Deckenrondelle in einer Moschee
Schweiz

Im Raum Bern-Zürich soll eine offene Moschee entstehen

Romanshorn TG, 30.7.17 (kath.ch) Eine Gruppe um den muslimischen Mathematiker Kerem Adıgüzel (30) möchte eine «offene, inklusive Moschee» gründen, in der auch Frauen vorbeten dürften. Die Gruppe sei derzeit auf der Suche nach einem geeigneten Raum in der Region Bern-Zürich. Dies geht aus einem Interview mit Adıgüzel in der aktuellen Ausgabe des Ostschweizer Kulturmagazins «Saiten» hervor.

«Wir finden es traurig, dass die meisten Moscheen heute zu Orten der Rückständigkeit degeneriert sind», so Adıgüzel gegenüber «Saiten». Sie wollten daher die Moschee wieder zu einem offenen «Ort der Bildung, der Anbetung Gottes und Aufklärung für alle Menschen» machen. Die Gruppe bestehe aus «zahlreichen Frauen und Männern unterschiedlicher Herkunft», aus Theologen, Islamwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, Pädagogen, Studenten und Arbeitstätigen aus der Schweiz und Deutschland. Gemäss Schweizer Radio SRF (Blickpunkt Religion, 30. Juli) will die Gruppe einen Verein gründen, steht jedoch noch am Anfang.

Breite Diskussion über muslimische Identität

Die Gruppe strebt eine «auch im Gebet deutschsprachige, offene und inklusive Moschee» an. Geschlecht, sexuelle Orientierung oder kultureller Hintergrund spielten keine Rolle. Sie wollten Vielfalt leben, ohne dass alle immer gleicher Meinung sein müssten. «Primär geht es darum, eine Plattform für Diskussionen und Debatten zur Verfügung zu stellen, wo sich alle logisch-kritisch mit den verschiedenen Aspekten des Islam auseinandersetzen können». Auch der Imam oder die Imamin soll allen anderen gleichgestellt sein.

Angestrebt wird letztlich «eine breite Diskussion über muslimische Identität», so Adıgüzel im Interview. Sie wollten den Koran mit kritisch-logischem Denken begegnen und ihn gemeinsam neu auslegen. Auf diese Weise sei er vereinbar mit einer humanistisch-säkularen Haltung.

Der Ruf nach liberalen muslimischen Gottesdiensten in der Schweiz ist nicht neu. Die Basler Muslimin Jasmin El-Sonbati organisiere unter dem Namen «Offene Moschee Schweiz» bereits jetzt vereinzelt Gottesdienste. Ihrer Meinung nach sollten liberale Gottesdienste über die ganze Schweiz verteilt stattfinden. Sie plädiere daher eher für eine Wandermoschee, sagte sie gegenüber SRF.

Salafisten deradikalisieren

Laut dem Magazin ist die Gruppe um Adıgüzel auch im Gespräch mit jungen Salafisten und konnte einige von ihnen deradikalisieren. «Diese Menschen suchen verzweifelt nach einer starken Identität. Man muss ihnen signalisieren, dass man dialogbereit ist und, sofern ihre theologischen Argumente überzeugen, auch bereit wäre, seine eigene Meinung zu ändern.» Für ein solches Streitgespräch müsse man allerdings sehr koranfest sein und auch emotional schlüssig argumentieren können, gibt Adıgüzel zu bedenken.

Kerem Adıgüzel (30) hat an der Universität Zürich Mathematik studiert. Der Autor des Buches «Schlüssel zum Verständnis des Koran» und Mitbegründer des islamischen Wissensportals «alrahman.de» ist Schweizer türkischer Abstammung und als Softwareentwickler tätig. Er lebt in Romanshorn. (sys)

Deckenrondelle in einer Moschee | © Barbara Fleischmann
30. Juli 2017 | 10:24
Lesezeit: ca. 2 Min.
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