International
Ursula von der Leyen begeistert Taizé: «Gott ist immer bei mir»
Die EU-Kommissionspräsidentin verbringt zwei Tage in Taizé. Sie schätzt den Dialog mit den Jugendlichen – und zitiert in ihren Ansprachen Franziskus, Benedikt XVI. und Margot Kässmann. Und sie berichtet, wie sie als 13-Jährige ihre Schwester Eva-Benita verloren hat.
David Meier
Der 26. August ist für Ursula von der Leyen kein leichtes Datum. Es ist der Todestag ihrer Schwester Eva-Benita. Ursula von der Leyen war 13 Jahre alt, als ihre elfjährige Schwester den Kampf gegen den Lymphdrüsenkrebs verlor.
«Ich spüre Hoffnung und Vertrauen in Taizé»
Vor Jahren erzählte die Protestantin in einem Interview, wie die ganze Familie Eva-Benita gepflegt habe. «Ich erinnere mich noch dunkel, dass wir uns natürlich die Frage gestellt haben: Warum Benita?» Doch der Trauer wich die Dankbarkeit: «Wie schön, dass es Benita gegeben hat, elf lange Jahre.»
Es ist mucksmäuschenstill, als Ursula von der Leyen in Taizé von ihrer Schwester berichtet. Es ist der 26. August – und die Gedanken der Politikerin sind an diesem Tag bei Eva-Benita. «Ich spüre Hoffnung und Vertrauen in Taizé», sagt Ursula von der Leyen. «Das hat mir geholfen, als ich an meine Schwester gedacht habe.»
Den Geist von Taizé einatmen
Die mächtigste Frau Brüssels ist zwei Tage in Taizé, um Jugendliche zu treffen und den Geist von Taizé einzuatmen. Am Ende ihres Aufenthaltes wird sie sagen, sie habe in Taizé Ruhe gefunden.
Die überzeugte Europäerin zeigt sich von den Jugendlichen beeindruckt. Jeder und jede solle die anvertrauten Talente nutzen, um im Leben etwas zu erreichen. Taizé stehe für Hingabe, Liebe, Solidarität – und den Dialog mit Gott. Hier könne Nachhaltiges für die Gemeinschaft entstehen.
Sehnsucht nach Frieden
Egal ob Klimawandel oder der Krieg in der Ukraine: Europa steht vor massiven Herausforderungen. 450 Millionen Menschen in der EU lebten in Wohlstand und demokratischen Verhältnissen, sagt Ursula von der Leyen. Trotzdem gebe es viel zu tun. Noch lange sei nicht alles perfekt.
Mitten im Zweiten Weltkrieg hat der Schweizer Roger Schutz in Taizé ein Friedensprojekt gestartet. Die Botschaft von Taizé sei aktueller denn je, findet Ursula von der Leyen. Die EU sei als Samen der Einheit gepflanzt worden. Diesen Schatz gelte es zu pflegen.
«Die EU ist das erfolgreichste Instrument zur Friedenssicherung
Die Sehnsucht nach Frieden habe die Gründer der EU einst angetrieben. Und diese Sehnsucht treibe sie auch heute noch persönlich an, berichtet Ursula von der Leyen: «Die EU ist das erfolgreichste Instrument zur Friedenssicherung in der Geschichte der Menschheit.»
Die EU-Politikerin vermeidet in ihren Ansprachen die Wörter Putin und Russland. Sie spricht vom «Kreml», wenn sie vom Aggressor im Ukrainekrieg spricht. Gegen diesen Aggressor gelte es die Werte und Prinzipien Europas zu verteidigen. Die Ukraine könne auf die EU zählen. Denn «wenn die Ukraine nicht mehr kämpft, wird keine Ukraine mehr sein», sagt Ursula von der Leyen und erntet Applaus.
Es geht um Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung
Ursula von der Leyen sagt, sie sei zuversichtlich, dass nicht das Böse siegen werde. Der Ukraine werde es gelingen, Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung zu verteidigen.
Doch auch die ökologische Katastrophe beschäftigt die Politikerin in Taizé. «Wir müssen unsere Beziehung zum Planeten wieder herstellen», sagt Ursula von der Leyen, und zitiert Papst Franziskus, der immer wieder die Verantwortung gegenüber der Mutter Erde betone.
«Green New Deal»
Ursula von der Leyen wirbt für ihren «Green New Deal», wenn sie sagt: «Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen muss enden!» Der Krieg in der Ukraine unterstreiche das. Es sei jetzt an der Zeit, den Energiekonsum zu senken und auf erneuerbare Energien zu setzen.
Die siebenfache Mutter lobt die junge Generation, der sie sich verpflichtet fühlt. Und wieder zitiert sie Papst Franziskus: «Wann immer eine junge Person fällt, dann fällt die ganze Menschheit. Wenn aber eine junge Person wieder aufsteht, dann steht mit ihr die ganze Welt wieder auf.» Diese Nachricht wird begeistert aufgenommen. Ausdrücklich würdigt Ursula von der Leyen das Engagement der jungen Menschen während der Pandemie und für die Ukraine-Flüchtlinge.
Die Jugend als Vorbild
Gerade weil die Jugend furchtlos in die Zukunft blicke, sei sie ein Vorbild für die EU. Ursula von der Leyen berichtet vom «Next Generation Plan» und vom «Jahr der Jugend» in der EU. So gebe es in der EU nun Mindestlöhne für junge Menschen. Jeder Jugendliche solle eine Ausbildung machen können. Die Jugendarbeitslosigkeit solle der Vergangenheit angehören.
2011 wandte sich Benedikt XVI. mit den folgenden Worten an den Deutschen Bundestag: «Die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln.» – «Das sind die Werte unserer Tradition», ergänzt Ursula von der Leyen dazu. Das seien die Werte, die trotz aller Veränderungen nicht vergessen werden dürfen.
«Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand»
Auf die Frage, welche Beziehung sie zu Gott habe, antwortet Ursula von der Leyen: «Gott ist immer bei mir.» Der Glaube habe sie geprägt und zu der Person gemacht, die sie sei. Und der Glaube präge ihre Art, Entscheidungen zu fällen. Ursula von der Leyen ist überzeugt, dass sie einmal vor dem höchsten Richter für ihre Taten geradestehen muss.
Wenn die Probleme zu gross würden, dann sage sie zu sich: «Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand.» Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Kässmann hat diesen Satz von Arno Pötzsch bekannt gemacht.
«Steht auf für eure Werte!»
In Taizé geht es nicht nur um Besinnung. Es geht auch um konkrete Taten. Und hier haben die Jugendlichen kritische Rückfragen an die EU-Politikerin. Eine Gruppe führt vor der Kirche einen Protestsong auf. Sie fordert sofortiges Handeln gegen die Klimaerwärmung.
Am Ende ihres Taizé-Aufenthaltes richtet Ursula von der Leyen einen flammenden Appell an die Jugendlichen: «Steht auf für eure Werte!» Sie ermutigt dazu, dies im Glauben zu tun und dabei auch auf die anderen Religionen zuzugehen.
Die Präsidentin der EU-Kommission kniet in der Kirche
Später kniet sie mit den Jugendlichen auf dem Boden der Kirche von Taizé. Ihre Gebete dürften an ihre Schwester Eva-Benita gerichtet sein. Und die Sehnsucht nach Frieden in Ukraine aufgreifen.
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