Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen nehmen am Bundeslager im Goms teil.
Schweiz

«Teil des Ganzen»: Pfadis mit Beeinträchtigungen haben viel Spass im «Bula»

«Menschen mit Beeinträchtigungen können genauso gut Pfadis sein wie alle anderen hier im Bundeslager», sagt «Dolce» alias Kerstin Wesner. Sie ist im Vorstand des Verbandes Katholischer Pfadi und engagiert sich für Pfadfinderinnen und Pfadfinder mit Handicap.

Wolfgang Holz

«Das ist die Polizei!» – «Nein, das ist nicht die Polizei!» – «Doch, das ist die Polizei!» – «Nein, schau doch, das ist etwas Anderes!» Der Pfadi-Leiter Chnebu erklärt dem Buben neben ihm auf der Bank einen Punkt auf der Karte. Er ist zufrieden und willigt ein.

Gruppe übt Kartenlesen

Seine Gruppe übt gerade das Kartenlesen. Das Risotto mit Rüebli duftet schon von der Lagerküche herüber. Vor dem Mittagessen erfahren die 15 Mädchen und Buben unterm schattigen Grosszelt etwas über die Pioniertechniken der Pfadis.

«Seid ihr richtige Pfädeler?»

Pfadileiterin Nala

Sie haben auch viel Spass bei einer Samariterübung und bei der Blachen- und Seilkunde. Wie man die Pfadikrawatten korrekt knotet, hat ihnen zuvor eine Leiterin gezeigt. «Seid ihr richtige Pfädeler?», fragt Pfadileiterin Nala die Mädchen und Buben und motiviert sie gleichzeitig. Diese antworten ihr begeistert aus voller Kehle: «Jaaaaaa!»

Den richtigen Krawattenknopf zu machen, lernen die Kinder und Jugendlichen bei der Pioniertechnikübung.
Den richtigen Krawattenknopf zu machen, lernen die Kinder und Jugendlichen bei der Pioniertechnikübung.

Die Pfadis in der Gruppe, die geistig und körperlich beeinträchtigt sind, sind bei den PTA willkommen. PTA steht für «Pfadi Trotz Allem». Die Pfadis freuen sich über die willkommene Abwechslung und das Programm im Bundeslager.

Die linke Schlange und die rechte Schlange…

Lediglich die Sache mit dem korrekten Krawattenknopf ist doch komplizierter als gedacht – und die Leiterpersonen zeigen es gerne jedem Kind einzeln. «Die linke Schlange faltet sich nach oben, die rechte Schlange schlingt sich um die andere und schlüpft dann durch das Loch hindurch…» So steht’s in der Anweisung im Buch. Klingt echt schwierig.

«Menschen mit Beeinträchtigungen können genauso gut Pfadis sein wie alle anderen hier im Bundeslager.»

«Dolce» alias Kerstin Wesner

«Menschen mit Beeinträchtigungen können genauso gut Pfadis sein wie alle anderen hier im Bundeslager», versichert «Dolce», die mit bürgerlichem Namen Kerstin Wesner (49) heisst. Die Katechetin und Sozialpädagogin gehört dem «Pfadi Trotz Allem»-Verein Unterwalden an.

Präses "Dolce" alias Kerstin Wesner in der katholischen JurtenkIrche.
Präses "Dolce" alias Kerstin Wesner in der katholischen JurtenkIrche.

Sie kümmert sich hier um Kinder und Jugendliche zwischen acht und 18 Jahren und unterstützt die Leiterinnen. Durch den Wald rennen, sich in Büschen verstecken, draussen in der Natur sein – das sei gar kein Problem. Auch nicht für Pfadis mit Beeinträchtigungen.  

15 Teilnehmende, 11 Betreuungspersonen

«Allerdings ist der Betreuungsaufwand natürlich grösser, auch um die Sicherheit und die Aufsicht zu garantieren – deshalb haben wir hier für 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer 11 Betreuungspersonen», sagt «Dolce». Und die stemmen zusammen für die kleinen Pfadis ein abwechslungsreiches Programm – wie ein Blick in den eingefärbten Wochenplan zeigt.

«Abwaschen macht mir Spass.»

Suena, 12 Jahre

Neben Bewegungs- und Sporteinheiten gibt es auch Unterhaltungsaktivitäten. «Neulich haben sich unsere Pfadis in der Disco unter andere Pfadis gemischt – das war gar kein Problem. Wir sind absolut ein Teil des Ganzen hier», versichert «Dolce».

Köstliches Risotto mit Rüebli gibt es aus der Lagerküche.
Köstliches Risotto mit Rüebli gibt es aus der Lagerküche.

Inzwischen sind alle hungrig und freuen sich aufs Essen. Auf den bunten Tellern werden selbstgekochte Älplermagronen, Tomaten und Mozzarella, gegrillter Käse und besagtes Rüebli-Risotto geschöpft.

«Hier draussen an der frischen Luft mundet es sowieso gleich nochmals viel besser.»

Lagerkoch Einstein

Allen schmeckt’s bestens. «Und hier draussen an der frischen Luft mundet es sowieso gleich nochmals viel besser», sagt Koch Einstein und lächelt. Danach sammeln die Kinder und Jugendlichen, die das entsprechende Ämtli haben, das Geschirr ein zum Abwaschen.

Gerne draussen in der Natur

«Abwaschen macht mir Spass», versichert die 12-jährige Suena. Sie ist bei der Pfadi, weil sie es gerne zusammen mit den anderen lustig hat. Die 16-jährige Svenja schwärmt vom Draussensein in der Natur. Sie bewege sich gerne und verbringe mit anderen die Freizeit.

«Die Kinder fühlen sich wohl bei der Pfadi, weil hier kein Leistungsdruck herrscht. Weil sie keine besonderen Fähigkeiten mitbringen müssen», sagt «Dolce». «Alle sind mit ihren Stärken und Schwächen willkommen.»

Kartenspiel während einer Pause.
Kartenspiel während einer Pause.

Wobei die PTA-Pfadis alle sehr kontaktfreudig und offen seien. «Wenn sie einen mit leuchtenden und dankbaren Augen anschauen oder einen herzlich umarmen, ist eine schlaflose Nacht schnell vergessen», beschreibt Hermine (19), eine der beiden Leiterinnen, ihre Glücksgefühle über das Bundeslager. Ganz zu schweigen davon, dass es ihr nie langweilig werde bei den Pfadis.

Am Bundeslager nehmen auch Pfadis mit Beeinträchtigungen teil und fühlen sich wohl.
Am Bundeslager nehmen auch Pfadis mit Beeinträchtigungen teil und fühlen sich wohl.

«Dolce» ist als Präses bei den katholischen Pfadfindern vor allem für die spirituelle Unterstützung ihrer Schützlinge im Lager zuständig. Sie ist sich sicher, dass die Kinder und Jugendlichen auch in Glaubensfragen etwas mitnehmen: «Selbst wenn sie sich in ihrer eigenen Welt bewegen.»


Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen nehmen am Bundeslager im Goms teil. | © Wolfgang Holz
29. Juli 2022 | 11:14
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!