Urs Brosi: Ich heisse Urs, weil…
Der künftige RKZ-Generalsekretär Urs Brosi hat heute Namenstag. Als langjähriger Armeeseelsorger freut er sich, den Namen eines stolzen Soldaten zu tragen: «Soldat- und Christsein schliessen sich nicht aus.»
Raphael Rauch
Warum haben Sie Ihre Eltern Urs genannt?
Urs Brosi*: Mein Grossvater väterlicherseits wünschte einen Urs in der Familie. Und ich war das erste männliche Enkelkind meines Grossvaters. Meine Eltern haben diesem Wunsch entsprochen. Weshalb aber der Grossvater einen Urs wünschte, ist nicht überliefert. Da er aus dem Kanton Solothurn nach Basel gekommen ist, stelle ich mir vor, dass er vielleicht die Bedeutung des Heiligen Urs als Schutzpatron der Stadt Solothurn kannte.
Gefällt Ihnen Ihr Name – und weshalb?
Brosi: Als Schüler war ich nicht so glücklich mit meinem einsilbigen Namen, der lediglich aus einem dunklen Vokal und zwei Konsonanten besteht. Wenn eine Lehrperson leise sprach, war ich gelegentlich unsicher, ob der Zischlaut «s», der an mein Ohr drang, nun mein Name gewesen sein soll oder nicht. Ich hätte einen mehrsilbigen Namen geschätzt.
Und später, als Sie nicht mehr Schüler waren?
Brosi: Als Theologiestudent fand ich es ehrenvoll, den Namen eines Patrons des Bistums Basel zu tragen, zudem einen römischen Namen, den Namen einer ägyptischen Person: Der Heilige Urs soll zur Thebäischen Legion gehört haben, die im ägyptischen Theben rekrutiert worden ist. Urs war ein christlicher Soldat, der im Gebiet der heutigen Eidgenossenschaft gewirkt haben soll. All diese Bezüge gefallen mir.
Während der vier Jahre, die ich in München und in Münster studierte, war mein Name immer wieder ein Thema, da Urs in Deutschland kein gebräuchlicher Name ist. Unter Theologinnen und Theologen wurde schnell der Bezug auf Hans Urs von Balthasar hergestellt, einem spannenden Theologen, der lange Zeit in meiner Heimatstadt Basel lebte.
Was verbinden Sie mit dem Heiligen Ursus?
Drei Dinge:
- Der heilige Urs hatte kein Interesse, als Märtyrer das Leben zu lassen. Deshalb ist er zusammen mit Viktor und Verena aus dem Unterwallis geflohen, als ihre Legion durch einzelne Hinrichtungen gezwungen werden sollte, Christen zu verfolgen. Ich entscheide auch eher abwägend bis vorsichtig und stürze mich ungern in aussichtslose Kämpfe.
- In Solothurn erwies sich Urs als prinzipienfest: Als Christ verweigerte er sich der Forderung, ein heidnisches Opfer darzubringen. Deshalb wurde er dann doch noch hingerichtet. Aufrichtigkeit und Geradlinigkeit sind für mich wichtige Prinzipien. Ich habe deshalb gelegentlich meinen Kopf angestossen, aber abgehauen wurde er mir noch nicht.
- Wenn ich meinen Kopf manchmal «nicht am richtigen Ort» habe und Wesentliches übersehe, so lache ich über mich selbst und denke, dass schon der Heilige Urs seinen Kopf unter dem Arm statt auf dem Hals getragen hat. Urs und Viktor gehören nämlich zur Gruppe der sogenannten Kephalophoren, zu jenen Märtyrern also, die nach ihrer Enthauptung noch für kurze Zeit mit dem abgeschlagenen Kopf unter dem Arm unterwegs gewesen sein sollen.
«Nomen est omen» – was bedeutet das mit Blick auf Ihren Namen?
Brosi: Die Legende der Thebäischen Legion ist in der Zeit der letzten Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian verortet. Sie diente aber wenige Jahrzehnte später im Übergang des Christentums zur Staatsreligion vor allem zur Legitimation, um tugendhafte Soldaten in die christliche Gemeinschaft aufzunehmen. Heilige wie Mauritius, Urs, Viktor und Martin zeigen, dass sich Soldat- und Christsein nicht ausschliessen müssen.
Über viele Jahre habe ich als Armeeseelsorger dieses Spannungsverhältnis auch selber erfahren. Heute interessieren mich jedoch vor allem die tektonischen Verschiebungen im Verhältnis von Staat, Gesellschaft und Kirche. Dass mein Namenspatron in genau diesem Beziehungsgeflecht von weltlicher Macht und religiöser Überzeugung unterwegs war, ist ein gutes Omen für mich und mein Engagement.
Ursus bedeutet Bär. Was bedeutet Ihnen diese Bedeutung?
Brosi: Grundsätzlich nicht viel. Als ich aber diesen Sommer in Paris war, erklärte ich meinen dort unbekannten Namen immer wieder unter Verweis auf den «Bären»: Die französische Übersetzung «ours» war doppelt hilfreich: Erstens wurde damit mein Name korrekt ausgesprochen. Andererseits erhielten die Leute eine Eselsbrücke, indem meine Körpergrösse das grosse Tier in Erinnerung rief. Im deutschen Sprachraum wissen dagegen nur wenige, dass «ursus» Bär bedeutet.
Haben Sie einen Spitznamen?
Brosi: Nein.
Wie hätten Sie geheissen, wenn Sie ein Mädchen geworden wären?
Brosi: Das ist nicht klar. Nur dass der Name meiner Schwester Sibylle bei meiner Geburt noch keine Option gewesen sei, weiss mein Vater zu berichten.
Freut es Sie, dass Sie einen Diözesanheiligen im Namen tragen?
Brosi: Ja, durchaus. Vor allem freut mich die Verbindung weit zurück in die Geschichte, als das Christentum in das Gebiet unseres Landes kam. Auch die Verbindung des Heiligen zur Stadt Solothurn ist mir lieb, denn meine Vorfahren stammen aus dem Kanton Solothurn.
* Der Kirchenrechtler Urs Brosi ist designierter Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ). Er wird im November vom scheidenden Generalsekretär Daniel Kosch eingearbeitet und tritt sein neues Amt im Dezember an. Derzeit ist Urs Brosi als Generalsekretär der katholischen Landeskirche im Thurgau tätig.
Hier geht es zur › Bestellung einzelner Beiträge von kath.ch.