Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bei seiner Rede im Hotel Dolder Grand in Zürich.
Schweiz

Viktor Orbán in Zürich: Ein Loblied auf das europäische Christentum

Am Mittwochvormittag hielt der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán im Hotel «Dolder Grand» in Zürich eine Rede. Simon Spengler, Sprecher der Katholischen Kirche im Kanton Zürich verurteilte den Anlass nicht per se, sondern meinte, die «Kirchen sollten stattdessen christliche Werte etwa im Umgang mit Flüchtlingen deutlicher und hörbarer in die öffentliche Debatte einbringen».

Sarah Stutte

Eingeladen wurde das umstrittene Staatsoberhaupt von «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel. Anlass dazu war der 90. Geburtstag der heute rechtskonservativen Zeitschrift. Als weitere Gäste des ausverkauften Events wurden von Köppel unter anderem die beiden SVP-Alt-Bundesräte Ueli Maurer und Christoph Blocher begrüsst. Mit dabei war zudem Fürstin Gloria von Thurn und Taxis sowie der ehemalige Präsident der Tschechischen Republik, Václav Klaus.

Machen gute Miene: Papst Franziskus und Viktor Orban.
Machen gute Miene: Papst Franziskus und Viktor Orban.

Seinen Ehrengast begrüsste Roger Köppel im Hotel «Dolder Grand» mit den Worten: «Wir feiern 90 Jahre Freiheit und Schweiz, und Ministerpräsident Viktor Orbán ist ebenfalls ein Kämpfer für die Freiheit sowie ein grosser Europäer». Er habe den Mut, aufzustehen für das, was er für richtig halte, so Chefredaktor und Noch-Nationalrat Köppel.

Eigenständigkeit durch Christdemokratie

Als Orbán selbst zu Wort kam, lobte er die «Weltwoche» als «grösste konservative Zeitschrift im deutschsprachigen Raum» und meinte, es sei «beruhigend, dass es noch solche Medien gibt» und vor allem Orte wie die Schweiz, wo «man noch frei reden könne». Mit der Schweiz verbinde Ungarn auch ein gemeinsames Problem, nämlich die EU.

«Europa hat die Selbstbestimmungsfähigkeit verloren und ist nicht mehr in der Lage, souverän zu handeln», sagte der ungarische Ministerpräsident. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe die Christdemokratie an Einfluss gewonnen und Westeuropa habe sich dadurch seine Eigenständigkeit gegenüber den USA bewahren können.

Mitglied der reformierten Kirche

Dann habe sich allerdings der Wind gedreht und in den USA hätten progressiv-liberale Kräfte das politische Ruder übernommen und von dort aus in die Welt getragen. Orbán sieht darin den Ablöseprozess der tiefchristlichen Traditionen Europas.

In der Elisabethkirche in Budapest wurde im April dieses Jahres Ungarns Engagement für Bedürftige von Papst Franziskus gewürdigt.
In der Elisabethkirche in Budapest wurde im April dieses Jahres Ungarns Engagement für Bedürftige von Papst Franziskus gewürdigt.

Orbán selbst ist Mitglied der ungarischen Reformierten Kirche, seine Frau ist römisch-katholisch. Seit 2001 ist er zudem einer der Vizepräsidenten der «Christlich Demokratischen Internationale», einem Weltverband christdemokratischer, zentristischer und christlich-sozialer Parteien.

Christliche Werte deutlicher einbringen

Da der ungarische Ministerpräsident die christlichen Werte offenbar hochhält, stellt sich die Frage, wie die katholische Kirche Zürich zu diesem Auftritt steht. Sollte man dem kontroversen Gast Orbán überhaupt eine Plattform in der Limmatstadt geben? Dazu äussert sich Simon Spengler, Bereichsleiter Kommunikation der katholischen Kirche im Kanton Zürich, auf Anfrage von kath.ch.

Simon Spengler von der Katholischen Kirche im Kanton Zürich.
Simon Spengler von der Katholischen Kirche im Kanton Zürich.

«Es ist in meinen Augen nicht Aufgabe der Kirche, Rede- oder Denkverbote zu fordern, im Gegenteil. Unsere Demokratie braucht die offene Auseinandersetzung, auch mit Positionen, die wir überhaupt nicht teilen», sagt er. Und erklärt weiter: «Es wäre viel eher Aufgabe der Kirchen, ihre christlichen Werte etwa im Umgang mit Flüchtlingen oder gesellschaftlichen Minderheiten deutlicher und hörbarer in die öffentliche Debatte einzubringen. Ob in Ungarn oder in der Schweiz».

Keine Migration in Ungarn

Zu den Flüchtlingen äusserte sich Orbán im weiteren Verlauf seiner Rede auch noch. Ungarn fühle sich verantwortlich, eine mögliche Richtung vorzugeben, mit dem eigenen «ungarischen Europamodell». Schliesslich hätte das Land 2010 die liberale Hegemonie gebrochen. Es gebe in Ungarn keine Unruhen und keine Migration.

Flüchtlinge gelangen in Ungarn in einen Zug
Flüchtlinge gelangen in Ungarn in einen Zug

Der ungarische Ministerpräsident fügte dann doch noch nachträglich an, dass dies vielleicht auch an dem riesigen Grenzzaun liege, den das Land als Reaktion auf die Migrationskrise 2015 an der serbischen und kroatischen Grenze errichtet hatte. Dies, um Flüchtlinge davon abzuhalten, illegal ins Land zu kommen. Obwohl die meisten von ihnen sowieso keinen Grund hätten zu bleiben, wie Orbán ebenfalls festhielt.

Familienpolitik statt Genderinteressen

Zeit blieb nicht, darin einen Widerspruch zu sehen. Denn Orbán führte seine These weiter aus: Nach ungarischer Gesetzgebung würde ein Migrant nur das bekommen, was auch ein ungarischer Staatsbürger bekommen würde und dafür müsse man arbeiten. Eine staatliche Unterstützung gebe es nicht einfach so. Dass die Arbeitslosigkeit in Ungarn gegenüber dem Vorjahr angestiegen und der Arbeitsmarkt angespannt ist, erwähnte er nicht.

Unterstützung für die LGBT-Gemeinschaft ist der ungarischen Politik ein Dorn im Auge.
Unterstützung für die LGBT-Gemeinschaft ist der ungarischen Politik ein Dorn im Auge.

Zudem gebe es Wichtigeres als Migration, beispielsweise die Familienpolitik, die Ungarn eine Herzensangelegenheit sei. Teil der Strategie sei es deshalb auch, keine Genderinteressen zu fördern. Dazu passt, dass gerade erst ein queerfeindliches Gesetz verabschiedet wurde, das jegliche Fürsprache für Homosexualität oder Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen verbietet.

Ehe braucht Mann und Frau

Ungarn sei «altkonservativ». «Die Ehe braucht einen Mann und eine Frau. In unserer Verfassung steht, dass der Vater ein Mann und die Mutter eine Frau sein muss». Das höre sich primitiv an. Doch «wir sind nicht primitiv, sondern die Welt», so Orbán.

Eine Ehe brauche Mann und Frau, so Viktor Orbán in Zürich.
Eine Ehe brauche Mann und Frau, so Viktor Orbán in Zürich.

Man müsse eine neue konservative Politikergeneration heranzüchten. Und die christliche Kultur gehöre verbreitet, verbunden mit der Evangelisierung. «Der Glaube des von Christus vorgeschlagenen Weges bedeute die freie und am besten lebbare Welt. Wenn wir das nicht wiedererlangen, wird es sehr schwierig, Europa wieder erfolgreich zu machen», schloss er seine Rede unter dem Beifall des Publikums.


Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bei seiner Rede im Hotel Dolder Grand in Zürich. | © Screenshot
22. November 2023 | 16:34
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