Der Petersdom spiegelt sich in einer Wasserlache.
International

Vor Weltsynode: extrem Konservative rüsten auf

Im Oktober tritt die Weltsynode in die heisse Phase. Erzkonservative Katholiken lehnen das Papst-Projekt vehement ab. Mit einem neuen Buch bewerben sie ihre Argumente – und attackieren Forderungen nach Inklusion und Frauenpriestertum heftig.

Anita Hirschbeck

Es droht die Zerstörung der katholischen Kirche. Zumindest stellen es Vertreter des traditionalistischen Flügels ebendieser Kirche so dar. Rund sechs Wochen bevor die vorerst wichtigste Etappe im bedeutendsten Projekt von Papst Franziskus an den Start geht, rüsten altbekannte Franziskus-Gegner per Buch argumentativ auf. Und sie teilen noch einmal ordentlich gegen progressive Reformbewegungen aus. Eine Konferenz aus derselben Ecke soll zudem in verschwörungstheoretischer Manier die Themen «Deep Church», «Deep State» und «Grosser Neustart» behandeln.

Das Ende der Kirche

Grund für die Untergangsszenarien ist die von Franziskus 2021 ausgerufene Weltsynode, zu der den ganzen Oktober hindurch eine erste zentrale Versammlung im Vatikan stattfinden wird. Das Thema der Synode – «Synodalität» – hat im ersten Moment wohl niemanden so recht vom Hocker gerissen. Mittlerweile ist allerdings klar, welche Sprengkraft hinter der technisch wirkenden Formel von der «Synode über Synodalität» steckt: Die rund 350 Teilnehmenden sollen unter anderem über den Umgang der Kirche mit den Themen LGBTQ, über Weiheämter für Frauen und den Zölibat sprechen.

Gleichberechtigung. Punkt. Amen.
Gleichberechtigung. Punkt. Amen.

«Ein Plan ist auf den Weg gebracht, die Heilige Mutter Kirche zu reformieren», warnen die Autoren Jose Antonio Ureta aus Chile und Julio Loredo de Izcue aus Peru in ihrem nun veröffentlichten Buch. «Der Synodale Prozess ist die Büchse der Pandora». Sollte dieser «Plan» vollständig durchgeführt werden, könne er die Grundfesten der Kirche umstürzen.

Häresie und Untergang

Zwei Gefahren machen die Autoren aus: Die Weltsynode könnte Kirchenhierarchien umkehren und Menschen, die laut katholischer Lehre in Sünde leben, etwa Homosexuellen, neue Rechte zusprechen. Beides rücken Ureta und Loredo de Izcue in die Nähe von Häresie. In ihrem in 100 Fragen und Antworten gegliederten Buch beantworten sie mehrfach Suggestivfragen mit einem eindeutigen «Ja», etwa ob Synodenbefürworter nach Schlupflöchern suchen, um gleichgeschlechtliche Beziehungen kirchenrechtlich zu legitimieren.

Auch in der katholischen Kirche fordern ReformerInen Inklusion, Traditionalisten lehnen sie ab.
Auch in der katholischen Kirche fordern ReformerInen Inklusion, Traditionalisten lehnen sie ab.

Unterstützung bekommen sie von Kurienkardinal Raymond Leo Burke, einem erklärten Franziskus-Kritiker. «Synodalität und sein adjektiv synodal sind zu Slogans geworden, hinter denen eine Revolution am Werke ist, um das Selbstverständnis der Kirche radikal zu verändern», schreibt Burke im Vorwort des Buchs, das von der Amerikanischen Gesellschaft zur Verteidigung von Tradition, Familie und Privateigentum (TFP) herausgegeben wird.

Schon das Zweite Vatikanum ist zu liberal

Einer der Köpfe der 1960 gegründeten TFP-Mutterorganisation ist der brasilianische Politiker und Publizist Plinio Correa de Oliveira (1908-1995). Die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils lehnte er vehement ab und stand in gutem Kontakt mit dem Gründer der traditionalistischen Piusbruderschaft Marcel Lefebvre. In Deutschland befasst sich TFP eigenen Angaben zufolge «mit der moralischen Krise, die die Überreste der christlichen Zivilisation erschüttert». Die Werte Tradition, Familie und Eigentum bilden demnach «einen Schutzwall gegen die marxistische, sozialistische und kommunistische Ideologie».

"Dei verbum" ist eine der vier Konstitutionen des Zweiten Vatikanischen Konzils.
"Dei verbum" ist eine der vier Konstitutionen des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Den extrem konservativen Gegenwind für die Weltsynode hat Papst Franziskus selbst angesprochen. Beim üblichen Plausch mit Angehörigen des Jesuitenordens Anfang August in Lissabon machte er eine Kampfansage an namentlich nicht näher genannte konservative katholische Gruppierungen in den USA. Ihnen warf der Papst vor, gut organisiert eine rückwärtsgewandte Ideologie in der Kirche verbreiten zu wollen. Dabei wiederholte er seine Vision einer Kirche, die niemanden ausschliesst, und nannte dabei ausdrücklich Transpersonen als Betroffene.

«Wir haben unsere Türen geöffnet»

Am Samstag dann hatte er mit Blick auf die Weltsynode vor Journalisten gesagt: «Wir haben unsere Türen geöffnet, haben allen ermöglicht, teilzunehmen und alle Anregungen berücksichtigt. Gemeinsam wollen wir eine Kirche bauen, in der sich alle zuhause fühlen und wo niemand ausgeschlossen ist (…) Es gibt keine Katholiken erster, zweiter und dritter Klasse.» Beide Reden klangen wie eine Antwort auf die lauter werdende Kritik aus dem konservativen Lager im Vorfeld der Weltsynode.

Papst Franziskus beim Rosenkranzgebet.
Papst Franziskus beim Rosenkranzgebet.

Besonders eingeschossen haben sich TFP und die Autoren des nun erschienen Buches auf den Reformprozess Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland. «Dieser Weg konzentriert und belebt die extremsten Forderungen deutscher Progressiver», schreiben Ureta und Loredo de Izcue. Der Prozess sei elitär, aber einflussreich.

Ablehnung des «Synodalen Weg»

Tatsächlich hat der Vatikan Forderungen des Synodalen Wegs bislang zurückgewiesen, etwa nach der Errichtung von Synodalen Räten. Die TFP-Verfasser malen trotzdem schwarz: Angesichts extremer Ideen aus Deutschland könnten auf der Weltsynode faule Kompromisse getroffen werden, nach der Art «Frauen dürfen zwar nicht Priester werden, dafür schaffen wir den Zölibat ab». Die Autoren bestehen darauf, dass kein Vorschlag des Synodalen Wegs umgesetzt werden darf. Sonst handele es sich nicht mehr um die von Jesus Christus gegründete heilige, katholische und apostolische Kirche.

Frauen demonstrieren für "Predigerinnen" und "Frauenweihe" am Infostand der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) in Frankfurt.
Frauen demonstrieren für "Predigerinnen" und "Frauenweihe" am Infostand der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) in Frankfurt.

Immer wieder beziehen sich Ureta und Loredo de Izcue auf den deutschen Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller, den Franziskus 2017 von seinem Posten als oberster Glaubenshüter im Vatikan absetzte. «Sie träumen von einer anderen Kirche, die nichts mit dem katholischen Glauben zu tun hat», sagte Müller vergangenen Oktober in einem Interview des katholischen Senders EWTN über Befürworter der Weltsynode. «Sie wollen diesen Prozess missbrauchen, um die katholische Kirche zu verschieben – und zwar nicht nur in eine andere Richtung, sondern in die Zerstörung der katholischen Kirche.»

Konservativer deutscher Kardinal als Poster-Boy

Der Name Kardinal Müller taucht derzeit auch in Einladungen auf: Beim zweitägigen «Rome Life Forum» wird er als einer der Hauptredner auftreten. Die «Strategiekonferenz» findet kurz nach dem zentralen Vatikan-Treffen in Rom statt. Die Weltsynode drohe, häretische Lehren über die Familie zu formalisieren, behauptet der Veranstalter «Life Site News», ein konservativ-katholisches Online-Portal, das aus der kanadischen Anti-Abtreibungsbewegung entstand.

Die Konferenz will laut Life Site News «das Böse der Deep Church und des Deep State» sowie deren Verwicklungen in die «Great Reset Agenda» aufzeigen. Die Vorstellung, dass geheime Eliten in Staat und Kirche die Macht an sich reissen wollen, kommt klar aus dem Reich der Verschwörungserzählungen. Vielleicht kann ausgerechnet Kardinal Müller zur Versachlichung der Debatte beitragen: Er wird bei der zentralen Versammlung der Weltsynode im Vatikan dabei sein – weil Papst Franziskus ihn persönlich als Teilnehmer berufen hat. (kna)


Der Petersdom spiegelt sich in einer Wasserlache. | © Pierre Pistoletti
31. August 2023 | 17:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!