Sicherheitsvorkehrungen am WEF
Schweiz

Trumps Protektionismus treibt WEF in die Enge

Zürich, 17.1.17 (kath.ch) Die Zeiten sind für das Davoser Weltwirtschaftsforum härter geworden. Der auch von Donald Trump vertretene Protektionismus stehe der in Davos gefeierten Globalisierung im Weg, sagt Public Eye-Sprecher Oliver Classen. Für die Nichtregierungsorganisation ist heute Bundesbern die bessere Adresse als Davos.

Georges Scherrer

Die wirtschaftskritische Organisation Public Eye ist zum zweiten Jahr in Folge nicht mehr am WEF anwesend. «Mit der Konzernverantwortungsinitiative konnten wir unser Kernthema in der Schweiz politisch auf die Agenda setzen», sagt Mediensprecher Oliver Classen gegenüber kath.ch. Der Fokus sei deshalb nicht mehr auf Davos gerichtet, sondern auf Bundesbern.

Früher waren es nur eine Handvoll Organisationen, die in Davos für jene Anliegen eintraten, die auch Public Eye dort bis 2015 vertreten hat. Heute stehen achtzig zivilgesellschaftliche Organisationen hinter der Konzernverantwortungsinitiative, unter anderem das Fastenopfer. Dessen Stiftungsratspräsident, Bischof Felix Gmür, mahnt im Zusammenhang mit der Vorlage: «International tätige Unternehmen wissen oft wenig um die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Menschen, die Gesellschaft und die Umwelt in den Ländern des Südens.»

Zuerst vor der eigenen Tür kehren

WEF-Gründer Klaus Schwab hat wiederholt ein «soziales Unternehmertum» eingefordert. Classen warnt davor, das «Geschwurbel» des WEF-Gründers unbesehen zu übernehmen. Falls er damit die Zähmung des Kapitalismus oder die Einhaltung gewisser sozialer oder ökologischer Mindeststandards durch Unternehmen meine, dann müsse er dies als erstes bei den Mitgliedern seines aus den tausend weltgrössten Konzernen bestehenden Clubs einfordern. «Das ist faktisch der einzige Hebel, den der sicher wohlmeinende Weltverbesserer hat, um seinen Forderungen glaubwürdig Nachdruck zu verleihen», erklärt Classen.

WEF ist von «linker Seite» unter Druck und auch von «scharf rechts»

Schwab müsste Unternehmen, die sich als «Corporate Citizens» nachweislich krass fehlverhalten, wirksam sanktionieren. Prophylaktisch könnte er Mindestkriterien definieren, um Firmen «in den erlauchten Kreis» aufzunehmen. Public Eye fordere bereits seit zehn Jahren, dass der WEF-Direktor seinen Empfehlungen Taten folgen lasse, ganz so wie er es seit Jahrzehnten schon von seinen Davoser Gästen verlange.

Dazu müsste er aber das Geschäftsmodell seiner Stiftung ändern. Alleiniges Kriterium für die Aufnahme von Mitgliedern ist heute die Grösse eines Unternehmens und nicht dessen «Gesellschaftsverträglichkeit», so Classen. Selbst unter den strategischen Partnern des WEF befinde sich darum «das eine oder andere schwarze Schaf».

Trump ante portas

Ende Woche wird Donald Trump als US-Präsident eingesetzt. Dieser vertrete kein wirtschaftsliberales Programm, sondern protektionistische Anliegen, die das genaue «Gegenteil vom Globalisierungs-Credo des Davoser Mannes sind», führt Classen aus. Die «Vollversammlung der Weltelite» gerate darum nicht mehr nur von «linker Seite» unter Druck, sondern zunehmend auch von «scharf rechts».

«Fox News» fordert Rückzug «amerikanischer Steuergelder»

In der Schweiz kritisierten progressive Kräfte seit Jahren schon, dass zum Schutz des Davoser Treffens Steuergelder «verprasst» werden, so Classen. Neu werde moniert, dass das WEF über die Entwicklungsorganisation «US Aid» amerikanische Steuergelder erhalte. Diese sponsere WEF-Projekte mit jährlich über 20 Millionen Dollar. Publik gemacht habe dies der «erzkonservative US-Sender Fox News». Dieser fordert, dass die «amerikanischen Steuergelder» zurückgezogen werden.

«Das Forum lag letztes Jahr mit allen Prognosen fundamental daneben»

Auf die WEF-Kritik in Davos folgt also für Public Eye die Konzernverantwortungsinitiative. Der Bundesrat hat dieser vergangene Woche einen Korb gegeben. Der Public Eye-Sprecher kann damit leben. Für politische Forderungen sei nicht Davos der Schauplatz, sondern Bern. Der Bundesrat hat dem Parlament nun seine Empfehlung gegeben. Er lehnt die Initiative ab. «Viel wichtiger ist aber, wie die Räte und später dann das Volk entscheiden werden», betont Classen. Die Stellungnahme des Bundesrats ändere nichts an der Strategie der Träger der Initiative. «Wir gehen weiter davon aus, dass die Initiative in der Bevölkerung mehrheitsfähig ist.»

Welt wartet auf «Prognosen» des WEF

Classen ist überzeugt, dass das Wirtschaftsforum in Davos an Strahlkraft verloren hat. «Das Forum lag letztes Jahr mit allen Prognosen fundamental daneben.» Brexit gab man keine Chance. Und bei Trump ging man davon aus, dass er bereits im parteiinternen Ausscheidungskampf scheitert.

«Deswegen ist heute alles darauf gespannt, welche Antworten in Davos auf die globale politische Trendwende gefunden werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dieses Jahr wieder genauso danebenliegen werden», meint der Public Eye-Sprecher.

 

 

 

Sicherheitsvorkehrungen am WEF | © Keystone/Jean-Christophe Bott
17. Januar 2017 | 13:01
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«Veranstaltung zur Befriedigung grosser Eitelkeiten»

Das Davos Weltwirtschaftsforum hat laut dem kirchlichen Entwicklungshilfe-Experten Heinz Hödl ein «echtes Imageproblem». Die dort geführten Gespräche sein zwar wichtig, das Forum gleiche aber immer mehr einer Veranstaltung zur «Befriedigung grosser Eitelkeiten führender Politiker und Wirtschafter», sagte der Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission in der Wiener Kirchenzeitung «Der Sonntag».

Die im Konferenzort anwesenden globalen Leader sollten sich mehr als nur Lippenbekenntnisse zu Nachhaltigkeit abringen, forderte Hödl, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Hilfswerke (CIDSE) ist. Dieser gehört aus der Schweiz das Fastenopfer an.

Umwelt als Chance wahrnehmen

Vor allem die grösseren Konzerne sollten strengere Regeln zum Schutz von Klima, Umwelt, Sozialstandards und Verbraucherrechte nicht als Last, sondern als Chance begreifen.
Aktuell nehme er eine Verlagerung der Verantwortung vom Staat zu privatwirtschaftlichen Akteuren hin wahr, die über ihr Handeln keine Rechenschaft ablegen müssten, meinte Hödl. Dies sei besonders problematisch, «da viele Staaten zu arm und zu schwach sind, um sich gegen immer mächtiger werdende Finanz- und Wirtschaftsakteure zur Wehr zu setzen».

Uno-Ziele als Wegweiser

Als Vision für einen möglichen Wandel könne die im November 2015 am Uno-Gipfel von Regierungs- und Staatschefs beschlossene «Agenda 2030» dienen, urteilte der Experte. Dieser universale Fahrplan trage der Tatsache Rechnung, «dass ökonomische, soziale und ökologische Ziele in wechselseitiger Abhängigkeit stehen».

Unter ausdrücklicher Berufung auf die Menschenrechte würden hier wichtige Ziele formuliert, wie etwa Armutsbekämpfung, Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, Bekämpfung von sozialer Ungerechtigkeit. Kritik übte Hödl zudem am neoliberalen Wirtschaftsmodell, das weltweit zum Anwachsen der Kluft zwischen arm und reich beitrage. (kap)