Verein kritisch-religiöser Muslime ist gegründet

Romanshorn TG, 27.10.17 (kath.ch) Nach einem missglückten Versuch Mitte August ist der muslimische Verein Al-Rahman nun am 22. Oktober in Olten offiziell gegründet worden. Dies teilt der der Vorstand in einer Mitteilung vom 26. Oktober mit. Laut dem Präsidenten Kerem Adigüzel fehlt aber weiterhin ein geeigneter Raum für ein Gebetslokal.

Regula Pfeifer

Das Problem sei, einen genug grossen, bezahlbaren Raum für ein Gebetslokal zu finden, erklärt Adigüzel die Schwierigkeiten bei der Raumsuche. Kleinere Räumlichkeiten wären schnell zu finden gewesen. Dem Verein schwebt eine Moschee vor, die nur am Freitag fürs Gebet offen wäre und einmal im Monat einen Workshop anbieten würde. Für einen umfassenderen Betrieb reichen die personellen und finanziellen Ressourcen bisher nicht, wie ihr Präsident erklärt.

Im vergangenen August hatte ein Treffen der Gruppierung – entgegen medialer Vorankündigung – nicht zur Gründung geführt. Auch nach sechsstündiger Sitzung seien einige organisatorische Fragen offen geblieben, die man unbedingt klären und statuarisch festhalten wollte, erklärte Adigüzel damals auf Anfrage.

Freie Interpretation des Korans

Der Verein Al-Rahman tritt für einen eigenständigen Umgang und eine freie Interpretation des Koran ein und versucht eine – nach eigenen Worten – «vernünftige» Herangehensweise an religiöse Angelegenheiten. Ziel sei die Förderung einer freiheitlich-unabhängigen Lesart und Diskussion des Koran, die mit den Menschenrechten und der Demokratie vereinbar sei, heisst es in den neu verabschiedeten Statuten. «Wir vertreten kritisches, vernünftiges Denken, damit sich die Menschen von der Autorität der Religionsgelehrten und aus der Dunkelheit von Aberglauben und Mythologien befreien können», heisst es an anderer Stelle pointiert.

Die «Gottergebenheit bewahren und die Botschaft des Koran übersetzen in die heutige Zeit», ist das Ziel in anderen statuarischen Worten. Das sei bis jetzt zu wenig gemacht worden in den muslimischen Gemeinschaften, bestätigt Adigüzel, deshalb seien er und seine Mitstreiter aktiv geworden.

Der Verein ist nach eigenen Angaben freiheitlich-fortschrittlich ausgerichtet. Präsident und Mediensprecher Adigüzel relativiert: «Wir lehnen die religiösen Grundwerte nicht ab, wir hinterfragen sie einfach kritisch.» Deshalb positioniert er seinen Verein innerhalb der muslimischen Strömungen tendenziell in der Mitte. «Wir liegen zwischen den liberalen und den konservativen Muslimen», sagt er zu kath.ch.

Stimmrecht nur für Unabhängige

Die Organisation legt grossen Wert auf Unabhängigkeit und ideelle Freiheit. So erlauben die Statuten – mit Ausnahmen – ihren stimmberechtigten Mitgliedern keine Mitgliedschaft in einem muslimischen Dachverband oder in dessen Unterverbänden. Dies ist nur Mitgliedern ohne Stimmrecht möglich. Auch religiöse Autoritätspersonen sind hier nicht akzeptiert. Solche würden die Gefahr einer «ideellen Stagnation» bergen, sagt Adigüzel.

In früheren Medienberichten wurde der Verein teilweise mit dem Projekt «Offene Moschee Schweiz» gleichgesetzt. Laut Adigüzel handelt es sich aber um zwei unterschiedliche Initiativen, die sich nahestehen. Er hat mit Jasmin El-Sonbati über die Veranstaltung eines gemeinsamen Gebets gesprochen und kann sich eine solche Zusammenarbeit gut vorstellen.

Der Vorstand von Al-Rahman setzt sich aus drei Mitgliedern aus der Schweiz und zwei aus Deutschland zusammen. Eine länderübergreifende Zielgruppe wird laut Online-Auftritt auch angepeilt. Der Verein werde aber hauptsächlich hierzulande aktiv sein, relativiert Adigüzel.

Nur Präsident namentlich bekannt

Nur sein Name wird vorläufig bekannt gegeben. Die übrigen Vorstandsmitglieder erscheinen mit Vornamen, Familiennamen-Kürzel und Berufsangabe. Nicht alle seien bereit gewesen, ihre Identität preiszugeben, sagt der Präsident. Dies aus Schutz vor Medienanfragen und allfälligen Problemen mit dem Arbeitgeber. Drohungen habe es keine gegeben, verneint der engagierte Muslim eine entsprechende Frage.

Adigüzel steht bereits in der Öffentlichkeit. So nimmt er am 4. November am Podium «Braucht auch der Islam eine Reformation?» teil, das die Freidenker an ihrem mehrtätigen «Denkfest 2017» im Volkshaus Zürich veranstalten. Und am 14. November tritt er in der Diskussionsrunde «Basel im Gespräch» der Offenen Kirche Elisabethen in Basel auf. Diese gesellschaftliche Resonanz sei positiv, sagt der umtriebige Muslim.

Kerem Adigüzel | © zVg
27. Oktober 2017 | 17:47
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