Benedikt IX.: Der Mehrmals-Papst
Der Papstthron ist im 11. Jahrhundert in den Händen des römischen Adels. Intrigen und Gewalt bestimmen die römische Politik. Mittendrin: Papst Benedikt IX. Er wird gleich zweimal Papst. Sein erstes Pontifikat endet mit Vertreibung. Sein zweites, weil er sein Amt verkauft.
Annalena Müller
Papst Benedikt IX. (1032-1044/45) verkörpert alles, wofür die Nachfolger Petri in der Kritik stehen. Die Päpste des 10. und 11. Jahrhunderts interessieren sich vor allem für den Ausbau ihrer Familienmacht und die Verfolgung ihrer Feinde. Theologie spielt für sie eine Nebenrolle. Unter Benedikt IX. eskalieren die Konflikte und bringen das Papsttum an den Rand des Abgrunds. In der Geschichtsschreibung gilt Benedikt bis heute als einer der umstrittensten Päpste des Mittelalters.
Ein Propaganda-Opfer?
Mittelalterliche Chronisten wetteifern geradezu darum, den Papst als untauglich darzustellen. Einige schreiben, Benedikt sei bei seiner Inthronisierung erst vierzehn Jahre alt gewesen. Andere behaupten, er sei zwölf- oder gar zehnjährig Papst geworden. Das ist sicher übertrieben. Benedikt IX. dürfte bei seiner Wahl in den Zwanzigern gewesen sein – jung, aber durchaus erwachsen.
Papst Benedikt IX. ist unbeliebt. Auch deshalb blüht die Propaganda um ihn wie um keinen anderen Papst seiner Zeit. Oft ist es heute noch schwer, Diffamierung und Fakten zu unterscheiden. Was man weiss: Benedikt IX. entstammt – wie zu der Zeit üblich – dem römischen Stadtadel. Er gehört der aufstrebenden Familie der Tuscolaner an. Und er ist bereits der dritte Papst aus ihrer Reihe. Die grössten Rivalen der Tuscolaner sind die Crescentier. Letztere sind seit der Mitte des 10. Jahrhunderts Roms mächtigste Familie. Die Crescentier akzeptieren den Aufstieg der Tuscolaner nicht.
Vom Appeasement zum Aufstand
Papst Benedikt IX. ist sich seiner zahlreichen Feinde bewusst. Er sucht daher die Nähe des Kaisers. Gegenüber Konrad II. (1027-1039) und dessen Sohn und Nachfolger Heinrich III. (1039-1056) zeigt sich Benedikt nachgiebig. Der Papst weiss: seine Macht in Rom ist wackelig. Die Crescentier warten nur auf einen günstigen Moment.
Dieser Moment kommt 1044, als sich Benedikts Verhältnis zum salischen Kaiserhaus abkühlt. In Rom kommt es zum Aufstand, wobei sich Parteigänger der Tuscolaner und der Crescentier bekämpfen. Benedikt muss aus Rom fliehen.
«Wollust-Papst» und römisches Chaos
Die Crescentier installieren einen neuen Papst: Silvester III. Zeitgenössische Chronisten, die den Crescentiern nahestehen, schreiben: Benedikt habe abgedankt, um zu heiraten und sich seiner Wollust hinzugeben. Doch damit nicht genug der päpstlichen Schande. Die Chronisten behaupten: Der Papst habe sich dem Teufel verschrieben, damit ihm die Frauen in Scharen zulaufen.
Die Realität ist wohl weniger lasterhaft. Tatsächlich ist Benedikt in die Tuscolaner Familienfestung südlich von Rom geflohen. Von dort kämpft er sich 1045 nach Rom und auf den Papstthron zurück. Aber die Lust am Papstsein scheint ihm vergangen. 1046 verkauft er sein Pontifikat an Gregor VI.
Von den Verhältnissen alarmiert, schaltet sich Kaiser Heinrich III. ein. Eine von ihm geleitete Synode setzt Papst Benedikt IX. im Jahr 1046 offiziell ab – und den Amtskäufer Gregor gleich mit. Das römische Chaos der Jahre 1044 bis 1046 hat auch in den offiziellen Annalen Spuren hinterlassen. Hier wird Benedikt mit zwei Amtszeiten geführt. Im «Annuario pontifico» lautet die Abfolge: Benedikt IX (1032-1044), Silvester III. (1045), Benedikt IX. (1045), Gregor VI. (1046). Heute ist Benedikt IX. vor allem als Mehrmals-Papst in Erinnerung geblieben.
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