, persönlicher Sekretär von Benedikt XVI., beschreibt in seinem am Donnerstag erscheinenden Buch Zerwürfnisse in den vatikanischen Mauern. Ein Beispiel: der Tübinger Theologe Peter Hünermann.

Benedikt XVI. lehnte einen Beitrag ab – auch wegen Peter Hünermann

Gänswein springt zurück ins Jahr 2018: Der Vatikan wollte damals eine Reihe über das Lehramt von Papst Franziskus herausgeben – mit verschiedenen Autorinnen und Autoren. Über Georg Gänswein trat der damalige Leiter des Kommunikationsdikasteriums Dario Viganò an den emeritierten Papst heran und bat diesen, ein Vorwort zu schreiben.

Der Dogmatiker Peter Hünermann 2008 in Rottenburg.
Der Dogmatiker Peter Hünermann 2008 in Rottenburg.

Benedikt verweigerte ihm diesen Wunsch und liess schriftlich ausrichten: Aus Liebe zu Papst Franziskus würde er der Bitte Viganòs gerne nachkommen. Allerdings sehe er sich nicht in der Lage, alle Beiträge angemessen zu lesen. Es seien zu viele. Auch nahm Benedikt XVI. laut Georg Gänswein Anstoss am Namen Peter Hünermann: Es sei für den emeritierten Papst nicht möglich, zu diesem Namen zu schweigen. 

Hünermann ist mit Papst Franziskus verbunden

Deutlicher hätte Benedikt XVI. seine Abneigung gegenüber dem Tübinger Dogmatiker Peter Hünermann nicht ausdrücken können. Später versuchte Viganò, die letzte Passage aus Benedikts Brief zu verschweigen. Die Spannungen zwischen dem emeritierten und dem aktuellen Papst sollten nicht öffentlich diskutiert werden. Erst auf Drängen der Presse hin wurde die vollständige Version veröffentlicht.

Papst Franziskus (links) und sein emeritierter Vorgänger Benedikt XVI. im Jahr 2018.
Papst Franziskus (links) und sein emeritierter Vorgänger Benedikt XVI. im Jahr 2018.

Pikant: Papst Franziskus pflegt zum heute 93-jährigen Hünermann ein gutes Verhältnis. Als Erzbischof von Buenos Aires verlieh er dem Tübinger Professor einen Ehrendoktortitel und empfing ihn später als Papst persönlich in Rom.

Peter Hünermann sah Hans Küng kritisch

Peter Hünermann ist kein Revoluzzer. Weggefährten beschreiben ihn als frommen Intellektuellen. In vielen Punkten war Hünermann auf Linie mit Rom. Hünermann wurde 1982 auf den Lehrstuhl berufen, den Hans Küng verlassen musste. Später stimmte Hünermann in der Fakultät gegen eine Rehabilitierung Hans Küngs.

Hans Küng.
Hans Küng.

Trotzdem stand Vieles zwischen Hünermann und Ratzinger. Der Streit hat eine lange Vorgeschichte: «Im Jahr 1970 sind wir uns das erste Mal begegnet», erinnert sich Hünermann. Er war damals Dozent an der Uni Freiburg und sollte zum Professor ernannt werden: «Joseph Ratzinger wollte mich damals nach Augsburg holen, aber ich bin lieber nach Münster gegangen.»

«Jetzt sind Sie also Präsident der sozialistischen Internationale»

Nach dem Mauerfall wurde Hünermann erster Präsident der 1990 gegründeten Europäischen Gesellschaft für katholische Theologie. Das war zu viel für Joseph Ratzinger. 

Am Aschermittwoch 1991 zitierte Ratzinger seinen angeblichen Widersacher nach Rom und empfing ihn mit den Worten: «So, Herr Hünermann, jetzt sind Sie also Präsident der sozialistischen Internationale», erinnert sich der Angesprochene. Hünermann widersprach. Ratzinger: «Die Idee stammt doch von Greinacher.»

Kölner Erklärung kritisiert Papst Johannes Paul II.

Norbert Greinacher war Pastoraltheologe in Tübingen, der mit seinem Buch «Die Kirche der Armen – Zur Theologie der Befreiung» in Ungnade fiel. »Ich erklärte Kardinal Ratzinger vergeblich, dass es uns um den offenen Dialog mit der Kirche im Osten geht», sagt Peter Hünermann. Ratzinger indes habe dahinter eine Verschwörung von Theologinnen und Theologen gewittert, die sich klar gegen die Autorität des Papstes richteten. 

Papst Johannes Paul II. im Jahr 1979.
Papst Johannes Paul II. im Jahr 1979.

Ratzingers Sorge war aus Vatikan-Sicht nicht unbegründet: 1989 erschien die «Kölner Erklärung», in der Theologinnen und Theologen Papst Johannes Paul II. kritisierten und «Wider die Entmündigung – für eine offene Katholizität» eintraten.

Vorwurf: «den Papst lächerlich gemacht»

Spätestens damit hatte das Verhältnis zwischen den beiden Denkern einen irreparablen Schaden genommen. Ratzinger beschwerte sich sogar 1994 beim Bischof von Rottenburg Stuttgart über Hünermann. Der Vorwurf lautete: Hünermann habe am Rande des Katholikentags in Dresden in einer Äusserung «den Papst lächerlich gemacht». Hünermann sagt: «Ich habe nicht darauf geantwortet.»

Zu einer Begegnung zwischen den beiden Professoren ist es später nicht mehr gekommen. Dennoch findet sich der Name Hünermann im Enthüllungsbuch von Georg Gänswein.

Wo Hünermann Benedikt XVI. «voll und ganz» zustimmt

Warum Gänswein diese alte Fehde wieder aufleben lässt, kann sich Hünermann heute nicht erklären. Er selbst habe kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit Georg Gänswein: «Man soll den toten Papst ruhen lassen.»

Erzbischof Georg Gänswein (r.) bei der Trauermesse für Benedikt XVI..
Erzbischof Georg Gänswein (r.) bei der Trauermesse für Benedikt XVI..

Immerhin habe die Anmerkung von Gänswein etwas Gutes: Denn Georg Gänswein zitiert den Benedikt-Satz, wonach der vermeintliche Gegensatz «Benedikt, der grosse Theologe» und «Franziskus, der Praktiker ohne theologische Ausbildung» nicht zutreffend sei. Peter Hünermann sagt zu kath.ch, er unterschreibe diesen Satz des emeritierten Papstes Benedikt XVI. «voll und ganz».

Unter dem Titel «Nient’altro che la Verità» erscheint diese Woche Georg Gänsweins Enthüllungsbuch auf Italienisch – wörtlich übersetzt: «Nichts als die Wahrheit». Die deutsche Übersetzung soll wohl im Februar im Herder-Verlag erscheinen. 

11.01.2023, 9.45 Uhr: In einer ersten Version gab es eine Verwechslung: Nicht der Nuntius Carlo Maria Viganò hatte Benedikt XVI. um ein Vorwort zu der Buchreihe über das Lehramt von Papst Franziskus gebeten, sondern der damalige Leiter des Kommunikationsdikasteriums, Monsignore Dario Viganò.


Peter Hünermann (zweiter von rechts) mit Papst Benedikt XVI. | © KNA
11. Januar 2023 | 08:27
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