Anja und Matej Glivar bei einer Protest-Aktion in der Kirche St. Anton in Zürich.
Schweiz

Veganer-Ehepaar stürmt Gottesdienst – Stadtpolizei ermittelt

Aufregung in St. Anton in Zürich: Ein Veganer-Ehepaar stürmt die Sonntagsmesse und prangert Fleischkonsum an: «An Ostern sterben Tiere wie Hühner und Lämmer.» Generalvikar Luis Varandas verurteilt die Störaktion «in aller Form». Die Stadtpolizei ermittelt.

Jacqueline Straub

Am Sonntag begann die englischsprachige Messe in St. Anton in Zürich-Hottingen um 11.15 Uhr wie gewohnt. Doch kurz vor 12 Uhr betrat eine Gruppe von Menschen mit Plakaten die Kirche. Mit dabei war das Brautpaar Matej und Anja Glivar.

Hoffnung auf Umdenken

Die beiden haben am 1. April standesamtlich geheiratet: «Wir haben unser ganzes Hochzeitswochenende genutzt, um Aktionen für die Tiere zu machen», sagt Anja Glivar (26) zu kath.ch.

Ihre Idee: «Marry4Peace». Bei der Hochzeit solle es nicht nur um die ewige Liebe gehen, sondern auch um den Tierschutz. Gerade bei einem Fest wie der Hochzeit sollten überkommene Traditionen abgeschafft werden: so etwa der Verzehr von Fleisch. Mit ihrer Aktion «Marry4Peace» hofft das Paar, dass ein Umdenken stattfindet und ein respektvoller Umgang mit Tieren entsteht.

Tote Tiere auf Armen

Ihre Protestschilder trugen klare Botschaften: «An Ostern sterben Tiere wie Hühner und Lämmer», wie «ZüriToday» berichtet. Auch hatten die Tierschützer tote Tiere auf den Armen: Ein Lamm und ein Huhn. «Wir wollten die Opfer der Industrie aus der Anonymität holen und ihre Gesichter zeigen», sagt Matej Glivar (35). «Die Menschen fühlen sich gut, wenn sie zu Ostern Lammfleisch essen. Aber sie fühlen sich nicht gut, wenn sie dieses tote, kleine, unschuldige Lamm auf unseren Armen sehen. Das nennt man kognitive Dissonanz – und das ist es, was wir ansprechen wollten.»

Friede muss in Handlungen sichtbar werden

Matej Glivar versteht nicht, wie die Kirche über Frieden sprechen könne – gleichzeitig aber unterstütze, dass an Ostern Lämmer getötet und verspeist werden. «Das ist nicht Frieden, das ist Gewalt gegen Tiere.» Da der Friede ein zentrales Element der christlichen Botschaft ist, müsse dieser Friede auch in den Handlungen sichtbar werden.

Matej Glivar war überrascht, als er die Kirche betrat und vor dem Altar stand: «Man hörte uns nicht zu. Der Pfarrer begann direkt zu beten und Gemeindemitglieder forderten uns auf zu gehen.» Auf einem Schild stand, dass sie nur ein paar Minuten Aufmerksamkeit für ihre Botschaft möchten. «Mehr wollten wir nicht», sagt der Aktivist.

Die Tierschützer hatten tote Tiere im Arm: Ein Lamm und ein Huhn. «Wir wollten die Opfer der Industrie aus der Anonymität holen und ihre Gesichter zeigen», sagt Matej Glivar.
Die Tierschützer hatten tote Tiere im Arm: Ein Lamm und ein Huhn. «Wir wollten die Opfer der Industrie aus der Anonymität holen und ihre Gesichter zeigen», sagt Matej Glivar.

Matej Glivar ist Christ. Er sagt, er habe Hoffnung, «dass sich auch in unserer Religion etwas ändert und dass wir alle Lebewesen respektieren werden». Auch Anja Glivar hat einen Bezug zur Kirche. «Ich bin katholisch und war sogar Ministrantin.» Sie sagt, sie sei aus der Kirche ausgetreten, als sie Veganerin wurde: «Weil ich verstanden habe, wie heuchlerisch es ist, Liebe und Frieden zu predigen, wenn man Mord und Ausbeutung von Tieren befürwortet. Es gibt viele Abschnitte in der Bibel, die zeigen, dass Jesus und Gott Mitleid mit Tieren haben und sie als gleichwertig ansehen.»

Gespräch mit Gottesdienstbesuchenden

Als sie nach ein paar Minuten die Kirche wieder verlassen hatten, kamen die Aktivistinnen und Aktivisten mit einigen Gottesdienstbesuchenden ins Gespräch. Sie beklagten sich, dass die Tierschützer die Messe gestört haben. «Gleichzeitig stellte sich heraus, dass viele unserer Meinung sind. Das hat mich gefreut», sagt Matej Glivar.

Luis Varandas, Generalvikar Zürich und Glarus im Bistum Chur
Luis Varandas, Generalvikar Zürich und Glarus im Bistum Chur

Doch bei vielen sorgte die Aktion auch für Empörung: «Die Störaktion im Gottesdienst der englischsprachigen Mission, in welchem etliche Familien mit Kindern anwesend waren, verurteile ich in aller Form», sagt Generalvikar Luis Varandas zu kath.ch. «Als Kirche ist uns der sorgsame Umgang mit der Schöpfung, zu der auch die Tiere gehören, ein wichtiges Anliegen.»

In der Schweiz könne jede Gruppe unter Einhaltung des vorgegebenen Rahmens eine Demonstration organisieren und ihrem Anliegen Gehör verschaffen, «ohne die Glaubens- und Kultusfreiheit anderer zu stören». Mit Aktionen wie jene am vergangenen Sonntag «schaden die Demonstranten der eigenen Sache», sagt Luis Varandas.

Ermittlungen laufen

Auf dem Kirchplatz wurden alle Aktivistinnen und Aktivisten dann von der Polizei kontrolliert und weggewiesen. «Zwei Personen haben wir kurzfristig für weitere Abklärungen auf den Polizeiposten mitgenommen», sagt Mediensprecher Marc Surber auf Anfrage von kath.ch.

Wie die Stadtpolizei mitteilt, laufen derzeit noch Ermittlungen gegen zwei Personen. Ihnen wird Hausfriedensbruch vorgeworfen. «Ob es sich auch um Nötigung handelt, wird derzeit noch geprüft», sagt Marc Surber.

Ob die Aktivistinnen und Aktivisten noch weitere Gottesdienste aufsuchen werden, wird sich zeigen, sagt Matej Glivar. «Wenn notwendig, werden wir es machen.»


Anja und Matej Glivar bei einer Protest-Aktion in der Kirche St. Anton in Zürich. | © zVg
4. April 2022 | 19:00
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