Christoph Klein
Schweiz

Tragischer Tod mit 48: Christoph Klein verunglückt in Patagonien

2017 wäre Christoph Klein beim Klettern beinahe gestorben. Er beschloss, kein Risiko mehr einzugehen. Doch am Montag ist der katholische Theologe verunglückt. Im Alter von 48 Jahren kam er zwischen Argentinien und Chile ums Leben. Eine Website wirbt um Spenden: für seine Bergung – und für seine Familie. Er hinterlässt eine Frau und drei Töchter.

Raphael Rauch

Es klingt wie ein schlechter Film: Im Juni 2017 passiert Christoph Klein beim Klettern ein folgenschwerer Unfall. Später beschreibt der katholische Theologe in der Zeitschrift «Ferment» die Extremsituation wie folgt: «Ich stürzte ein paar Meter unkontrolliert, aber nicht dramatisch, und hatte dabei das grosse Pech, die oberen Schneidezähne zu verlieren.» Daraufhin fasst er den Vorsatz, «keine hochalpinen Klettereien mit fragwürdigen Sicherungen und heiklem Fels mehr zu machen».

Die Ärztin sagte zu Christoph Klein: «Ich kenne Sie nur als Toten»

Zwei Monate später, im August 2017, nimmt Christoph Klein mit einem Kletterpartner die Marmolada-Südwand in Angriff. Um 5 Uhr nachmittags kommt es zu einem heftigen Gewitter. Auf dem Weg zu einem Unterschlupf kämpft Christoph Klein mit dem Tod: «Ich hing kopfüber, unter mir das verworrene Seil, etwa zehn Meter über dem anvisierten Standplatz, ohne Herzschlag und Bewusstsein.» 

Per Helikopter eilt eine Ärztin herbei. Sie stellt «eine Körperkerntemperatur von 20 Grad fest», wie Christoph Klein später berichtet. «Routinemässig begann sie sofort mit der Reanimation, aber die ersten Minuten überlegte sie ganz nüchtern, ob das überhaupt einen Sinn habe.» Später besuchte Christoph Klein die Ärztin. Diese sagte: «Ich kenne Sie nur als Toten.»

«Christoph ist abgestürzt, er war nicht angeseilt»

Beim Klettern und Bergsteigen hatte Christoph Klein oft Glück. Doch am Montag, 19. Dezember, hatte er Pech. Er starb in den Bergen Patagoniens, wie das Hilfswerk «Kirche in Not» mitteilte.

Hier war Christoph Klein unterwegs: Der "Cerro Torre" gilt als einer der schwierigsten und zugleich schönsten Gipfel der Welt.
Hier war Christoph Klein unterwegs: Der "Cerro Torre" gilt als einer der schwierigsten und zugleich schönsten Gipfel der Welt.

«Christoph war mit einem Kletterpartner in der Cerro-Torre-Gruppe in schwierigem Gelände unterwegs», sagt Achim Pasold zu kath.ch. Er ist Verleger des Fachverlages «Panico», in dem die wichtigsten Bergsteiger-Bibeln erscheinen. «Zwischen zwei Gipfeln haben Christoph und sein Begleiter festgestellt, dass die Verhältnisse zu schlecht sind. Sie kehrten um. Christoph ist dabei abgestürzt, er war nicht angeseilt. Andere Bergsteiger konnten ihn finden, weil seine Stirnlampe brannte.» Allerdings konnten sie nur noch seinen Tod feststellen.

Der Tote muss erst noch geborgen werden

Aufgrund der schwierigen Verhältnisse und des argentinisch-chilenischen Grenzverlaufs sei die Bergung nicht einfach. Nach wie vor ist unklar, ob der Verstorbene inzwischen geborgen werden konnte. Achim Pasold bittet im Internet um Spenden: «Für die Bergung von Christoph Klein und zur Unterstützung seiner Familie», sagt der Verleger zu kath.ch.

Achim Pasold und Christoph Klein hat ein Buchprojekt zusammengebracht – und zwar eine Neuauflage von «Im extremen Fels». Das ist eine Bergsteiger-Bibel mit 100 anspruchsvollen Touren – ein legendärer Kletterführer des Bergsteigers Walter Pause. «Das Buch war lange vergriffen. Weil sich das Klettern in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat, haben wir das Buch neu aufgelegt. Christoph hat tolle neue Texte geliefert», sagt Achim Pasold.

«Gut katholisch» in Oberbayern aufgewachsen

Mit Christoph Klein verliert nicht nur die Bergsport-Community, sondern auch die katholische Kirche einen Tausendsassa, der immer auf dem Sprung zur nächsten Idee war. Wie er einmal im liechtensteinischen «Fenster» schrieb, ist der aus Rosenheim stammende Christoph Klein «gut katholisch» in Oberbayern aufgewachsen.

Oberbayern ist ein wenig wie die Innerschweiz: von einer tiefen katholischen Volksfrömmigkeit geprägt. Erlebnisse wie Wallfahrten, die «Karfreitagsratsch’n» oder die Maibaumsegnung bringen Christoph Klein zur Erkenntnis, die Religion habe «dem Menschen etwas ganz Wesentliches zu sagen», wie er selbst immer wieder sagte.

Am Dialog mit der Naturwissenschaft interessiert

Christoph Klein studierte Theologie in München, Jerusalem und Luzern. Er absolvierte die Berufseinführung im Bistum St. Gallen und war später auch im Bistum Chur und im Bistum Basel als Seelsorger tätig.

Die Hoffnung auf das himmlische Jerusalem – gemalt von Marc Chagall in der Knesset von Jerusalem.
Die Hoffnung auf das himmlische Jerusalem – gemalt von Marc Chagall in der Knesset von Jerusalem.

Verschiedene Stationen führten ihn nach Thun, Littau, Lüchingen und später nach Winterthur und Kriens. Den Theologen liess die Frage nicht los, «wie Nicht-Theologen theologisch denken». Eine Doktorarbeit über «Glaubensmodelle von Physikern und Biologen» brach er ab. Kontinuität und Langzeitprojekte waren nicht unbedingt sein Ding. Lieber zog er hinaus in die Welt, etwa im Auftrag von «Kirche in Not».

Er filmte auch Monika Schmid bei einer Maiandacht

Manche Beschäftigung, etwa beim «Verein für eine offene Kirche» in Liechtenstein oder in der Pfarrei in Kriens, blieb nur von kurzer Dauer. Doch stets hat er Spuren hinterlassen, gerade auch auf YouTube. Egal, ob es um eine Maiandacht von Monika Schmid in Effretikon ging oder um die Ministrantinnen und Ministranten in Kriens: Auf YouTube finden sich verschiedene Beiträge von Christoph Klein.

Seine erfolgreichsten YouTube-Videos waren aber nicht über die Kirche, sondern über die Berge. Das Video «Matterhorn North Face» haben seit dem 8. Oktober 2022 fast 50’000 Menschen aufgerufen. Eines über die Eiger-Nordwand von 2011 sogar über 400’000 Menschen.

Karfreitag statt Weihnachten

Auf YouTube ist auch ein Video zu sehen, in dem Christoph Klein über das Trauern spricht. «Wer einen Angehörigen verloren hat, der befindet sich am Beginn eines oft schweren und oft auch langen Weges. Der Weg der Trauer», sagt er in bayerischer Färbung. «Auf diesem Weg gehört die Beerdigung mit dazu. Wie feiern wir Abschied? So individuell die Beziehung zur Verstorbenen oder zum Verstorbenen war, so individuell die Fragen, die bei so einem Todesfall aufbrechen können, so individuell dürfen auch Zeichen und Symbole sein, die eine solche Feier prägen und die zum Ausdruck bringen, was wir fühlen.»

Auf diesem Weg der Trauer hinterlässt Christoph Klein seine Frau und drei Töchter im Alter von 22, 19 und 15 Jahren. Statt eines frohen Weihnachtsfestes erlebt die Familie in Altstätten SG gerade einen Karfreitag. Auch, weil unklar ist, wann und wie der Körper ihres geliebten Mannes und Vaters nach Europa kann. «Friede auf Erden», das Versprechen von Weihnachten, sprengt menschliche Kategorien.


Christoph Klein | © YouTube
26. Dezember 2022 | 13:33
Lesezeit: ca. 4 Min.
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