Theo Schenkel
Schweiz

Theo Schenkel kritisiert Trans*Bashing beim Amoklauf von Nashville

Die Trans*Religionslehrperson Theo Schenkel findet: Eine offene Kirche sollte trans* Personen willkommen heissen. Deren Erfahrungen seien ein «Schatz». Schenkel möchte auch nicht nur heute den internationalen Tag der Trans*Sichtbarkeit feiern. Ein Gastbeitrag.

Theo Schenkel*

Am 31.März wird jährlich der internationale Tag der Trans*Sichtbarkeit gefeiert (transgender day of visibility). Bisher wird der Tag überwiegend in der queeren Community oder in der weltlichen Gesellschaft beachtet.

Das Datum müsste jedoch eigentlich für die katholische Kirche ebenso interessant sein. Schliesslich sind trans* Personen auch in der katholischen Kirche noch nicht sonderlich sichtbar. So kann der Tag der Trans*Sichtbarkeit kann für die katholische Kirche eine wichtige Erinnerung darstellen, trans* Personen in der Kirche und in der Kirchengeschichte sichtbar zu machen und ihre spirituellen Bedürfnisse ernst zu nehmen.

Das Sternchen

Trans* wird mit * geschrieben, um Begriffe wie transgeschlechtlich, transident und trans einzubeziehen und deutlich zu machen, dass es viele verschiedene Formen von Trans*geschlechtlichkeit gibt.

Geschlecht spielt in Kirche eine Rolle

Bei vielen Themen der katholischen Kirche spielt Geschlecht entweder offensichtlich oder unbewusst eine Rolle, weil beispielsweise der Zugang zu Weiheämtern durch Geschlecht geregelt ist und auch im Ehrenamt häufig klare Rollenerwartungen mit dem Geschlecht verbunden werden.

Eine offene Kirche muss sich trauen, diese starren Vorstellungen zu Weiblichkeit und Männlichkeit zu hinterfragen. Sie muss sich fragen, ob bei pastoralen Angeboten für Frauen zum Beispiel trans* Frauen willkommen sind, oder bei welchen Angeboten auch nicht binäre Menschen im Blick sind (und das auch, aber nicht nur bei der Frage nach Toiletten).

Trans*Erfahrungen als Schatz

Die Erfahrungen, die trans* Personen im Alltag machen, unterscheiden sich von denen der Mehrheitsgesellschaft. Sie erleben regelmässig auf äusserst eindrückliche Weise, welche Erwartungen mit dem Thema Geschlecht verbunden sind und welche Auswirkungen diese auf das eigene Leben haben.

Diese Erfahrungen dürfen nicht nur als Geschichten voller Leid bedauert werden, sondern müssen auch von der Kirche als wertvollen Schatz angesehen werden.

Ist G*tt trans*?

Letztendlich könnte sogar die Behauptung aufgestellt werden, dass G*tt trans* ist, weil die Bibel selbst sowohl in männlicher als auch in weiblicher Form von G*tt spricht. Es ist sowohl von der liebenden Mutter als auch vom schützenden Vater die Rede. Warum also hat die Kirche trans* Personen so wenig im Blick?

Gemälde in der Sixtinischen Kapelle.
Gemälde in der Sixtinischen Kapelle.

Viele trans* Personen entschliessen sich, einen neuen Namen anzunehmen und den Taufnamen nicht mehr zu verwenden. Neben kirchenrechtlichen Fragen, ob oder unter welchen Bedingungen trans* Personen zu einer sakramentalen Eheschliessung oder zum Priesteramt zugelassen werden dürfen, ist eine solche Entscheidung oft ein wichtiger Schritt, der durch ein Ritual begleitet werden könnte.

Eine Kirche, die von sich sagt, dass sie sich für die Unterdrückten einsetzt, muss sich auch für trans* Personen einsetzen. Sie muss Position gegen Diskriminierung beziehen, sowohl innerkirchlich als auch gesellschaftlich.

Amoklauf von Nashville instrumentalisiert

Der Amoklauf von Nashville am 28. März wird momentan verstärkt von transfeindlichen Akteur*innen instrumentalisiert. Nachdem berichtet wurde, dass der Amoklauf mutmasslich von einer trans* Person verübt wurde, wurden sogleich Stimmen laut, die vor der Gefahr durch trans* Personen warnen.

Waffe im Anschlag
Waffe im Anschlag

Die Mehrheit, der Menschen, die einen Amoklauf verüben, sind jedoch cis und männlich. Bisher ist allerdings noch niemand auf die Idee gekommen, deswegen cis Männer per se als Gewalttäter und Gefahr für die Sicherheit von Kindern zu deklarieren.

Ein* gleich alle

Es wäre also viel eher zu fragen, warum bei Minderheiten gerne von einer Person, auf die ganze Gruppe geschlossen wird; bei der Mehrheit jedoch nicht. Die Kritik an der amerikanischen Waffenpolitik bleibt die gleiche, egal ob der*die Täter*in trans* ist oder nicht. Sich jetzt von dieser Tragödie dazu verleiten zu lassen, trans* Personen das Leben schwer zu machen, wäre genau der falsche Weg.

Letztendlich sollte jeder Tag ein Tag voller Trans*sichtbarkeit sein; in der Kirche und anderswo. Ich hoffe, dass ich durch meine Sichtbarkeit anderen trans* Personen zeigen darf, dass trans* Menschen genauso glücklich werden können, wie cis Menschen auch und dass ich denen, die bisher keine oder kaum Begegnungen mit trans* Personen hatten, Einblicke in unsere Erfahrungswelt geben kann.

Theo Schenkel (28) ist katholische Religionslehrperson und Teil der Bewegung «Out in Church». 125 Mitarbeitende der katholischen Kirche in Deutschland haben sich in einer ARD-Dokumentation als queer geoutet. (korrigiert, 17:30 Uhr)


Theo Schenkel | © Jacqueline Straub
31. März 2023 | 11:50
Lesezeit: ca. 3 Min.
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