Vitus Huonder hängt in der Ahnengalerie im Rittersaal des bischöflichen Schlosses in Chur.
Schweiz

Über den 80. Geburtstag hinaus: Vitus Huonder bleibt für das Bistum Chur eine Hypothek

Der frühere Bischof von Chur, Vitus Huonder, wird heute 80. Er lebt bei den Piusbrüdern im Knaben-Institut Sancta Maria in Wangs SG. Sein Nachfolger Joseph Bonnemain kämpft mit Huonders Erbe und will sich öffentlich nicht zum Geburtstag äussern.

Raphael Rauch

Vor drei Jahren war die Überraschung perfekt: Ein römisch-katholischer Bischof wählt die schismatischen Piusbrüder als Altersdomizil. Genauer: das Knaben-Institut Sancta Maria in Wangs SG.

Auch Kardinal Müller war von Huonders Umzug irritiert

Der damalige Sprecher des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, versuchte 2019, den Schritt als im Einklang mit Rom zu deuten. Im Juni 2016 habe Huonder den Auftrag von Kardinal Ludwig Müller erhalten, «den Dialog über spezifische Themen theologischer und pastoraler Natur» mit der Priesterbruderschaft zu pflegen.

Bischof Vitus Huonder bei Papst Franziskus
Bischof Vitus Huonder bei Papst Franziskus

Damals gab es im Vatikan noch die Kommission «Ecclesia Dei», die für den Austausch mit den Piusbrüdern zuständig war. Doch die Kommission wurde im Januar 2019 aufgelöst – also vor Huonders Entschluss, nach Wangs zu ziehen. Auch Kardinal Müller zeigte sich später irritiert darüber, dass Huonder zu den Piusbrüdern ging.

Auftritte in Zaitzkofen und Stuttgart

Seit fast drei Jahren wohnt nun Vitus Huonder im Knaben-Institut am Fusse des Pizols. Zu Beginn seiner Emeritierung als Bischof von Chur liess Huonder über den Ortswechsel mitteilen: «Absicht und Zweck dieses Schrittes bestehen allein darin, sich dem Gebet und dem Schweigen zu widmen, ausschliesslich die traditionelle Messe zu feiern und für die Tradition zu wirken, worin er das einzige Mittel zur Erneuerung der Kirche erkennt.»

Hier wohnt Vitus Huonder: im Knaben-Institut Sancta Maria in Wangs.
Hier wohnt Vitus Huonder: im Knaben-Institut Sancta Maria in Wangs.

An diese Ankündigung hat sich Vitus Huonder weitgehend gehalten. Bis auf Auftritte bei den Piusbrüdern in Zaitzkofen, in Stuttgart und wenigen Interviews für die Website der Piusbrüder dringt nur wenig nach aussen.

Huonder kritisiert «Traditionis custodes»

Als Papst Franziskus das Feiern der Alten Messe mit dem Papier «Traditionis custodes» einschränkte, sagte Huonder laut Website der Piusbrüder: «Ich habe geweint.» Wäre er «noch im Amt als Bischof und hätte somit guten Zutritt zum Heiligen Vater», würde er ihn «bitten, er möge sich informieren bei jenen Menschen, die betroffen sind».

Hier wohnt Vitus Huonder: im Knaben-Institut Sancta Maria in Wangs
Hier wohnt Vitus Huonder: im Knaben-Institut Sancta Maria in Wangs

Die Entscheidung, in ein Knaben-Institut der Piusbrüder zu ziehen, bereut Huonder offenbar nicht: «Ich bin sehr glücklich. Ich habe die ganze religiöse Umgebung, die mich wirklich stützt, die mir hilft, auch als Altbischof den Glauben intensiv zu leben», sagte er letztes Jahr. Auch sei es gut, dass die jungen Menschen ihn «auf Trab halten» – was nicht immer leicht sei, «denn nur schon beim Gehen habe ich Mühe».

Zaitzkofen als Vorbild

Über das Knaben-Institut sagte Huonder: «Eine solche katholische Schule in einem Bistum zu haben, das war damals mein Traum. Das finden sie nicht mehr in unseren Bereichen.»

Vitus Huonder bei den Piusbrüdern – hier im Priesterseminar Herz Jesu in Zaitzkofen.
Vitus Huonder bei den Piusbrüdern – hier im Priesterseminar Herz Jesu in Zaitzkofen.

Nach einem Besuch im Priesterseminar Zaitzkofen äusserte sich Huonder regelrecht euphorisch: «Hier haben wir das Modell für die Kirche. Die Verantwortungsträger in der Kirche müssten auf das zurückgreifen, was in der Bruderschaft geschieht.»

Zurück in die Zukunft

Anders als etwa die Churer Dogmatikerin Eva-Maria Faber sieht Vitus Huonder die Piusbruderschaft nicht als schismatische Bewegung: «Was hier getan und geleistet wird, ist normal katholisch, bzw. müsste auch für andere das normal Katholische sein.»

Vitus Huonder im Jahr 2017.
Vitus Huonder im Jahr 2017.

Nach wie vor treibt Vitus Huonder die Sehnsucht nach Vergangenheit um – gerade in liturgischen Fragen. Im Oktober 2021 trat er bei den Piusbrüdern in Stuttgart auf. Dort sagte er laut Website: «Ich bin nun fünfzig Jahre Priester. Als ich die Weihe empfing, waren bereits etwa fünf Jahre vergangen, seit grosse Veränderungen in der Kirche, vor allem in der Liturgie, stattgefunden hatten. Mit diesen Veränderungen einher ging in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre eine innerkirchliche Verfolgung.»

Bonnemain schweigt zu Huonders 80. Geburtstag

Vitus Huonder ist überzeugt, die gegenwärtige Krise der Kirche hänge mit den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils zusammen: «Woher kommt diese Unruhe, woher kommen diese andauernden Auseinandersetzungen, und in der Folge dieser Abfall vom Glauben, diese Unfruchtbarkeit der Kirche mit leeren Seminaren, leeren Gotteshäusern, Verwüstungen der Heiligtümer. Warum diese verwaisten Pfarreien, diese sakrilegischen Praktiken, diese andauernde Unterdrückung und Verfolgung von Gläubigen?»

Joseph Maria Bonnemain
Joseph Maria Bonnemain

Einer von Huonders Mitarbeitern im Churer Bischofsrat, Joseph Bonnemain, ist 2021 Bischof von Chur geworden. Den 80. Geburtstag seines Vorgängers will Joseph Bonnemain öffentlich nicht kommentieren. Er lässt mitteilen, dass er Vitus Huonder zum Geburtstag gratuliert habe.

Huonders Erbe: problematische Priester

Bonnemain dürfte jeden Tag mit Huonders Erbe zu kämpfen haben. Huonder hatte zum Teil am Regens vorbei Männer in seiner Privatkapelle zu Priestern geweiht. Diese sorgen teilweise immer wieder für Schlagzeilen.

Priesterweihe in Schwyz 6. April 2019: die neuen Priester gehen mit Bischof Vitus Huonder zum Fototermin
Priesterweihe in Schwyz 6. April 2019: die neuen Priester gehen mit Bischof Vitus Huonder zum Fototermin

Wer die Namen von Huonders letzter Priesterweihe 2019 studiert, stösst auf einen Priester, der inzwischen ebenfalls bei den Piusbrüdern aktiv ist. Ein anderer Priester, dem Vitus Huonder in den letzten Tagen seiner Amtszeit noch einen bischöflichen Auftrag erteilte, fiel kürzlich mit kruden Thesen zum Ukraine-Krieg auf

Die Huonder-Zeit aufarbeiten?

Der frühere Zürcher Generalvikar Josef Annen sieht das Priesterseminar in Chur wegen Vitus Huonder «wieder da, wo wir im Jahre 2000 gestanden sind: am Anfang». Domherren wie Daniel Krieg wünschen sich eine Aufarbeitung der Huonder-Zeit. Selbst konservative Priester nehmen Vitus Huonder übel, dass er etwa bei der Beerdigung seines Vorgängers Amédée Grab fehlte. 

Amedée Grab (links) und Vitus Huonder im Rittersaal des bischöflichen Schlosses in Chur.
Amedée Grab (links) und Vitus Huonder im Rittersaal des bischöflichen Schlosses in Chur.

Huonder hat mit seinem Bistum abgeschlossen – und das Bistum versucht, mit dem umstrittenen Altbischof ebenfalls abzuschliessen. Wie das am besten gelingen kann, darüber gehen die Meinungen im Bistum allerdings auseinander.

Oder lieber Gras über die Huonder-Zeit wachsen lassen?

Die einen wollen Gras über die Huonder-Zeit wachsen lassen und nach vorne schauen. Andere finden, es werde höchste Zeit, die Huonder-Zeit und die darin geschehenen Fälle von spirituellem Missbrauch und Machtmissbrauch aufzuarbeiten.

So oder so: Huonder bleibt für das Bistum Chur eine Hypothek – über seinen 80. Geburtstag hinaus.

Vitus Huonders Muttersprache ist Rätoromanisch

Wie schon sein Vor-Vorgänger Wolfgang Haas (Weihbischof seit 1988, Bischof von Chur 1990–1997) hat auch Vitus Huonder in seiner Amtszeit (2007–2019) polarisiert. Mit verbalen Vorstössen zu Sexualität, Kirchenverfassung oder Lebensschutz fungierte der Churer Bischof auch landesweit immer wieder als Exponent des konservativen Kirchenflügels.

Huonder wurde am 21. April 1942 in Trun im Kanton Graubünden geboren. Seine Muttersprache ist Rätoromanisch. Er besuchte das Benediktiner-Internat in Disentis und studierte in Einsiedeln, Rom und Freiburg i.Ü. Nach Priesterweihe und Promotion 1973 war er an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg i.Ü. und an der Theologischen Hochschule Chur tätig. Es folgten zwölf Jahre in der Pfarreiseelsorge. Nach seiner Habilitation in Liturgiewissenschaft ernannte ihn Bischof Wolfgang Haas 1990 zum Generalvikar für Graubünden, Glarus und Liechtenstein.

Haas’ Nachfolger Bischof Amédée Grab bestätigte Huonder 1998 als Generalvikar für Graubünden. Im Vorfeld der Bischofswahl 2007 wurde Huonder dann als erfolgreicher Kandidat gehandelt. Schon damals beschrieben ihn die Medien als ähnlich konservativ wie Vor-Vorgänger Haas. (kath.ch)


Vitus Huonder hängt in der Ahnengalerie im Rittersaal des bischöflichen Schlosses in Chur. | © Christian Merz
21. April 2022 | 05:00
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