Der geflohene Oligarch Wadim Nowinski als Diakon beim Gottesdienst in der Russischen Auferstehungskirche in Zürich beim Gottesdienst
Schweiz

Vom Oligarchen zum Gottesmann: «Berühmt-berüchtigter» Businessman in Zürcher Kirche aktiv

Aus der Ukraine ist er wegen einer Strafuntersuchung abgetaucht und in die Schweiz geflohen: der 59-jährige, steinreiche Oligarch Wadim Nowinski. Seit Ende März steht er nun plötzlich als Diakon vor dem Altar der Russisch-orthodoxen Auferstehungskirche in Zürich und zelebriert Gottesdienste. Wie kann das sein?

Wolfgang Holz

In der Ukraine ist er alles andere als ein Unbekannter. Wadim Nowinski, Oligarch mit einem geschätzten Vermögen von knapp 100 Millionen Dollar, soll derzeit von den Behörden wegen Bilanzfälschung und Steuerbetrug gesucht werden. Dies berichtete jüngst die «SonntagsZeitung».

Diakon im Untergrund

Pikant an der Causa des wegen Strafverfolgung aus seinem Land Geflohenen: Er ist in der Schweiz untergetaucht. Und nicht nur das. Wie auf Facebook zu sehen ist, steht Nowinski vor dem Altar der Russischen Auferstehungskirche in Zürich in liturgischem Ornat. Da ist er neuer Protodiakon und zelebriert Messen. Krass.

Die russisch-orthodoxe Auferstehungskirche in Zürich.
Die russisch-orthodoxe Auferstehungskirche in Zürich.

Grund für seine Flucht in die Schweiz: In der Ukraine steht Nowinski längst auf der Sanktionsliste. Mitte April soll der ukrainische Inlandsgeheimdienst SSU eine Hausdurchsuchung bei Nowinskis «Smart Holding» durchgeführt haben. Er stiess dabei auf Unterlagen von Nowinskis Offshore-Firmen sowie auf prorussische religiöse Literatur. Sein Vermögen wurde eingefroren und Ermittlungen gegen ihn eröffnet.

Prorussischer Hardliner

Nowinski selbst streitet sämtliche Vorwürfe ab und beteuert, nur auf Durchreise zu sein. In die Ukraine zurückkehren wolle er, sobald «die Bedingungen dafür» gegeben seien, wie er gegenüber der «SonntagsZeitung» äusserte.

Der 59-jährige Oligarch, der sich – wie der bekanntere Oligarch Rinat Achmetow – im Rohstoffhandel und in der Metallindustrie bereicherte, gilt politisch als prorussischer Hardliner.

Der Oligarch Wadim Nowinski
Der Oligarch Wadim Nowinski

Der in Russland geborene und 2012 in der Ukraine eingebürgerte Nowinski initiierte einen «Oppositionsblock» im Parlament. Dieser wurde im September 2014 als Listenverbindung verschiedener kleinerer Parteien gegründet ­– er gilt als EU-skeptisch und prorussisch.

Aber wie kann es überhaupt sein, dass ein ukrainischer, Putin nahestehender Oligarch gleichzeitig Diakon ist? Diakon der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK), die zum Moskauer Patriarchat gehört und damit unter der Fuchtel von Patriarch Kyrill I. steht. Kyrill ist bekanntlich Putin-Intimus und gilt als sakrale Speerspitze des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Laut «SonntagsZeitung» wurde Nowinski 2020 zum Diakon geweiht.

«Für Geld kann man sich doch alles kaufen.»

Nazar Zatorskyy, ukrainisch-katholischer Priester

«Für Geld kann man sich doch alles kaufen», erklärt Nazar Zatorskyy gegenüber kath.ch. Der ukrainische Priester ist bischöflicher Delegierter der Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche (UGKK) in der Schweiz und Doktorand an der Universität Freiburg.

«Kein professioneller Geistlicher»

«Wadim Nowinski ist ein berühmt-berüchtigter Oligarch, der sich geschickt durch Beteiligungen an Monopolen und staatlichen Geldern bereichert hat», so Zatorskyy überzeugt. Wegen seiner zahlreichen Skandale ist Nowinski in den Augen des Priesters kein professioneller Geistlicher.

Der ukrainische Priester Nazar Zatorskyy.
Der ukrainische Priester Nazar Zatorskyy.

Er könne sich noch gut daran erinnern, dass der Oligarch einmal im ukrainischen Parlament vom späteren ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko als «orthodoxe bitch» bezeichnet wurde. Das englische Schimpfwort bedeutet auf Deutsch so viel wie «Zicke», «Schlampe» oder «Miststück». Dass Nowinski nun in der Russischen Auferstehungskirche Messen abhalte, kann sich Zatorskyy nicht erklären. «Ich will das auch nicht kommentieren.»

Und was sagen die Vertreter der Russischen Auferstehungskirche dazu, dass ein strafrechtlich gesuchter ukrainischer Oligarch in ihrem orthodoxen Gotteshaus an der Narzissenstrasse in Zürich Gläubigen religiöse Werte vermittelt und diese segnet? 

«Völlig normaler Vorgang»

«Es ist ein völlig normaler Vorgang, dass ein orthodoxer Kleriker, der nicht unter Kirchenstrafe steht, Messen zelebrieren darf, wenn er das will», erklärt Daniel Schärer. Wadim Nowinski verfüge über die Erlaubnis seines Bischofs, Gottesdienste abzuhalten. Schärer war selbst siebe Jahre lang Diakon und wurde jüngst zum orthodoxen Priester geweiht.

Daniel Schärer, russisch-orthodoxer Diakon und seit neuestem frisch geweihter Priester
Daniel Schärer, russisch-orthodoxer Diakon und seit neuestem frisch geweihter Priester

Nowinski sei nach Zürich gekommen und feiere dort seit dem 29. März regelmässig Messen. «Etwa zwei Drittel der Gottesdienste», so Schärer. Wo sich der geflohene ukrainische Oligarch derzeit aufhalte, wisse er nicht. Er verfüge auch nicht über dessen Telefonnummer. Zum politischen und strafrechtlichen Hintergrund Nowinskis will er sich nicht äussern. «Das kann und will ich nicht.»

«Seit der Wahl von Metropolit Onufrij Berezovskyj zum Oberhaupt der UOK im Jahr 2014 trat Wadim Nowinski häufig an dessen Seite auf», erklärt Regula M. Zwahlen Guth, Redakteurin von «Religion & Gesellschaft in Ost und West» des Instituts G2W in Zürich.

«Grauer Kardinal»

Der russische Milliardär mit ukrainischem Pass gelte daher für viele in der Ukraine als Hauptsponsor oder «grauer Kardinal» der UOK, so Zwahlen. Nowinski habe sich auch im ukrainischen Kirchenkonflikt engagiert und sei immer wieder gegen die Einführung einer ukrainischen «Pseudo-Kirche» eingetreten. Zwahlen: «Die jetzigen Sanktionen gegen ihn bezeichnet er als religiöse Glaubensverfolgung und bedient so das Narrativ des Moskauer Patriarchats.»


Der geflohene Oligarch Wadim Nowinski als Diakon beim Gottesdienst in der Russischen Auferstehungskirche in Zürich beim Gottesdienst | © Facebook
24. April 2023 | 15:52
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