Nach dem Anschlag in der St. Francis-Kirche in Owo, Nigeria.
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Terror in Nigeria: «Das Massaker hat die Gemeinde zerstört»

«Die Regierung tut zu wenig für unsere Sicherheit», sagt Bischof Jude Arogundade (61) nach dem Blutbad in Owo. Am Pfingstsonntag sind über 30 Gläubige in der Kirche getötet worden. «Wir wissen noch nicht, wie viele Kinder zu Waisen wurden», sagt Bischof Arogundade.

Raphael Rauch

Wie geht es Ihnen?

Bischof Jude Arogundade*: Es ist einfach nur furchtbar. Das Massaker hat die Gemeinde in Owo zerstört. Babys haben ihre Mütter verloren, Kinder ihre Väter.

«Alle Priester sind in Sicherheit und keiner wurde entführt.»

Welche gesicherten Informationen haben Sie?

Arogundade: Über 30 Menschen sind tot. Aber wir rechnen mit weiteren Toten, weil viele Menschen auf den Intensivstationen um ihr Leben kämpfen. Über hundert Menschen sind verletzt, weil die Terroristen ziellos um sich geschossen haben. Es gibt aber auch viele Falschmeldungen, etwa über einen gekidnappten Priester. Das stimmt nicht. Alle Priester sind in Sicherheit und keiner wurde entführt.

Nach dem Anschlag an Pfingsten 2022 in der St. Francis-Kirche in Owo, Nigeria.
Nach dem Anschlag an Pfingsten 2022 in der St. Francis-Kirche in Owo, Nigeria.

Ihr Bistum gilt als vergleichsweise sicher. Boko Haram wütet im Norden Nigerias, nicht bei Ihnen. Was ist am Pfingstsonntag passiert?

Arogundade: Die Terroristen sind auf dem Vormarsch. Ich kann Ihnen nicht gesichert sagen, wer dahintersteckt. Wir gehen aber davon aus, dass der Anschlag auf das Konto der Fulani geht. Das ist ein nomadisch lebendes Hirtenvolk aus Westafrika. Die Fulani arbeiten mit Terroristen aus den Nachbarländern und mit Boko Haram zusammen. Selbst Terroristen aus Libyen kämpfen mittlerweile in Nigeria, weil Libyen in sich zusammengefallen ist. Die Behörden gehen davon aus, dass die Pfarrei in Owo zufällig ausgewählt wurde. Das Blutbad wurde wohl aus blankem Hass angerichtet.

«In Europa werden Synagogen bewacht – warum ist das bei uns nicht möglich?»

Sind Sie mit dem Krisenmanagement der Regierung zufrieden?

Arogundade: Nein. Es gibt viele Worte, aber wenig Taten. Schon länger fordern wir, dass Gotteshäuser besser geschützt werden müssen. In Europa werden Synagogen bewacht – warum ist das bei uns nicht möglich? Die Regierung bekämpft die Terroristen zu lasch und ziehen die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft. Wir haben Angst, dass so ein Anschlag erneut passiert, und fordern nun ein hartes Durchgreifen. Unsere Kirchen müssen geschützt werden.

Wie können Menschen in Europa Ihnen helfen?

Arogundade: Gebete helfen immer. Aber auch materielle Unterstützung ist wichtig. Einer meiner Seminaristen hat seinen Vater und seine Mutter verloren. Wir müssen schauen, dass er bald wieder auf die Beine kommt und nicht in ein Loch fällt. Wir wissen noch nicht, wie viele Kinder am Sonntag zu Waisen wurden. Auf uns wartet viel Arbeit. Zunächst gilt es, um das Leben der Menschen in den Spitälern zu kämpfen und für sie zu beten.

Wo war Gott gestern während des Massakers?

Arogundade: Gott war bei den Leidenden, bei den Verwundeten, bei den Getöteten. Wir lassen nicht zu, dass die Terroristen uns dazu bringen, an der Gegenwart Gottes zu zweifeln.

* Jude Arogundade (61) ist Bischof von Ondo. Zu seiner Diözese gehört die Pfarrei St. Francis in Owo, wo am Pfingstsonntag Terroristen einen Anschlag mit über 30 Toten verübt haben.


Nach dem Anschlag in der St. Francis-Kirche in Owo, Nigeria. | © Keystone
6. Juni 2022 | 19:16
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