Käthi La Roche, Pfarrerin am Grossmünster, in einer Aufnahme aus dem Jahr 2009
Schweiz

Warum gibt es reformierte Pfarrerinnen, aber keine katholischen Priesterinnen?

Edlibach ZG/Zürich, 10.8.17 (kath.ch) Kinder fragen, ein reformierter und ein katholischer Theologe antworten. Aus Anlass des Reformationsjubiläums hat kath.ch beiden Konfessionsvertretern dieselben Kinderfragen zu Unterschieden zwischen Katholiken und Reformierten gestellt. Für die Reformierten antwortet Christoph Sigrist, Pfarrer am Grossmünster in Zürich, für die Katholiken Christian Rutishauser, Priester und Provinzial der Schweizer Jesuiten. Mit dieser Frage endet unsere kleine Serie der Kinderfragen.

Christian Rutishauser: In der katholischen Kirche spielt die Tradition eine grosse Rolle. Sie bindet zurück an das, was Jesus Christus getan hat. Sie schätzt auch das, was die Christen früherer Generationen getan haben. Die Tradition bewahrt uns davor, jede Mode mitzumachen. Nun war Jesus ein Wanderprediger und hat eine Bewegung zur Erneuerung des Glaubens in Israel ins Leben gerufen. Dazu hat er zwölf Apostel um sich versammelt – alles Männer. Die Nachfolger dieser zwölf Apostel sind die Bischöfe in der katholischen Kirche. Die Bischöfe weihen als ihre Vertreter die Priester. Weil dies von Anfang an und in allen Jahrhunderten immer nur Männer waren, gibt es auch heute in der katholischen Kirche nur Männer, die Priester sind. Das ist Tradition.

Auch in der reformierten Kirche gab es in den vergangenen Jahrhunderten nur Männer als Pfarrer. Erst seit einigen Jahrzehnten können auch Frauen Pfarrerinnen werden. Dies hat damit zu tun, dass Frauen in unserer Gesellschaft nun auch das öffentliche Leben mitgestalten. Wie es in allen Berufen heute Frauen und Männer gibt, gibt es auch reformierte Pfarrerinnen und Pfarrer. Doch die reformierte Kirche folgt damit nicht nur einer Mode. Jesus hatte ja nicht nur die Apostel, sondern noch viel mehr Jünger um sich gesammelt – und auch Jüngerinnen. Maria Magdalena ist wohl die berühmteste. Auch die katholische Kirche könnte ihre Tradition ändern und Frauen zu Priesterinnen weihen. Viele Katholiken würden dies unterstützen, andere jedoch nicht.


Christoph Sigrist: Ich arbeite am Grossmünster. In der Sakristei hängen zwei Fotografien von Pfarrerinnen, die am Grossmünster gewirkt haben. Rosa Gutknecht war die erste Pfarrerin, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts als erste Frau ordiniert wurde. Das heisst, sie wurde als erste Frau von der Kirche zur «richtigen» Pfarrerin eingesetzt. Sie durfte jedoch nur dann auf die Kanzel, wenn ihre Kollegen krank waren. Sie war noch nicht von der Kirchgemeinde wählbar. Die erste offiziell gewählte Pfarrerin am Grossmünster war Käthi La Roche, die von 1999-2011 ihr Amt versah.

Auch in der reformierten Kirche liegt es erst wenige Jahrzehnte zurück, dass Frauen Pfarrerinnen werden dürfen. In der katholischen Kirche ist das Priesteramt immer noch den Männern vorbehalten. Ich höre als Begründung, dass Jesus nur Jünger zu sich gerufen hat. Wir wissen jedoch heute mehr. In den ersten Kirchgemeinden gab es Frauen in leitenden Stellungen. Und Jesus hatte auch Freundinnen und Frauen, die zum engsten Kreis gehörten.

So entpuppt sich die Frage nach den Frauen im Pfarrerberuf und Priesteramt vielleicht weniger als Frage nach der geschichtlichen und biblischen Begründung, denn als Frage, wer das Sagen und damit die Macht hat. (sys)


Kinderfrage 1: Warum steht auf reformierten Kirchen ein Hahn, auf katholischen ein Kreuz?

Kinderfrage 2: Warum gibt es in katholischen Kirchen Statuen und Bilder, in reformierten nicht?

Kinderfrage 3: Warum sind katholische Kirchen offen und reformierte oft geschlossen?

Kinderfrage 4: Warum tragen reformierte Pfarrpersonen schwarz, katholische weiss mit Farben?

Kinderfrage 5: Warum dürfen Reformierte nicht bei den Katholiken kommunizieren?

Käthi La Roche, Pfarrerin am Grossmünster, in einer Aufnahme aus dem Jahr 2009 | © Keystone
14. August 2017 | 12:41
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