Die Päpste der Geschichte
Porträt

Urban II. – Der Erfinder der Kreuzzüge

Er fordert die Mächtigen heraus, reformiert die Kirche und ruft zum «Heiligen Krieg»: Urban II. In den elf Jahren seines Pontifikats vertritt er das moralisch erneuerte Papsttum. Sein Aufruf zum Kreuzzug beschäftigt Generationen von Juristen und Theologen, die den Krieg im Nachhinein legitimieren müssen.

Annalena Müller

Urban II. (1088-1099) ist ein ewig Reisender. Den Grossteil seines Pontifikats verbringt er ausserhalb Roms. Der Grund: In Rom sitzt mit «Clemens III.» (1084-1100) ein vom Kaiser eingesetzter Gegenpapst. 1095 ruft Urban II. zum Ersten Kreuzzug. Der Papst erfindet damit das Konzept des gerechten und «Heiligen Krieges». Und er bricht mit der Theologie des Pazifismus.

Von Cluny auf den Papstthron

Kleriker und Theologen des 11. Jahrhunderts sind der päpstlichen Skandale überdrüssig. Sie fordern eine moralische Erneuerung des Papsttums. Dabei scheuen die Reformer auch den offenen Konflikt mit dem Kaiser nicht. Die Wahl Urbans II. im Jahr 1088 ist Teil dieses Konflikts.

"Das Licht der Welt" - in Cluny  begann im 10. Jahrhundert eine umfassende Reformbewegung.
"Das Licht der Welt" - in Cluny begann im 10. Jahrhundert eine umfassende Reformbewegung.

Urban entstammt einer französischen Adelsfamilie. Er wird zunächst Prior des Reformklosters Cluny, das eine zentrale Rolle in der kirchlichen Erneuerungsbewegung spielt. 1078 wird Urban zunächst Bischof von Ostia. 1088 wählen ihn die Reformer zum Papst.

Überzeugter Reformer

Das Konklave wird in Terracina abgehalten. Denn in Rom sitzt mit «Clemens III.» der kaiserliche Gegenpapst. Quasi zum Dauer-Exil verdammt, reist Urban viel. Er hält zahlreiche Synoden ab, die sich den Langzeitproblemen der Kirche widmen. Ganz oben auf Urbans Reform-Liste stehen Simonie, also der käufliche Erwerb von Kirchenämtern, sowie das noch immer weiterverbreitete Konkubinat von Priestern.

Die Engelsburg und Rom sind in der Hand des Gegenpapstes «Clemens III.».
Die Engelsburg und Rom sind in der Hand des Gegenpapstes «Clemens III.».

Urban ist ein überzeugter Reformer und Vertreter des päpstlichen Supremats in Moralfragen. Das zeigt sich auch im Konflikt mit dem französischen König Philipp I. (1060-1108). 1095 bestätigt Urban dessen Exkommunikation. Philipp hatte drei Jahre zuvor seine Gattin verstossen, um eine andere Frau zu heiraten, die er vorher entführen liess.

Erfinder des «Heiligen Krieges»

Der offene Konflikt mit der weltlichen Macht ist nicht der einzige Tabubruch, den Urban wagt. Auf derselben Synode, welche die Exkommunizierung des Königs bestätigt, ruft der Papst zur «Befreiung» Jerusalems auf – mit Waffengewalt.

Statue Papst Urban II. in Châtillon-sur-Marne.
Statue Papst Urban II. in Châtillon-sur-Marne.

Urban II. ist damit der erste Papst, der zu einem Krieg aufruft. Er ist auch der Erfinder des «Heiligen Krieges». Denn Urban verspricht den Soldaten Christi den Erlass aller Sünden, falls sie auf dem Kreuzzug ihr Leben lassen.

Urbans Aufruf zum Krieg hat weitreichende Folgen. In den kommenden Jahrhunderten wird es zahlreiche «heilige» Kriege geben. Meistens gegen Muslime im Heiligen Land, mitunter aber auch in Spanien. Auch theologisch hat Urbans Aufruf Folgen. Denn der päpstliche Ruf zu den Waffen erfordert eine Neubewertung des Krieges an sich.

Der Ursprung des «gerechten Krieges»

Die theologische Vorstellung von Krieg ist zu Urbans Zeiten vom Denken des Augustinus (354-430) geprägt. Laut Augustinus sind weltliche Macht und kriegerische Gewalt in der post-paradiesischen Welt ein notwendiges Übel. Aber sie sind immer sündhaft.

Das Blut der Gefallenen soll die Strassen Jerusalems in rote Flüsse verwandelt haben.
Das Blut der Gefallenen soll die Strassen Jerusalems in rote Flüsse verwandelt haben.

Im Kontext der Kreuzzüge werden Juristen und Theologen des hohen und späteren Mittelalters gewisse Kriege legitimieren und sogar heiligen. Dabei arbeiten sie zwei Formen des gerechten Krieges heraus, die bis heute das westliche Verständnis prägen. Ein Krieg gilt als gerecht, wenn er entweder zur eigenen Verteidigung oder zur Befreiung eines unschuldig in Not Geratenen geführt wird – zum Beispiel zur Befreiung des Heiligen Landes.

Urban II. hat die theologischen und kanonistischen Diskussionen, die auf seinen Kriegsaufruf folgten, nicht mehr erlebt. Unter den Kriegslegitimierern finden sich so schillernde Namen wie Gratian († ca. 1150), Innozenz IV. (1243-1254), Hostiensis († 1271) und Thomas von Aquin (†1274).

Urban II. wurde 1881 seliggesprochen. Sein Gedenktag ist der 29. Juli, sein Todestag.

Lesen Sie am 30. Juli das Porträt von Coelestin V. Von den Intrigen und Machtspielen in Rom abgeschreckt, tritt er nach nur fünf Monaten von seinem Amt zurück und wird damit zum Vorbild für Benedikt XVI.


Die Päpste der Geschichte | © kath.ch
23. Juli 2023 | 16:00
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