Der Pfarrer, Schriftstellter und belgische Journalist Gabriel Ringlet
Schweiz

Katholischer Pfarrer aus Belgien: «Medikamentöse Ruhigstellung ist verkappte Sterbehilfe»

Martigny VS, 19.2.16 (kath.ch) Ein katholischer Priester und Schriftsteller aus Belgien hat dem Walliser Publikum von seinen Erfahrungen in der Begleitung von Menschen erzählt, die mit Sterbehilfe aus dem Leben scheiden. Die Veranstaltung in Martigny war von den Befürwortern einer Motion im Walliser Kantonsparlament organisiert worden. Diese verlangt, dass Sterbehilfe in Walliser Spitälern und Pflegeheimen künftig erlaubt sein soll.

Sterbehilfe sei eine «ultimative Lösung», die man nur als letzte Hilfe anwenden solle, wenn alle andere Möglichkeiten ausgeschlossen worden seien, sagte der Priester Gabriel Ringlet vor rund 200 Zuhörerinnen und Zuhörern. Der 1970 zum Priester geweihte Ringlet war in Belgien lange Zeit Spitalseelsorger und als solcher mit vielen Fällen von Leiden und Agonie konfrontiert. Er äusserte sich nicht pro oder kontra Euthanasie, sondern fand, dass Menschen sich in einer Sackgasse des Lebens wiederfinden könnten, in der die Tatsache, dass sie sich töten, verständlich werde.

Dabei erzählte er dem Walliser Publikum von seiner Erfahrung in der Begleitung von Menschen, sich für den begleiteten Suizid entschieden hatten. Dies ist in Belgien legal. Eine Karmelitenschwester sei an schwerer und schmerzhafter Osteoporose erkrankt. Als sie ihn in den Wunsch nach Sterbehilfe einweihte, weigerte sie sich gleichzeitig, mit ihren Vorgesetzten zu sprechen. Das sei ein Zeichen, dass der religiöse Druck sich gegen den Willen einer Person wenden könne, sagte Ringlet. Die Karmelitenschwester sei schliesslich auf natürliche Weise gestorben.

Ruhigstellung verunmöglicht Begleitung

Ringlet erwähnte in seiner Rede auch eine vor einem Jahr veröffentlichte Stellungnahme der französischen Bischofskonferenz zum Lebensende. Sie hätten darin jeglichen Akt des Tötens oder des Suizids verurteilt, dafür die Sedierung als Möglichkeit erwähnt. Die medikamentöse Ruhigstellung sei aber eine verkappte Euthanasie, kritisierte Ringlet. Die bei solchen Interventionen verabreichten Medikamentendosen seien dazu da, die Patienten am Lebensende zu töten. Zudem verunmögliche eine solche Behandlung jegliche Vorbereitung auf den Tod, auch eine rituelle Begleitung oder eine Begleitung durch die dem Sterbenden Nahestehenden. Solche Vorbereitungen und Begleitungen seien hingegen bei der Sterbehilfe möglich, ergänzte der Belgier. Ringlet ist emeritierter Professor für Journalismus und Ethnologie an der katholischen Universität in Löwen.

Seiner Aussage widersprachen Pflegefachpersonen in der darauf folgenden Diskussion. Sie versicherten, dass in der Schweiz die Sedierung nicht dafür verwendet werde, um beim Patienten den Tod herbeizuführen. Sie sei eine Praxis der Begleitung der guten Art.

Gabriel Ringlet sprach im Rahmen einer Informationsveranstaltung im Gemeindehaus Martigny, an der auch der Waadtländer Regierungsrat Pierre-Maillard und der Exit-Direktor Jérôme Sobel auftraten. Die Waadt dient den Walliser Sterbehilfe-Befürwortern als Vorbild. In diesem Kanton ist Sterbehilfe in Spitälern und Pflegeheimen erlaubt.

Ein Thema für die Kirche

Die Veranstaltung habe den Gegnern der Sterbehilfe-Motion zum Vornherein keine Chance gegeben, sich einzubringen, kritisierte der Walliser Pfarrer Michel Salamolard gegenüber dem Newsportal cath.ch. Salamolard hatte nach einem Gespräch mit der Organisatorin und freisinnigen Politikerin Sylvie Masserey Anselin auf eine Teilnahme verzichtet. Die Ausführungen von Pfarrer Ringlet seien hingegen eine vertiefte Auseinandersetzung wert, meinte Salamolard im Nachhinein. Diese müsse aber in der Kirche stattfinden, nicht in der Politik.

Die Motion zur Sterbehilfe wird in der Märzsession im Grossen Rat des Kantons Wallis debattiert. Sie wurde eingereicht von sechs Parlamentariern von FDP, CVP und SVP. (cath.ch/rp)

Der Pfarrer, Schriftstellter und belgische Journalist Gabriel Ringlet | © 2016 Raphaël Zbinden
19. Februar 2016 | 15:17
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